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Franziskus in Juba Franziskus in Juba

Der Papst in Afrika – Versuch einer Bilanz

Fünf Tage lang war Papst Franziskus bis zu diesem Sonntag in Afrika unterwegs: erst im Kongo und dann im Südsudan. Wir versuchen eine Bilanz.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

War die Reise ein Erfolg?

Zumindest war es mal wieder an der Zeit, dass der Papst, der ja den „Peripherien“ besondere Aufmerksamkeit schenken will, sich in Afrika sehen lässt. Von seinen vierzig Auslandsreisen war das erst die dritte ins Afrika südlich der Sahara. Zum Vergleich: Bei Johannes Paul II. (1978-2005) führten fünf seiner ersten 41 Auslandsreisen dorthin. Es sieht also nicht wirklich so aus, als wäre die Region seitdem aus Vatikansicht zu einer Priorität geworden – zumal auch an den Spitzen vatikanischer Dikasterien derzeit kein Afrikaner mehr steht.

Umso wichtiger war das Zustandekommen dieser Reise. Franziskus hat im Herzen Afrikas eindringlich zu Frieden und Versöhnung aufgerufen. Das wird doch hoffentlich ein paar Spuren hinterlassen. Zugleich haben uns die Bilder aus Kinshasa und Juba daran erinnert, dass wir eine Weltkirche sind. Tanzen während der Messfeier, Ehrung der Ahnen in einem eigenen Messritus in Kinshasa – „katholisch“ heißt eben nicht automatisch „europäisch“…

In Kinshasa
In Kinshasa

Der Papst ist 85 Jahre alt, und weitgehend auf den Rollstuhl angewiesen. Wie hat er die Reise gesundheitlich gemeistert?

Er hat gut durchgehalten. Allem Gerede über Rücktrittspläne zum Trotz hat er vor Augen geführt, dass er weiterhin auch zu schwierigen Reisen imstande ist. Schade war allerdings, dass ihn seine Gesundheit daran hinderte, Binnenflüchtlinge im Kongo wie im Südsudan in ihren Lagern zu besuchen. Stattdessen fanden die Begegnungen mit Flüchtlingen in der Nuntiatur von Kinshasa und in einer Art großem Festzelt in Juba statt, und das Elend wurde per Video eingespielt. Hinterher war dann immer große Betretenheit und Betroffenheit spürbar, beim Papst und bei vielen anderen.

Im Südsudan ist die größte Flüchtlingskrise Afrikas im Gang, und auch wenn das Land für Helfende einer der gefährlichsten Orte der Welt ist (in der Statistik noch vor Afghanistan), ist es doch sehr schade, dass Franziskus nicht eines der Lager besuchen konnte. Das Juba IDP Camp 3 zum Beispiel: Es liegt nur ein paar Meilen vom Festzelt entfernt, und ein Reporter der „Washington Post“ stellte fest, dass die meisten der 46.000 Menschen dort im Camp (über die Hälfte von ihnen ist unter 18 Jahren alt) noch nicht einmal in der Lage waren, über TV oder Internet den Papstbesuch mitzuverfolgen.

Aber andererseits wäre doch ohne die Papstreise in den Südsudan jetzt wohl auch kein „Post“-Reporter im Camp 3 aufgetaucht...

Ja. Das ist einer der großen Vorteile solcher Papstreisen: Er schafft Aufmerksamkeit für Länder und Situationen, die sonst nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses stehen.

Südsudanesische Flüchtlinge in einem Camp im Nachbarland Sudan
Südsudanesische Flüchtlinge in einem Camp im Nachbarland Sudan

Wie ist die Papstreise denn bei den Menschen im Kongo und im Südsudan angekommen?

Es gab natürlich viel Begeisterung: Die Demokratische Republik Kongo hatte seit fast vierzig Jahren keinen Papst mehr gesehen, und im Südsudan war die Visite eine absolute Premiere. Franziskus hat in beiden Ländern Menschen deutlich über die Grenzen des katholischen Lagers hinaus mobilisiert und damit deutlich gemacht, was die Kirche für Frieden und Versöhnung in diesen Ländern alles in die Waagschale werfen kann.

Kritisch wurden in beiden Ländern allerdings, hier und da, die Kosten kommentiert. Und dass der Papst sich in den Hauptstädten in einer Art Blase bewegte, statt wirklich einmal direkt mit der harten Realität konfrontiert zu werden. Die kenianische Wochenzeitung „The East African“ urteilt, die Reden des Papstes hätten sich zwar sehr „entschieden“ angehört, doch habe er „heikle“ Themen ausgespart. So habe er im Kongo nur einmal von Korruption gesprochen – das ist offenbar eines der heißesten, innenpolitischen Eisen – und den Streit mit dem Nachbarland Ruanda überhaupt nicht erwähnt. Und im Südsudan habe er nichts zu den auf Ende 2024 verschobenen Wahlen gesagt.

Juba
Juba

Was kann man zu dieser Kritik sagen?

Das stimmt zwar. Doch Franziskus war eben spürbar darum bemüht, sich nicht in die Tagespolitik einzumischen; ihm ging es ums Große und Ganze, um den richtigen Kurs. Eine solche Haltung ziert eigentlich einen Besucher von außerhalb. Nicht von ungefähr hat sich der Papst ausdrücklich zur Formel „Afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme“bekannt. Es war ja schon problematisch genug, dass die Bilder aus Kinshasa und Juba den Eindruck von einem oder mehreren weißen Männern transportierten, die den vor ihnen sitzenden oder tanzenden Einheimischen die Leviten lesen…

Was können wir Europäer von dieser Papstreise nach Afrika „mitnehmen“?

Erstens, wie gesagt: Wir sind eine Weltkirche. Allerdings – platt gesagt – nicht nur in dem Sinn, dass die woanders immer tanzen und singen, während wir Europäer auch noch bei der Messe Bedenkenträger sind. Oder in dem Sinn, dass „die“ vermeintlich ganz andere Sorgen haben als „wir“. Zur Beobachtung, dass die Kirche in Afrika anders auftritt und aussieht, gehört auch, dass ich selten ein Foto gesehen habe, mit dem man so gut einen Artikel zum Thema Klerikalismus bebildern könnte, wie bei der Begegnung des Papstes mit den Bischöfen im Kongo…

Zweitens: Franziskus hat sowohl im Kongo wie im Südsudan ein Loblied auf die Rolle der Frau angestimmt. Natürlich ist unser Kontext da ein anderer als in Afrika. Dennoch muss sich der Vatikan nicht wundern, wenn ihn demnächst mal jemand an diese wertschätzenden Worte auch hier in Europa erinnert.

Franziskus mit kongolesischen Bischöfen
Franziskus mit kongolesischen Bischöfen

Ist es nicht ebenfalls wichtig, dass die Reise im Südsudan ökumenisch aufgezogen war?

Ja – das ist ein ganz entscheidendes Signal. Zumal das ja nicht die erste ökumenische Pilgerfahrt von Franziskus war: So hatte er z.B. auch auf der griechischen Flüchtlingsinsel Lesbos hochrangige orthodoxe Würdenträger an seiner Seite. In der Spiritualität dieses Papstes ist die Begegnung mit Leidenden, mit Menschen am Rand, wirklich eine Gottesbegegnung: Hier berühren wir „das Fleisch Christi“, wie er ganz handfest formuliert. Da ist die Ähnlichkeit zur Kommunion-Formel „Der Leib Christi“ alles andere als zufällig.

Wir reden so gerne von Eucharistie-Gemeinschaft, von Interkommunion – nun denn, für Franziskus findet Interkommunion statt, wenn christliche Geschwister (ganz gleich, welcher Konfession) gemeinsam leidende Menschen umarmen. Hier ist sie auf eine geistliche und zugleich sehr konkrete Weise längst verwirklicht, die Interkommunion. Über eine „Ökumene der Tat“ geht das weit hinaus, hier wird für Franziskus theologisch wirklich Einheit im Leib Christi sichtbar!

(vatican news)
 

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05. Februar 2023, 14:38