Vincenzo Buonomo, Rektor der päpstlichen Lateran-Universität, hier in Audienz bei Papst Franziskus Vincenzo Buonomo, Rektor der päpstlichen Lateran-Universität, hier in Audienz bei Papst Franziskus 

Vatikan-Diplomatie: Zum Wohl aller immer im Dialog

Der Heilige Stuhl unterhält diplomatische Beziehungen zu 183 Nationen. Wozu? Was ist päpstliche Diplomatie? Auf welchen Grundlagen beruht sie, was hat sie im Auge? Darüber sprachen wir mit dem Rektor der päpstlichen Lateran-Universität in Rom, dem Völkerrechtler Vincenzo Buonomo.

Gudrun Sailer und Michele Raviart - Vatikanstadt

„Der Heilige Stuhl erkennt in seiner diplomatischen Tätigkeit keine Regierungen an, sondern Länder“, stellt Buonomo klar. „Wenn die Regierung eines Landes wechselt, bleibt das diplomatische Verhältnis zum Heiligen Stuhl bestehen, denn die Aufmerksamkeit gilt im Wesentlichen der Bevölkerung des Landes.“ Erst vor wenigen Tagen hatten manche Beobachter mit Staunen registriert, dass in Venezuela bei der Amtseinführung des in einer umstrittenen Wahl wiedergewählten Präsidenten Nicolas Maduro ein Vertreter der Vatikan-Diplomatie zugegen war.

„Der Heilige Stuhl hat nicht die Absicht, sich in das Leben der Staaten einzumischen, sondern strebt danach, ein aufmerksamer und sensibler Zuhörer für die Probleme der Menschheit zu sein, mit dem aufrichtigen und demütigen Wunsch, sich in den Dienst des Guten eines jeden Menschen zu stellen", so Buonomo. Ein Konzept, das Papst Franziskus in seiner jüngsten Ansprache an das Diplomatische Korps des Heiligen Stuhls bekräftigte. Es gilt überdies als eines der wesentlichen Merkmale der internationalen diplomatischen Beziehungen der katholischen Kirche.

Kirchen- und Religionsfreiheit

„Wir gehen von der Idee aus, dass der Heilige Stuhl Beziehungen zu Staaten mit einem sehr klaren Ziel hat: nämlich die Freiheit der Kirche auf der einen Seite und die Religionsfreiheit auf der anderen", erklärt der Professor für Völkerrecht. Das sei auch der grundlegende Unterschied zwischen, einerseits, diplomatischen Beziehungen anderer Staaten untereinander und, andererseits, den diplomatischen Beziehungen des Heilige Stuhls. Andere Staaten unterhielten diplomatische Beziehungen in erster Linie, um wirtschaftliche Abkommen oder kulturelle Zusammenarbeit zu fördern, der Heilige Stuhl ziele aber auf Religionsfreiheit und Freiheit der Kirche als „besonderen und charakteristischen Aspekt". Die dafür eingesetzten Mittel seien konform mit dem Handwerkszeug der Diplomatie wie auch dem Völkerrecht, erklärt der Völkerrechtler.

„Die gute Nachricht an alle Menschen weitergeben"

Der Heilige Stuhl sei „der älteste Akteur der Diplomatie in der Welt", erinnert Buonomo. Die Besonderheit daran sei, wie das Paul VI. vor den Vereinten Nationen bekräftigt hatte, durch Diplomatie „auch zu evangelisieren oder eine kirchliche Dimension zu schaffen“.

Punkt eins: Dialog um jeden Preis

Diesen Ansatz verfolgt auch Papst Franziskus, und zwar in drei Schritten, analysiert der Völkerrechtler.  „Zum einen: das Instrument der Diplomatie muss dem Dialog dienen. Es ist ein Dialog um jeden Preis, den die Diplomatie erreichen muss, notfalls auch mit den Kompromissen, die der diplomatischen Tätigkeit eigen sind, wenn man vor vollständig konträren Positionen steht. Da muss man das Element der Übereinstimmung finden und Brücken bauen, wie man das nennt."

Punkt zwei: Aufmerksamkeit für die Bedürftigsten

Der zweite Aspekt der päpstlichen Diplomatie ist die Aufmerksamkeit für die bedürftigsten Menschen. Hier suche der Heilige Stuhl immer die internationale Zusammenarbeit. „In diesem Sinn handeln päpstliche Diplomaten auch durch Aktionsformen, die der Lobbyarbeit der internationalen Gemeinschaft ähneln“, erklärt Buonomo. „Das heißt, sie geben eine Vorstellung davon, wie die realen Situationen aussehen können. Manchmal weiß die Kirche mehr über die wirtschaftliche Situation eines Volkes oder einer Nation als selbst die Regierung des Landes".

Punkt drei: Rechte schützen

Als drittes Element der päpstlichen Diplomatie identifiziert der Rektor der Lateran-Universität den Schutz der Grundrechte des Einzelnen, verbunden mit dem Aspekt der Religionsfreiheit und den bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechten. „Also eine Allround-Diplomatie, die eine einzige Grenze hat: die, nicht gegen die Zielsetzungen der Kirche zu verstoßen". Das große Ziel, erinnert sich Buonomo, ist das Seelenheil und eine Diplomatie, die „vor allem im Dienste der Menschen und der Gläubigen steht, und zwar unabhängig davon, ob sie einer Kirche angehören". In der Tat dränge der Heilige Stuhl auf Religionsfreiheit für alle und nicht nur für die Katholiken. Das sei alternativlos „in einer postglobalen Welt, in der die Gleichgültigkeit gegenüber Religion etwas Tägliches und Konstantes ist“.

Im Mittelpunkt: der Mensch

Sämtliche Anliegen der Soziallehre seien Gegenstand der päpstlichen Diplomatie, und zwar unabhängig von der Identität des jeweiligen politischen Gesprächspartners, so Buonomo weiter. „Der Heilige Stuhl erkennt in seiner diplomatischen Tätigkeit keine Regierungen an: Er erkennt Länder an. Und das ist fundamental", bekräftigt der Völkerrechtler. „Selbst wenn die Regierung in einem Land wechselt, bleibt das diplomatische Verhältnis des Heiligen Stuhls bestehen, denn die Aufmerksamkeit liegt wesentlich auf der Bevölkerung und auf der Präsenz der Kirche im Land, nicht auf einem Regierungswechsel.“

Das Beispiel Haiti

Ein solcher Ansatz findet zuweilen Kritiker. Buonomo nennt als Beispiel Haiti. Dort führte 1991 ein Staatsstreich zum Sturz des Präsidenten Aristide. Trotzdem entsandte der Heilige Stuhl einen Nuntius nach Port-au-Prince und akkreditierte ihn bei der neuen Regierung, die Nutznießerin des Militärputsches war. Buonomo: „Wir müssen das Augenmerk auf die Anwesenheit der Kirche und auf die Menschen in dieser Region legen – unabhängig von Regierungskonstellationen“, das sei damals wie heute die Antwort des Heiligen Stuhls auf derartige Anfragen. Eine solche Diplomatie zeige, „dass es kein direktes politisches Interesse gibt; das Interesse gilt dem Menschen und dem Seelenheil, es ist also ein religiöses Interesse.“

(vatican news )

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15. Januar 2019, 13:09