Papst feiert erste Messe in Sixtinischer Kapelle
Stefan von Kempis - Vatikanstadt
„Iubilate Deo“ („Jauchzt Gott zu“), sang der Chor, als der amerikanische Pontifex einzog. 24 Stunden zuvor hatte er hier noch als einer von 133 wahlberechtigten Kardinälen gesessen und unter den strengen Blicken aus Michelangelos „Jüngstem Gericht“ an der Papstwahl teilgenommen; jetzt war er selbst der Hausherr, der auf Latein den Friedensgruß sprach – ein Echo des Friedensappells, mit dem der 267. Papst am Donnerstag Nachmittag auf die Loggia von Sankt Peter getreten war.
Die Lesungen wurden in der Sixtinischen Kapelle auf Englisch und auf Spanisch vorgetragen; vielleicht steckte keine Absicht dahinter, doch beides sind die Sprachen des neuen Papstes. Leo ist in Chicago aufgewachsen, hat aber lange als Missionar und Ortsbischof in Peru gelebt. Die Fürbitten ertönten dann in der neuesten Arbeitssprache dieses Papstes, nämlich auf Italienisch. „Bewahre Papst Leo, den du für uns erwählt hast, in deiner Liebe!“
In seiner Predigt sprach Leo XIV. zunächst spontan einige Worte auf Englisch; dann verlas er seinen vorbereiteten Text, in dem er vom Messiasbekenntnis des hl. Petrus ausging: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ (Mt 16,16). Hier werde „in verdichteter Form“ auf den Punkt gebracht, was die Kirche seit den Tagen des Petrus überliefere.
„Jesus ist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, das heißt der einzige Erlöser. Er offenbart das Antlitz des Vaters. (…) In besonderer Weise vertraut Gott, indem er mich durch eure Wahl zum Nachfolger des Ersten der Apostel berufen hat, diesen Schatz mir an, damit ich mit seiner Hilfe ein treuer Verwalter zum Wohl des gesamten mystischen Leibes der Kirche sei, auf dass sie immer mehr zu einer Stadt auf dem Berg wird, zu einer rettenden Arche, die durch die Wogen der Geschichte steuert, zu einem Leuchtturm, der die Nächte der Welt erhellt. Und dies weniger wegen der Großartigkeit ihrer Strukturen oder der Pracht ihrer Bauten (…), sondern durch die Heiligkeit ihrer Glieder, dieses ‚Volkes, das sein besonderes Eigentum wurde‘ (1 Petr 2,9).“
Petrus – in dessen Nachfolge die Päpste stehen – habe mit seinem Christusbekenntnis auf die Frage Jesu geantwortet, was denn die Leute über den Menschensohn dächten (vgl. Mt 16,13). Diese Frage Jesu sei „nicht unbedeutend“, sie halle heute noch nach, so Papst Leo. Die „Welt“ gebe darauf zur Antwort, dass Jesus so etwas wie „eine kuriose Figur“ sei. „Und so wird diese ‚Welt‘ nicht zögern, ihn zurückzuweisen und zu beseitigen, sobald er aufgrund der Ehrlichkeit und der moralischen Ansprüche, die er einfordert, lästig wird.“ Die einfachen Leute hingegen sähen in ihm einen Aufrechten, Mutigen. „Deshalb folgen sie ihm, zumindest solange sie dies ohne allzu große Risiken und Unannehmlichkeiten tun können.“
„Bemerkenswert an diesen beiden Haltungen ist ihre Aktualität. Sie verkörpern nämlich Vorstellungen, die wir leicht – vielleicht in einer anderen Sprache, aber im Wesentlichen gleich – in den Mündern vieler Männer und Frauen unserer Zeit wiederfinden können. Auch heute wird der christliche Glaube in nicht wenigen Fällen als etwas Absurdes angesehen, als etwas für schwache und wenig intelligente Menschen; vielfach werden andere Sicherheiten wie Technologie, Geld, Erfolg, Macht und Vergnügen bevorzugt. Es handelt sich um Umfelder, in denen es nicht leicht ist, das Evangelium zu bezeugen und zu verkünden, und in denen Gläubige verspottet, bekämpft, verachtet oder bestenfalls geduldet und bemitleidet werden.“
Mangel an Glauben hat oft dramatische Begleiterscheinungen
Doch gerade deshalb seien dies „Orte, die dringend der Mission bedürfen“, so der Papst, der selbst lange als Missionar gewirkt hat. Denn der Mangel an Glauben habe oft dramatische Begleiterscheinungen: „dass etwa der Sinn des Lebens verlorengeht, die Barmherzigkeit in Vergessenheit gerät, die Würde des Menschen in den dramatischsten Formen verletzt wird, die Krise der Familie und viele andere Wunden, unter denen unsere Gesellschaft nicht unerheblich leidet“.
Vielfach werde Jesus „auch heute bloß als eine Art charismatischer Anführer oder Übermensch gesehen (…), auch von vielen Getauften“. „Dies ist die Welt, die uns anvertraut ist und in der wir, wie Papst Franziskus uns so oft gelehrt hat, berufen sind, den freudigen Glauben an Jesus, den Erlöser, zu bezeugen. Deshalb ist es auch für uns unerlässlich, immer neu zu bekennen: ‚Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes‘. Das ist vor allem in unserer persönlichen Beziehung zu ihm von wesentlicher Bedeutung, im Bemühen um einen täglichen Weg der Umkehr. Aber dann auch für uns als Kirche, indem wir gemeinsam unsere Zugehörigkeit zum Herrn leben und allen die Frohe Botschaft bringen.“
Er sage das auch mit Blick auf sich selbst, so der neugewählte Bischof von Rom. Alle, die in der Kirche ein Leitungsamt ausüben, seien dazu gehalten, „zu verschwinden, damit Christus bleibt, sich klein zu machen, damit er erkannt und verherrlicht wird (vgl. Joh 3,30), sich ganz und gar dafür einzusetzen, dass niemandem die Möglichkeit fehlt, ihn zu erkennen und zu lieben“.
Der Vorgänger Franziskus hatte 2013 noch eine Stegreifpredigt gehalten; Leo hingegen hielt sich – bis auf seinen englischsprachigen Spontan-Prolog – an einen sorgfältig ausgearbeiteten Text. Darin zitierte er häufig aus dem Neuen Testament, zweimal aus Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils – und er machte sich eine berühmte Formulierung des hl. Ignatius von Antiochien zu eigen, nämlich dass die römische Kirche den „Vorsitz in der Liebe“ führe. Eine Deutung des Petrusdienstes, die heute ökumenisch weithin akzeptabel erscheint und die auch Franziskus 2013 gleich in seiner ersten Rede nach der Wahl aufgerufen hatte.
(vatican news)
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