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Papst Franziskus im Studio des italienischen Fernsehsenders RAI1 Papst Franziskus im Studio des italienischen Fernsehsenders RAI1  (ANSA)

Franziskus als Talkshow-Gast im RAI-Studio: Eine Premiere

Ein Papst im Fernsehstudio: Das hat es in dieser Form noch nicht gegeben. Papst Franziskus hat es nun vorgemacht, bei einer Sendung für den ersten Kanal des Italienischen Staatsfernsehens RAI, die am vergangenen 27. Mai in den Studios des Senders in Saxa Rubra in Rom aufgezeichnet worden war. „Es gibt eine Freude am Quälen“, zeigt sich Franziskus dort angesichts der Gräuel des Krieges, aber auch des Mobbings unter Minderjährigen besorgt.

„Es ist eine Geschichte, die so alt ist wie die Menschheit: Mit Frieden gewinnt man immer, vielleicht ein wenig, aber man gewinnt, mit Krieg verliert man alles. Alles! Und so genannte Gewinne sind Verluste“: Ein Appell, den bereits Pius XII. in seiner berühmten Radiobotschaft kurz vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges im Jahr 1939 lancierte, und den Papst Franziskus in den RAI-Studios von Saxa Rubra wiederholte. Der Papst war zu Gast in einer seiner erklärten Lieblingssendungen, „A Sua Immagine“. Das zuvor aufgezeichnete Interview wurde an diesem Sonntag ausgestrahlt. Es gebe geradezu ein „Vergnügen an der Folter“, stellt er angesichts des tobenden Krieges in der Ukraine fest: „Wir sehen es im Krieg, in den Kriegsfilmen, das Vergnügen... Und so viele Soldaten, die dort arbeiten und ukrainische Soldaten foltern. Ich habe die Filme gesehen. Und manchmal passiert das auch mit den Kindern“, so der Papst, der kurz zuvor das Zeugnis eines jungen Mädchens gehört hatte, das in der Vergangenheit Opfer schweren Mobbings unter Gleichaltrigen geworden war.

Verschiedene Gäste

Moderatorin Lorena Bianchetti hatte nicht nur den Papst, sondern neben anderen Gästen auch den Gefängniskaplan Marco Pozza und die Ordensfrau Agnese Rondi, die sich um Behinderte kümmert, im Studio. Die einzelnen Wortbeiträge wurden – wie in der frommen Sendung des italienischen ersten Programmes üblich – durch Videoeinspielungen unterbrochen; die einzelnen Gäste schilderten ihre teils bedrückenden, aber auch inspirierenden Erfahrungen und Lebenswege. Ein 29-jähriger Sohn nigerianischer Einwanderer, der in der Staffel für Italien Gold bei Olympia geholt hat, erzählte im lockeren Austausch mit dem Papst seine Geschichte. Auch das Elternpaar eines verstorbenen Mädchens, das den Papst bei und nach seinem letzten Krankenhausaufenthalt getroffen hatte, wurde zugeschaltet. Insgesamt hörte Franziskus während seines etwa einstündigen Aufenthaltes in der Sendung überhaupt sehr viel zu. 

„Ich verrate dir ein Geheimnis, als ich jung war, gab es noch kein Fernsehen“

Er selbst sei noch nie in einem Fernsehstudio gewesen und sehe überhaupt wenig fern, so der Papst, dessen persönlicher Auftritt in den Studios für Furore gesorgt hatte: „Ich verrate dir ein Geheimnis: als ich jung war, gab es noch kein Fernsehen“, wandte er sich scherzhaft an die Moderatorin. Immer wieder jedoch ließ er jedoch bereits in der Vergangenheit durchblicken, dass er dem Programm durchaus folgt – und es offensichtlich seiner Idee davon entspricht, wie Informationsvermittlung aussehen müsse: „Die Medien müssen den Menschen helfen, sich zu finden, einander zu verstehen, Freundschaften zu schließen und die kleinen Teufel zu vertreiben, die das Leben der Menschen ruinieren. Das ist Positivität, das ist nicht nur das Reden über Religion. Ja, man kann über Gott reden,... aber man muss die Menschlichkeit, den Humanismus schätzen.“

Jubiläum und Maria

In dem ausführlichen Gespräch geht es auch um das Jubiläum im kommenden Jahr 2025 als eine Gelegenheit, „um uns untereinander, mit Gott, anzunähern, um die Probleme zu lösen, um zu vergeben“, genauso wie um Erinnerungen an seine Großmutter Rosa, die ihm als erste die Verehrung für die Jungfrau Maria gelehrt hatte.

Auch über das Gnadenbild der Maria Knotenlöserin, das Franziskus gerne bei besonderen Anlässen verschenkt („ich merke, dass das Gott gefällt“), sprach der Papst. So sei der Maler zwar kein „großartiger Künstler“ gewesen, aber ihm gefalle die Geschichte des Gemäldes, das im deutschen Barock entstanden war. Einer Legende nach soll der Maler in einer Ehekrise gesteckt haben. Er bot der Muttergottes an, dieses Bild für sie zu malen, damit sie alle Knoten, die in der Ehe Schwierigkeiten bereiteten, löse. „Und am Ende sieht man, dass die Gottesmutter das Wunder vollbracht hat und es weiterging“, sagte Franziskus. Zu einem Gebet in den vatikanischen Gärten für das Ende der Corona-Pandemie am 31. Mai 2021 war eine Kopie des Originalgemäldes der Maria Knotenlöserin aus Augsburg eigens durch den Augsburger Bischof eingeflogen worden.

Darüber hinaus warnte der Papst in der populären Fernsehsendung, die 1997 in Zusammenarbeit des Senders mit der italienischen Bischofskonferenz entstanden war und jeweils am Samstagnachmittag und am Sonntagmorgen ausgestrahlt wird, vor Marienerscheinungen, die nicht immer wahr seien. In diesem Zusammenhang mahnte Franziskus dazu, auch die Zentralität Christi nicht zu vergessen. „Es gab echte Erscheinungen der Muttergottes, aber immer mit dem Finger in Richtung Jesus. Niemals hat die Muttergottes zu sich selbst hingezogen. Wenn sich die marianische Verehrung zu sehr auf sich selbst konzentriert, ist sie nicht gut. Sowohl in der Verehrung als auch in den Menschen, die sie ausüben.“

Schmerz durch Nähe lindern

Das Bild des Papstes, der bei der Entlassung aus der Gemelli-Klinik am vergangenen 1. April eine Mutter umarmt hatte, deren schwerkranke Tochter Angelica am Vortag im Alter von fünf Jahren in dem Krankenhaus verstorben war, war seinerzeit um die Welt gegangen. Das Elternpaar Matteo und Serena hatte einen Überraschungsauftritt in der Sendung. Mit Blick auf Schicksalsschläge wie die, die sie erlebt hatten, erinnert der Papst an die Bedeutung der „Zärtlichkeit“ und der „Begleitung des Schmerzes“: „Auch ich wurde im Moment des Schmerzes begleitet. Eines habe ich gelernt, als ich im Alter von 21 Jahren an dieser Krankheit litt, die mich fast umbrachte: Angesichts des Schmerzes nützen Gesten und Worte allein nichts... Es gibt keine Worte für den Schmerz, nur Gesten und Schweigen.“

Mobbing und wie damit umgehen

Eine weitere schwere Lebensgeschichte erzählte dann die 19-jährige Diana Ghini, die wegen ihrer physischen Erscheinung, aber auch wegen ihrer schwerbehinderten Schwester Opfer übelsten Mobbings durch Gleichaltrige geworden war. „Bosheit ist eine der Möglichkeiten des Menschen“, so die Überlegung des Papstes. Die jungen Menschen, die Mobbing begehen, „scheinen Sieger zu sein“, aber „es ist ein falscher Sieg, denn es ist ein Sieg dank der Aggression, dank des Schmerzes der anderen. Der wahre Sieg ist harmonisch, er ist nicht aggressiv, er ist sanftmütig. Das wahre Wort ist Sanftmut. Heute wird nicht mehr so viel Sanftmut gelehrt, weil man meint, dass sanftmütig zu sein, bedeutet, dumm zu sein“.

Auch er, Jorge Mario Bergoglio, sei durch harte Worte verletzt worden: „Als junger Mann, als Kind...“. Er habe zunächst damit reagiert, dass er „es hinunterschluckte“, dann sei er aber damit umgegangen, indem er es als Buße für andere Mängel akzeptierte.

„Umarme sie und lass sie spüren, dass die Liebe stärker ist als die Aggression“

Auf Nachfrage der Moderatorin hatte er auch für die Eltern einen Ratschlag für den Umgang mit ihren Kindern im Gepäck, der dem „Stil Gottes“ entspricht: „Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit“. Dies müsse den Kindern beigebracht werden: „Es gibt keinen Ausweg: entweder wir wählen den Weg der Liebe, der Zärtlichkeit, oder wir wählen den Weg der Gleichgültigkeit“. Insbesondere aggressive Heranwachsende müssten mit Gesten der Zärtlichkeit konfrontiert werden: „Umarme sie und lass sie spüren, dass Liebe stärker ist als Aggression.“

„Ihr müsst Grenzen aufzeigen“

 

Doch er hatte auch eine Warnung für die Eltern: „Ihr müsst Grenzen aufzeigen. Wenn ihr einen Jungen, ein Mädchen, ein Kind ohne Grenzen aufwachsen lasst, tut ihr nichts Gutes. Sie brauchen die Zärtlichkeit, die Liebe, aber auch das Nein der Liebe. Nein zu Mucken“. Das Gleiche gelte auch für Lehrer: „Ein Lehrer verführt nie, er zieht an, er gibt dir ein gutes Gefühl und setzt Grenzen. Ein Lehrmeister, der dir nur Süßigkeiten gibt, ist nicht gut. Ein Lehrer ist derjenige, der dir beim Gehen hilft, dir aber auch Grenzen aufzeigt und dich tadelt. Und ein Vater und eine Mutter, die nicht mit einem Kind schimpfen..., da stimmt etwas nicht“.

(vatican news/kap - cs)

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04. Juni 2023, 13:30