Suche

Ein unermüdlicher Evangelisierer: Papst Franziskus Ein unermüdlicher Evangelisierer: Papst Franziskus

Papst Franziskus: 10 Jahre missionarischer Schwung

Zehn Jahre sind seit dem 13. März 2013 vergangen, an dem Jorge Mario Bergoglio auf den Stuhl Petri gewählt wurde. Sein Pontifikat ist geprägt von einer Leidenschaft für die Evangelisierung und von einer Neuausrichtung der Kirche auf das Missionarische hin.

Zwei unterschiedliche Bewegungen haben diese zehn Jahre Pontifikat charakterisiert: eine Bewegung nach vorn, um Prozesse anzustoßen, und eine zirkuläre Bewegung, um auf Mitmenschen zuzugehen und sich von dieser Begegnung gedanklich und emotional bereichern zu lassen.

Isabella Piro - Vatikanstadt

„Die Zeit ist mehr wert als der Raum“: Diese Aussage von Franziskus aus seinem ersten Apostolischen Schreiben Evangelii gaudium sind ein geeigneter Leseschlüssel für die zehn Jahre, die hinter uns liegen. Jorge Mario Bergoglio – erster Jesuiten-Papst, erster Papst aus Lateinamerika, erster Papst mit dem Namen Franziskus und erster Papst, der nach dem freiwilligen Rücktritt seines Vorgängers gewählt wurde – ist davon überzeugt, dass man „Prozesse einfriert“, wenn man dem Raum Vorrang gibt. Räume man hingegen der Zeit den Vorrang ein, dann bedeute das, „den größeren Horizont im Auge zu behalten und die geeigneten Prozesse mit langem Atem anzugehen“. Zeit vor Raum: Von diesem Gedanken aus lässt sich dieses Pontifikat interpretieren und die zwei Bewegungen, die es auszeichnen: die Bewegung nach vorn, um Prozesse in Gang zu setzen. Und die zirkuläre Bewegung, die auf die Dimension der Begegnung und der Geschwisterlichkeit deutet.

Bei einer Reise nach Südamerika 2018
Bei einer Reise nach Südamerika 2018

„Die Zeit ist mehr wert als der Raum“

Blicken wir zunächst auf die Vorwärts-Bewegung. Hier wäre zuerst die Apostolische Konstitution Praedicate evangelium zu nennen, die 2022 in Kraft getreten ist. Sie gibt der römischen Kurie eine stärker missionarische Struktur. Zu den Neuerungen gehören die Einrichtung eines Dikasteriums für den Dienst der Nächstenliebe und eines Dikasteriums für die Evangelisierung, das direkt vom Papst geleitet wird. Das Dokument stärkt auch die Beteiligung der Laien am Dienst der Kurie und setzt einen Schlusspunkt unter die zahlreichen Reformen, die Franziskus im Lauf eines Jahrzehnts in den Bereichen Wirtschaft und Finanzen durchgeführt hat.

„Prozesse in Gang bringen“

Die vom argentinischen Papst eingeleiteten Prozesse betreffen auch die Bereiche der Ökumene, des interreligiösen Dialogs und der synodalen Strukturen in der Kirche. 2015 richtete er einen Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung ein, der jedes Jahr am 1. September zusammen mit der orthodoxen Kirche begangen wird, um die Christen zu einer „ökologischen Umkehr“ zu ermuntern. Eine Ermahnung, die sich auch wie ein roter Faden durch seine zweite Enzyklika Laudato si' zieht, welche ebenfalls 2015 veröffentlicht wurde. Der Text drängt zu einem „Kurswechsel“: Die Menschheit solle endlich ihrer Verantwortung für das „gemeinsame Haus“ gerecht werden und sich für ihre Bewahrung einsetzen. Zu diesem nötigen Engagement zählt der Papst auch die Ausrottung der Armut, die Sorge für die Armen und den gerechten Zugang aller zu den Ressourcen des Planeten.

Mit einem brasilianischen Indigenen am Rand der Amazonas-Bischofssynode 2019
Mit einem brasilianischen Indigenen am Rand der Amazonas-Bischofssynode 2019

Das Treffen mit Kyrill

Am 12. Februar 2016 traf Franziskus auf Kuba den orthodoxen Patriarchen von Moskau, Kyrill, und unterzeichnete mit ihm eine gemeinsame Erklärung über die „Ökumene der Nächstenliebe“. In dem Text ist von der gemeinsamen Verpflichtung der Christen die Rede, für eine geschwisterlichere Menschheit einzutreten. Seinen Realitätstest erlebte dieses Dokument auf tragische Weise nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs: Am 16. März 2022, also einen knappen Monat nach dem russischen Überfall aufs Nachbarland, telefonierten Franziskus und Kyrill. Hinterher war vom gemeinsamen Bemühen um eine Waffenruhe und von der Hoffnung auf Verhandlungen die Rede.

Historische Begegnung des Papstes mit dem Moskauer Patriarchen, 2016 auf Kuba
Historische Begegnung des Papstes mit dem Moskauer Patriarchen, 2016 auf Kuba

Durchbruch in Abu Dhabi

Unvergesslich war auch die ökumenische Friedenswallfahrt in den Südsudan, die der Papst im vergangenen Monat zusammen mit dem anglikanischen Erzbischof von Canterbury und dem Leiter der schottischen Reformierten unternahm. Was den interreligiösen Dialog betrifft, so bedeutet das „Dokument über die Brüderlichkeit aller Menschen“ einen Meilenstein, das am 4. Februar 2019 vom Papst und dem Großimam der Al-Azhar-Universität, Ahmad al-Tayyib, in Abu Dhabi unterzeichnet wurde. Mit diesem Dokument erreichen die Beziehungen zwischen Christentum und Islam eine neue Qualität; beide Weltreligionen haben hier Terrorismus und Gewalt unmissverständlich verurteilt. Franziskus‘ Pläne, die Kirche stärker auf synodales Verhalten einzuschwören, gleichen hingegen noch einer Baustelle. Erst mit einer Bischofssynode im Oktober 2024 wird ein dreijähriger Prozess unter dem Motto „Für eine synodale Kirche: Gemeinschaft, Teilhabe und Sendung“ zu Ende gehen, der auf Bistums-, Kontinenten- und schließlich Weltkirchen-Ebene durchgeführt wurde.

Historisch: Die Nacht von Abu Dhabi
Historisch: Die Nacht von Abu Dhabi

Kampf gegen Missbrauch

Zur Vorwärts-Bewegung in Franziskus‘ Amtszeit gehört auch der Kampf gegen Missbrauch. Im Februar 2019 führte er im Vatikan einen Gipfel zum Schutz von Minderjährigen durch - Ausdruck seines klaren Willens, auf diesem Feld ehrlich und transparent zu handeln. Die päpstliche Anweisung „Vos estis lux mundi“ hat nicht nur neue Verfahren zur Meldung von Belästigung und Gewalt eingeführt – sie sorgt auch dafür, dass künftig Bischöfe und Ordensobere für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden.

„Von der Peripherie aus versteht man besser...“

Kommen wir nun zur zweiten, der „zirkulären“ Stoßrichtung dieses Pontifikats. Hierhin gehört seine Aufmerksamkeit für die Peripherien, sowohl die geographischen wie auch die existentiellen. Von der Peripherie aus, sagt Franziskus, kann man die Realität besser erkennen als vom Zentrum aus, und von den Rändern kehrt man gedanklich und emotional bereichert zurück. Seine 40 internationalen apostolischen Reisen galten fast alle Zielen in der Peripherie; dieser Akzent war schon erkennbar, als der neugewählte Papst im Juli 2013 das erste Mal überhaupt den Vatikan und Rom verließ und die Insel Lampedusa ansteuerte, das dramatische Zentrum des Migrationsphänomens im Mittelmeer. Wichtig war auch sein Besuch des Flüchtlingslagers auf der griechischen Insel Lesbos; Franziskus nahm von dort 12 syrische Flüchtlinge mit nach Rom. Das Thema der Migration (das er unter den Gesichtspunkten aufnehmen, schützen, fördern und integrieren angeht) gehört zur zirkulären Bewegung bei Franziskus, verbunden mit dem ständigen Kampf gegen die „Kultur der Verschwendung“ und die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“.

2013 mit Migranten auf Lampedusa
2013 mit Migranten auf Lampedusa

Warnung vor dem „Dritten Weltkrieg in Stücken“

Zum zirkulären Engagement dieses Papstes gehört auch sein unermüdlicher Einsatz für den Frieden. Hierfür steht vor allem seine Enzyklika Fratelli tutti vom Oktober 2020, die zu Geschwisterlichkeit und sozialer Freundschaft drängt und entschieden Nein zum Krieg sagt. Wenige Jahre später liest sie sich auf der Folie des Ukraine-Kriegs nahezu prophetisch: Hier der Ruf nach einem „globalen Ethos der Solidarität“ und nach einem „echten und dauerhaften Frieden“, dort eine Welt, die zunehmend in einen „Dritten Weltkrieg in Stücken“ abgleitet.

Für Franziskus‘ Friedensdiplomatie legen aber auch das Friedensgebet für das Heilige Land, das er im Juni 2014 mit den Präsidenten Israels und Palästinas in den Vatikanischen Gärten veranstaltet hat, und seine Beihilfe zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Kuba am 17. Dezember desselben Jahres beredtes Zeugnis ab. Monatelang hatte der Papst die Staatschefs der beiden letztgenannten Länder, Obama und Castro, schriftlich dazu ermuntert, eine „neue Phase“ einzuleiten. In die gleiche Richtung zielt das vorläufige Abkommen zwischen dem Heiligen Stuhl und der Volksrepublik China über die Ernennung von Bischöfen, das 2018 vereinbart, 2020 erneuert und 2022 um weitere zwei Jahre verlängert wurde. Was den Ukraine-Krieg angeht, setzt sich der Papst persönlich für Frieden ein: Am 25. Februar 2022 suchte er den russischen Vatikanbotschafter in der Botschaft auf – ein beispielloser Schritt –, und mehrfach hat er seit Kriegsausbruch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Seine Appelle, dass die Waffen endlich schweigen sollten, lassen sich gar nicht mehr zählen.

Zwei Jahre vor dem Krieg: Der Papst trifft Selenskyj im Vatikan
Zwei Jahre vor dem Krieg: Der Papst trifft Selenskyj im Vatikan

Wenn sich Evangelisierung auf Freude reimt

Auch das Thema Evangelisierung - ja, Leidenschaft für Evangelisierung (so heißt sein derzeitiger Katechesen-Zyklus bei Generalaudienzen) - ist Teil der zirkulären zeitlichen Dimension von Franziskus‘ Amtsführung. Er brachte sie 2013 in seiner Programmschrift Evangelii gaudium auf den Punkt. Danach sollte Evangelisierung von Freude geprägt sein, von der „Schönheit der heilbringenden Liebe Gottes“, von einer „Kirche im Aufbruch“, die nah an den Menschen ist und sich um eine „Revolution der Zärtlichkeit“ bemüht.

Erste Begegnung des Papstes mit seinem Vorgänger 2013
Erste Begegnung des Papstes mit seinem Vorgänger 2013

Requiem für den Vorgänger

Franziskus steht in deutlicher Kontinuität zu seinen unmittelbaren Amtsvorgängern, wie seine Heiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. im April 2014 deutlich machte. Auch Paul VI. wurde von ihm 2018 heiliggesprochen, und für Johannes Paul I., den „lächelnden Papst“, nahm er im September letzten Jahres die Seligsprechung vor. Einen besonderen Platz nimmt allerdings in Franziskus‘ Beziehung zu seinen Vorgängern der emeritierte Papst Benedikt XVI. ein, der am Silvestertag 2022 verstorben ist. In diesen zehn Jahren hat Franziskus nie einen Hehl daraus gemacht, welche Hochachtung er für Joseph Ratzinger empfand: Wiederholt lobte er seine theologische Finesse, seine Güte und Hingabe. Am 5. Januar dieses Jahres leitete er Benedikts Requiem auf dem Petersplatz; damit war er der erste Papst der Neuzeit, der seinen Vorgänger zu Grabe trägt.

Nun startet Franziskus also ins elfte Jahr seines Pontifikats. Er tut dies voller Hoffnung: Wer hofft, wird nie enttäuscht, sagt der Papst, denn die Hoffnung trägt das Antlitz des auferstandenen Herrn.

(vatican news – sk)
 

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

12. März 2023, 16:00