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Die Journalistin Valentina Alazraki verlangte auch mehr Professionalität in der Kommunikation Die Journalistin Valentina Alazraki verlangte auch mehr Professionalität in der Kommunikation 

Mexikanische Journalistin: „Mit vereinten Kräften gegen die wahren Wölfe“

„Habt Ihr wirklich entschieden, ob Ihr auf der Seite der Opfer von Missbrauch steht?“ Mit dieser Frage konfrontierte die letzte Sprecherin auf der Kinderschutz-Konferenz, die mexikanische Journalistin Valentina Alazraki, in ihrem Impulsreferat am Samstagnachmittag die anwesenden Kirchenvertreter.

Keiner hier im Saal werde ihr widersprechen, wenn sie behaupte, dass die Kirche eine Mutter sei, die alle ihre Kinder gleichermaßen liebe, betonte Alazraki. Dies bringe mit sich, dass auch Kirchenangehörige mit wichtigen Ämtern wie Bischöfe, Kardinäle, ja selbst der Papst, nicht mehr gelten könnten als „jeder andere Junge, Mädchen oder junger Mensch, der die Tragödie erlebt hat, Opfer von Missbrauch durch einen Priester geworden zu sein,“ so die eindringliche Mahnung der Sprecherin.

Kindesmissbrauch sei eines der Verbrechen, das der gesamten Gesellschaft „größte Schmerzen“ bereite, so die Journalistin, die bereits das Pontifikat von Paul VI. mit ihrer Berichterstattung begleitet hatte. „Fragen Sie sich selbst: Sind Sie genauso entschlossene Feinde derer, die Missbrauch begehen oder ihn vertuschen, wie wir selbst? Wir haben entschieden, auf welcher Seite wir stehen. Haben auch Sie das wahrhaftig getan, oder nur den Worten nach?“

„Missbräuche von Minderjährigen sind weder Gerüchte noch Tratscherei: Es sind Verbrechen“

Wenn die Bischöfe ernsthaft daran interessiert seien, Missbrauch in der Kirche zu ahnden und zu verhindern, dann könnten sie auf die Mitarbeit der Journalisten setzen, lenkte Alazraki den Blick auf ihre eigene Zunft. Oft habe sie gehört, dass die Skandale in der Kirche letztlich doch die Schuld der Pressemenschen seien. Denn diese hätten sie aufgedeckt, weil sie der Kirche schaden wollten oder sich davon Gewinn erhofften. Doch es sei falsch, die Berichterstatter für die Skandale verantwortlich machen zu wollen: „Missbräuche von Minderjährigen sind weder Gerüchte noch Tratscherei: Es sind Verbrechen.“ Zwar wüssten auch die Journalisten sehr wohl, dass Missbräuche nicht auf die Kirche beschränkt seien. „Aber Sie müssen verstehen, dass wir mit Ihnen strenger sein müssen als mit anderen, aufgrund ihrer moralischen Aufgabe.“

„Die Gläubigen vergeben mangelnde Transparenz nicht, denn das ist ein erneuter Angriff gegen die Opfer“

Ein wichtiger Aspekt von Missbrauch und seiner Straflosigkeit sei das Verschweigen von Vorgängen, die hingegen Verdacht auslösen müssten. Damit mache man sich selbst zum Komplizen und leiste erneutem Missbrauch Vorschub: „Die Gläubigen vergeben mangelnde Transparenz nicht, denn das ist ein erneuter Angriff gegen die Opfer. Diejenigen, die versäumen, zu informieren, fördern ein Klima von Argwohn und Hass gegen die Institution.“ In erster Linie seien es die Missbrauchsüberlebenden selbst, die ein Recht darauf hätten, zu erfahren, was in ihrem eigenen und ähnlichen Fällen für Schritte unternommen wurden – denn der erlittene Missbrauch klinge in den Opfern nicht ab, nur weil die Zeit vergehe. Dies gelte auch, wenn ihr Peiniger schon längst verstorben sei.

Auf der anderen Seite erliege einem Irrglauben, wer meine, dass man in der heutigen Zeit Skandale vermeiden könne, indem man stillschweige, unterstrich die Journalistin mit Blick auf die moderne Kommunikationskultur, in der es praktisch unmöglich sei, auf lange Sicht das Durchsickern von Informationen zu verhindern. Das Gegenteil sei der Fall: je länger Informationen zurück gehalten würden, desto größer sei am Ende der Skandal, den man aufarbeiten müsse, legte Alazraki den Anwesenden ans Herz. Vielmehr liege es an den Verantwortungsträgern selbst, Informationen frühzeitig und wahrheitsgemäß zu liefern. Nur damit könne man dem Eindruck entgegentreten, dass man etwas zu verbergen habe; gleichzeitig seien so Fehlinformationen oder ein unzulässiges Aufbauschen der Tatsachen zu vermeiden.

Sie wolle den kirchlichen Verantwortungsträgern drei praktische Ratschläge für den Umgang mit Missbrauchsfällen und stärkere Transparenz geben, fuhr Alazraki fort: Opfer an erster Stelle sehen, den Rat von Experten, darunter auch Kommunikationsprofis, annehmen, und die Kommunikation insgesamt zu professionalisieren.

„Nur wenn Sie die Opfer an die erste Stelle setzen, werden Sie glaubwürdig sein, wenn Sie sagen, dass sie die Plage des Missbrauchs ausrotten wollen“

Es sei schwierig, über etwas zu sprechen, von dem man keine Kenntnis habe, betonte Alazraki mit Blick auf sexuellen Missbrauch. Umso wichtiger sei es, den Kontakt mit Opfern zu pflegen und ihre Anliegen ernst zu nehmen, wie es auch der Papst vorlebe: „Ich glaube nicht, dass Sie weniger Zeit haben als der Papst“, stichelte die Journalistin ins Plenum. „Erinnern Sie sich, Transparenz bedeutet, zu zeigen, was Sie tun. Nur wenn Sie die Opfer an die erste Stelle setzen, werden Sie glaubwürdig sein, wenn Sie sagen, dass sie die Plage des Missbrauchs ausrotten wollen.“

Ein zweiter wichtiger Punkt: Sich gut beraten lassen, bevor man Entscheidungen treffe. Unter den Beratern sollten auch Kommunikationsexperten sein, legte die Journalistin den Kirchenvertretern ans Herz. Journalisten gäben sich auch mit den Auskünften von Pressesprechern zufrieden, solange sichergestellt sei, dass diese zeitnah und im Sinne ihres Bischofs Vorgänge kommentieren könnten, so die Mexikanerin. „Das sage ich, weil ich in 45 Jahren viele Formen der Kommunikation am Heiligen Stuhl und auch der Päpste erlebt habe und ich habe gesehen, wie wichtig diese direkte Kommunikation ist.“

„Wenn Sie selbst keine Antwort geben, dann werden wir uns die Antworten bei anderen suchen“

Der dritte Ratschlag: In Kommunikationsstrukturen zu investieren. Denn die Gläubigen und die Gesellschaft hegten zurecht die Erwartung an die Kirche, transparent zu sein. Dies bedeute, bei Notwendigkeit schnell korrekte Information zu liefern. „Die kann zwar aufgrund mangelnder Erkenntnisse zunächst einmal unvollständig sein, aber die Antwort kann kein Schweigen oder ,No comment‘ sein, denn dann werden wir (Journalisten, Anm.) die Antworten suchen, indem wir andere fragen, und das werden Dritte sein, die dann das antworten, was sie wollen.“ Eine korrekte Antwort könnte unter Umständen auch schon längst nicht mehr interessant sein, wenn man sich dazu bequeme, sie herauszugeben, mahnte die Journalistin mit Blick auf die Schnelllebigkeit der heutigen Zeit.

Missbrauch an Ordensfrauen: Eine Gelegenheit, Transparenz an den Tag zu legen

Der jüngst ans Licht gekommene Skandal des Missbrauchs von Ordensfrauen sei nun eine Gelegenheit, diese Erwartungen umzusetzen, spornte Alazraki die Kirchenvertreter an. „Ich würde mir wünschen, dass die Kirche in diesem Fall im Angriff und nicht in der Verteidigung spielt, wie sie das im Fall des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen getan hat. Es könnte eine große Gelegenheit für die Kirche sein, die Initiative zu ergreifen und an vorderster Front zu stehen, wenn es darum geht, diese Missbräuche anzuzeigen, die nicht nur sexueller Art sind, sondern auch und vor allem Machtmissbrauch darstellen.“

Sie hoffe, dass die Kirchenvertreter nach diesem Treffen mit einem anderen Bild von Journalisten nach Hause zurückkehrten, schloss Alazraki ihre Ausführungen: „Dass Sie nicht mehr denken, dass wir bösartige Wölfe sind, sondern, im Gegenteil, dass wir unsere Kräfte gegen die wahren Wölfe vereinen können.“

(vatican news)

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23. Februar 2019, 16:25