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Papst: Das Mittagsgebet im Wortlaut

Lesen Sie hier die Ansprache, die Franziskus beim Angelusgebet am Dreifaltigkeitssonntag gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan.

Die offizielle Fassung wird in Kürze auf der amtlichen Internetseite des Vatikan veröffentlicht.


Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag
und einen schönen Sonntag!

Heute, am Hochfest der Heiligen Dreifaltigkeit, stellt uns Jesus im Evangelium die beiden anderen göttlichen Personen vor: den Vater und den Heiligen Geist. Vom Geist sagt er: „Er wird mich verherrlichen; denn er wird von dem, was mein ist, nehmen und es euch verkünden.“ Und im Bezug auf den Vater stellt er fest: „Alles, was der Vater hat, ist mein“ (Joh 16,14-15). Wir sehen, dass der Heilige Geist spricht, aber nicht von sich selbst: Er verkündet Jesus und offenbart den Vater. Und dass der Vater, der alles hat, weil er der Ursprung von allem ist, dem Sohn alles gibt, was er besitzt: Er behält nichts für sich und schenkt sich ganz dem Sohn. Der Heilige Geist spricht also nicht von sich selbst - er spricht von Jesus, er spricht von anderen. Und der Vater gibt nichts sich selbst, er gibt dem Sohn. Es ist eine offene Großzügigkeit: einer offen für den anderen.

Wie schwer fällt es uns, mit anderen zu teilen!

Doch schauen wir nun auf uns; auf das, wovon wir sprechen und was wir besitzen. Wenn wir sprechen, wollen wir immer, dass Gutes über uns gesagt wird – und oft sprechen wir nur über uns selbst und über das, was wir tun. Wie oft sagen wir: ich habe dieses oder jenes getan, ich hatte dieses oder jenes Problem... Das hört man immer wieder. Welcher Unterschied zum Heiligen Geist, der spricht, indem er andere verkündet, den Vater und den Sohn! Und was den Besitz angeht: wie sehr neigen wir doch dazu, das, was wir haben, zu verteidigen; wie schwer fällt es uns, es mit anderen zu teilen – selbst mit denen, die nicht einmal das Nötigste haben! Schöne Worte sind einfach; in der Praxis sieht das alles aber ganz anders aus.

Die Feier der Heiligen Dreifaltigkeit ist also nicht so sehr eine theologische Übung, sondern eine Revolution unserer Lebensweise. Gott, in dem jede Person in ständiger Beziehung für die andere und nicht für sich selbst lebt, fordert uns auf, mit den anderen und für die anderen zu leben. Offen. Und so müssen wir uns heute fragen, ob unsere Lebensweise den Gott widerspiegelt, an den wir glauben: Glauben wir, die wir den Glauben an Gott, Vater, Sohn und Heiligen Geist bekennen, wirklich, dass wir die anderen für unser Leben brauchen; dass wir uns den anderen schenken, uns in ihren Dienst stellen müssen? Bejahen wir dies nur mit Worten oder mit unserem Leben?

Der dreieinige Gott, liebe Brüder und Schwestern, muss nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit Taten gezeigt werden. Gott, der der Urheber des Lebens ist, wird weniger durch Bücher, als vielmehr durch das Zeugnis des Lebens vermittelt. Er, der – wie der Evangelist Johannes schreibt –, „die Liebe ist“ (1Joh 4,16), offenbart sich durch die Liebe. Denken wir an die guten, großzügigen, sanftmütigen Menschen, denen wir begegnet sind: Wenn wir uns an ihre Denk- und Handlungsweise erinnern, können wir darin einen kleinen Abglanz der Liebe Gottes erkennen. Und was bedeutet es, zu lieben? Nicht nur Gutes zu wollen und Gutes zu tun, sondern vor allem auch, andere willkommen zu heißen - offen sein -, ihnen Raum zu geben und Raum für sie zu schaffen. Das bedeutet lieben.

Wir sind auf der Welt, um nach Gottes Ebenbild zu leben...

Lasst uns – um dies besser zu verstehen zu können – an die Namen der göttlichen Personen denken, die wir jedes Mal aussprechen, wenn wir das Kreuzzeichen machen: In jedem Namen ist die Gegenwart des anderen enthalten. Der Vater zum Beispiel wäre kein solcher ohne den Sohn; auf dieselbe Weise kann man sich den Sohn nicht allein vorstellen, sondern immer nur als Sohn des Vaters. Und der Heilige Geist ist wiederum der Geist des Vaters und des Sohnes. Kurzum: die Dreifaltigkeit lehrt uns, dass man nie ohne den anderen sein kann. Der Mensch ist keine Insel: wir sind auf der Welt, um nach Gottes Ebenbild zu leben: offen, auf die anderen angewiesen und darauf ausgerichtet, anderen zu helfen. Stellen wir uns also diese letzte Frage: Bin auch ich im täglichen Leben ein Abbild der Dreifaltigkeit? Bleibt das Kreuzzeichen, das ich jeden Tag mache, eine Geste um ihrer selbst willen, oder inspiriert es meine Art zu sprechen, zu begegnen, zu antworten, zu urteilen, zu vergeben?

Die Gottesmutter, Tochter des Vaters, Mutter des Sohnes und Braut des Heiligen Geistes, helfe uns, das Geheimnis der Gottesliebe anzunehmen und mit unserem Leben zu bezeugen.

(vaticannews - skr)
 

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12. Juni 2022, 12:34

Das Angelus ist ein Gebet, dass in Erinnerung an das ewige Geheimnis der Menschwerdung drei Mal am Tag gebetet wird: 6 Uhr morgens, am Mittag und am Abend gegen 18 Uhr, jeweils wenn die Glocken zum Angelusgebet rufen.
Der Name ‚Angelus‘ stammt aus dem ersten Vers der lateinischen Version des Gebets - Angelus Domini nuntiavit Mariae. Es besteht aus der Lesung von drei schlichten Texten, bei denen es um die Menschwerdung Jesu Christi geht, gefolgt jeweils von einem Ave Maria.
Dieses Gebet wird vom Papst auf dem Petersplatz sonntags mittags und an Hochfesten gebetet. Direkt vor dem Gebet legt der Papst kurz die Lesungen des Tages aus. Nach dem Gebet folgen Grüße an die Pilger.
Von Ostern bis Pfingsten wird an Stelle des Angelusgebets das Regina Coeli gebetet, das an die Auferstehung Jesu Christi erinnert. Zum Abschluss dieses Gebets wird das „Ehre sei dem Vater“ drei Mal gesprochen.

Gebet des Angelus / Regina Coeli mit Papst

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