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Pater Guillermo Marcó mit Franziskus bei einer Generalaudienz Pater Guillermo Marcó mit Franziskus bei einer Generalaudienz 

Und noch ein Papst-Interview

Bis zum Mai 2020 gab es bei uns jeden Wochentag einen Bericht über die Frühmesse des Papstes in Santa Marta: Franziskus in direkter Rede, unverstellt. Mittlerweile haben wir jeden Tag ein Papstinterview im Programm…

Jedenfalls war der Papst in den letzten Tagen sehr interviewfreudig: Vor einer Woche sprach er mit der argentinischen Nachrichtenagentur, danach erschienen an drei aufeinanderfolgenden Tagen Ausschnitte aus einem langen Papst-Gespräch mit Reuters. Und jetzt unterhielt er sich in einem Podcast mit seinem früheren Pressebeauftragten aus der Zeit, als Jorge Bergoglio – heute Papst Franziskus – noch Erzbischof von Buenos Aires war.

„Mein Herz ist eine Art Lagerhaus...“

Der Podcast ist auf Spanisch im Internet zu hören, und der Papst plaudert darin über Persönliches. „Mein Herz ist eine Art Lagerhaus, es ist voll mit Dingen, die ich aufbewahre“, sagt er etwa. „Ich muss die Regale immer wieder erweitern. Ich bin eine Art Sammler im guten Sinne des Wortes, ich möchte nichts von den guten Dingen verlieren, die mir die Leute schenken. Die Menschen machen einem so viel Freude – mit Worten, mit ein oder zwei Taten. Der Priester ist dazu da, die Menschen zu lehren, aber ich glaube, dass auch wir viel von den Menschen lernen können, wenn wir sie beobachten.“

Guillermo Marcó heißt der Priester, mit dem sich Franziskus unterhält: Marcó war zehn Jahre lang Presseverantwortlicher des Erzbistums Buenos Aires. Der heutige Papst habe damals oft gesagt, wenn er mit einem Problem konfrontiert wurde: ‚Nun, lass mich darüber beten, und dann werde ich dir antworten‘“, erzählt Marcó. Und er fragt Franziskus, wie er betet.

Franziskus bei einem Interview letzte Woche
Franziskus bei einem Interview letzte Woche

Frühaufsteher des Gebets

„Eigentlich noch genauso wie in der Zeit, als ich Bischof war. Das Gebet eines Bischofs besteht darin, sich um die Herde zu kümmern, um es mit den Worten des Evangeliums auszudrücken, und der Papst ist ein Bischof, also folgt er demselben Stil. Es ist ähnlich: Bitten, Fürbitten, Danken für alles Gute, das getan wird.“

Er sei immer noch ein Frühaufsteher des Gebets. „Wenn man morgens nicht betet, betet man auch später nicht mehr, weil man dann sozusagen in den Fleischwolf gerät.“

Ein Interview mit Papst Franziskus - Radio Vatikan

Was der Papst in seinem Amt am meisten vermisst, ist die Möglichkeit, wie früher einfach so durch die Straßen zu laufen.

Ein Papst inkognito unterwegs

„Damals in Buenos Aires war ich entweder zu Fuß oder mit dem Bus unterwegs usw. Hier wurde ich zweimal auf frischer Tat ertappt, als ich rausging. Zweimal, im Winter. Es ist sieben Uhr abends, nichts los, alles ist dunkel... Als ich zum Optiker ging, rief auf einmal eine Frau vom Balkon aus: ‚Der Papst!‘ Das war's dann. Und als ich in einen Plattenladen ging, in dem niemand war - ich ging zum Segnen, weil es der Plattenladen eines Freundes war, der umstrukturiert worden war -, da wollte es das Unglück, dass genau in der Nähe ein Taxistand war, wo ein Journalist auf einen Freund wartete, um ein Taxi zu nehmen.“

Der heutige Papst als Erzbischof von Buenos Aires
Der heutige Papst als Erzbischof von Buenos Aires

Das Gespräch mit der Putzfrau

Franziskus erklärt in dem Gespräch, warum er 2013 nach seiner Wahl zum Papst nicht in den Apostolischen Palast gezogen, sondern im Vatikan-Gästehaus Santa Marta geblieben ist. Das Päpstliche Appartement im ‚Palazzo Apostolico‘ sei „nicht luxuriös, aber riesig“, eine Art „umgekehrter Trichter“. Als er über einen Umzug aus Santa Marta heraus nachgedacht habe („Herr, zeig mir einen Ausweg!“), sei ihm auf einmal ein Appartment im Vatikan-Gästehaus aufgefallen, das eine Frau gerade saubermachte.

„Was ist das? Das Gästezimmer, sagte man mir. Wir richten es gerade für Patriarch Bartholomaios her, denn der reist ja zu Ihrem Amtsantritt an. Ein Schlafzimmer mit Bad. Und ein Arbeitszimmer ist auch dabei. – Da dachte ich: Das ist es! Das hat mir Gott in die Hand gegeben.“

Vom Paparazzo ertappt: Franziskus im Zentrum von Rom in einem Plattenladen
Vom Paparazzo ertappt: Franziskus im Zentrum von Rom in einem Plattenladen

Martinis schonungsloses Urteil

Jeden Sonntag nach dem Angelus esse er mit den Angestellten von Santa Marta zu Mittag, verrät der Papst. Und auf eine Frage Marcós hin gibt er an, gerade – das Gespräch fand am 9. Juni statt – ein Buch über das letzte Interview des verstorbenen Mailänder Kardinals Carlo Maria Martini zu lesen. Martini – eine Lichtgestalt der europäischen Kirche, und ein Jesuit wie Franziskus – habe damals erklärt, die Kirche sei „um 200 Jahre zurück“. „Exzellent, es hilft mir“, so der Papst. „Mit dem, was du liest, öffnest du Räume.“

„Eines der Dinge, das ich hier gelernt habe, ist: Wir wissen nicht mit Krisen umzugehen“

Was er denn über die Lage der Kirche denke, auch von Martinis Interview ausgehend? „Dass der Heilige Geist immer noch so kreativ ist wie am Pfingsttag. Und dass man vor nichts Angst zu haben braucht. Es war der Heilige Geist, der an Pfingsten für diese Unruhe sorgte… Wo es eine Krise gibt, da kann man wachsen, aber der Egoismus versucht, statt Krise für einen Konflikt zu sorgen. Eines der Dinge, das ich hier gelernt habe, ist: Wir wissen nicht mit Krisen umzugehen. Dabei sind es die Krisen, die uns wachsen lassen!“

Das nächste Papst-Interview kommt bestimmt – wir halten Sie auf dem laufenden…

(vatican news – sk)

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06. Juli 2022, 15:03