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Papst Franziskus, 85, im Vatikan unterwegs Papst Franziskus, 85, im Vatikan unterwegs 

Neues Papstbuch: Franziskus antwortet armen Menschen

Papst Franziskus hat in neun Jahren eine ganze Menge Bücher veröffentlicht, meist Interview-Bücher. Ein weiteres davon ist jetzt erschienen: „Ich trage euch in meinem Herzen“. Franziskus antwortet darin auf Fragen armer Menschen aus der ganzen Welt.

Gudrun Sailer hat das Buch gelesen. Was steht drin?

Gudrun Sailer: Wie immer in Interviews gibt der Papst viele überraschende Details preis, Dinge, die er noch nie erzählt hat, ungewöhnliche Bilder, Begegnungen, die ein neues Licht auf seine Vision der Kirche und der Welt werfen. Und er spricht wie immer sehr frei und locker. Dasselbe gilt auch für die Fragen. Franziskus hatte für dieses Interview einen roten Knopf für den Fall, dass er mal eine Frage nicht beantworten wollte, aber er hat diesen roten Knopf nicht betätigt, sondern auf alles geantwortet.

Unterscheiden sich die Fragen der armen Menschen an den Papst von Fragen, die andere stellen würden?

Gudrun Sailer: Ja und Nein. Es sind teils sehr einfache, grundsätzliche, kindhafte, kurze und präzise Fragen. „Papa, warum gibt es den Terrorismus?“, ist eine der Fragen, oder „Warum sind wir da?“ oder „Was ist Glück?“. Und natürlich interessieren sich arme Leute dafür, wie Franziskus, der Papst, der den Welttag der Armen in den Kirchenkalender eingeführt hat, persönlich lebt und wie er Armut sieht. Eine der neugierigen Fragen ist: „Was verdienen Sie?“

Und? Was verdient der Papst?

Gudrun Sailer: „Absolut nichts!“, sagt Franziskus. „Ich werde rundum versorgt, und wenn ich etwas brauche, frage ich danach.“ Er sagt, er findet es schön, mit leeren Taschen zu leben, erklärt aber auch, dass seine Armut eine „fiktive Armut“ ist, weil es ihm an nichts fehlt. Um das, was er braucht, bittet er und – anders vermutlich als viele Arme - erhält es dann. Auch hier sehr ehrlich: Franziskus findet „das Ganze ein wenig absurd… Das Fragen danach lässt mich weniger selbstbestimmt leben.“ 

„Wahrscheinlich würden manche ein Evangelium ohne die Armen bevorzugen, aber das wäre nicht mehr das Evangelium“

„Was tun Sie gegen die weltweit herrschende Ungerechtigkeit?“, das ist auch eine Frage, die ihm jemand gestellt hat, und sie zielt auf einen Wesenskern dieses Pontifikats. Wie hat Franziskus sein Engagement als „Papst der Armen“ zusammengefasst?


Gudrun Sailer: Er kämpfe mit Worten gegen die Ungerechtigkeit, sagt Franziskus. „Ich gebrauche manchmal sehr harte Worte, und ich wiederhole sie. Ich sage Dinge, die nicht allen gefallen, und oft nimmt man mir das übel.“ Einige würden ihn als Kommunisten abqualifizieren. Darauf wendet der Papst ein: „Das Evangelium würde in sich zusammenfallen, wenn man die Armen außer Acht lässt. Die Armen stehen im Mittelpunkt des Evangeliums. Wahrscheinlich würden manche ein Evangelium ohne die Armen bevorzugen, aber das wäre nicht mehr das Evangelium.“

Was von dem, was der Papst den Armen in diesem Buch sagt, haben wir von ihm wirklich noch nie gehört?

Gudrun Sailer: Besonders eingeprägt hat sich mir die Stelle, wo Franziskus über Ursula von der Leyen spricht. Die Frage lautet: Wenn Sie eine einzige Sache auf der Welt ändern könnten, welche wäre das? Franziskus sagt, da kommt ihm etwas Seltsames in den Sinn: Er würde dafür sorgen, dass jeder Mensch auf der Welt die Erfahrung machen kann, eine Mama zu haben. Und an der Stelle erwähnt er Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, Mutter von 7 Kindern. Er fragte Ursula von der Leyen, wie sie es schaffte, die wirtschaftlichen Probleme der EU im Zug der Pandemie zu bewältigen, und – so erzählt es der Papst – sie machte eine Geste wie beim Töpfern und sagte: „Ich habe getan, was Mütter eben tun.“ Der Papst dazu: „Diese Geste hat mich sehr berührt. Sie hat mir klargemacht, warum mir die Situation der Waisen einen solchen Schmerz bereitet, die Situation derer, die weder Vater noch Mutter haben, die von klein auf arbeiten müssen, die keine Kindheit haben. Das wäre das, was ich ändern würde: dass niemand mehr darunter leiden muss, Waise zu sein.“

„Das wäre das, was ich ändern würde: dass niemand mehr darunter leiden muss, Waise zu sein“

Wie ist dieses Buch eigentlich zustande gekommen?

Gudrun Sailer: Das Ungewöhnliche an diesem neuen Papstbuch ist tatsächlich, wer seine Interviewer sind. Es sind bedürftige Menschen aus allen Kontinenten, aus allen Glaubensrichtungen, oder auch atheistisch. Zunächst aus Frankreich, denn die katholische Bewegung, die das eingefädelt hat, kommt aus Frankreich, „Lazare“ heißt sie. Lazare-Leute sind Gläubige, die bei sich zu Hause Obdachlose aufnehmen. Der Papst ist beeindruckt von dieser Art, das Evangelium zu leben, und hat Angehörige von „Lazare“ schon mehrmals getroffen, in Rom oder in Assisi, begleitet meist von Kardinal Philippe Barbarin. Das Interview kam in zwei Terminen zustande in der Casa Santa Marta. Einige der Interviewer waren selbst dabei, andere Fragen armer Menschen sind aber auch über das Lazare-Netzwerk schriftlich eingelangt. Fragen gestellt haben unter anderem Menschen aus Nepal, den Philippinen, Elfenbeinküste, Iran, Indien, Spanien, Haiti und anderen Ländern. Das Ganze hat auf die Art einen originellen weltkirchlichen Zuschnitt. Das bringt Menschen in die Rolle von Protagonisten, denen sonst in der Öffentlichkeit selten Raum zugestanden wird.

Papst Franziskus: Ich trage euch in meinem Herzen. Meine Antworten auf die Fragen der Armen dieser Welt. Bonifatius, 144 Seiten, 16 Euro.

(vatican news - gs)

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05. April 2022, 10:07