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Franziskus betet 2019 in Hiroshima Franziskus betet 2019 in Hiroshima 

Franziskus über Krieg und Frieden

Mit dem angekündigten Einmarsch russischer Truppen in der Ostukraine ist in den letzten Stunden die Gefahr eines Flächenbrands weiter gestiegen. Papst Franziskus hat am letzten Sonntag bei seinem Angelusgebet eindringlich zu Frieden, Deeskalation und Feindesliebe aufgerufen – vielleicht vergeblich.

Stefan von Kempis - Vatikanstadt

Wie der Papst über Krieg und Frieden denkt, hat er im ersten Jahr seines Pontifikats besonders eindringlich auf den Punkt gebracht. Dabei ging es nicht um die Ukraine, sondern um Syrien. Franziskus hielt im September 2013 eine Fasten- und Gebetswache für den Frieden auf dem Petersplatz ab – und beschäftigte sich in seiner Predigt ausführlich mit dem Thema Frieden. Dabei ging er von einem der ersten Verse der Bibel aus: „Gott sah, dass es gut war“ (Gen 1,12).

„Das, liebe Brüder und Schwestern, eröffnet uns den Zugang zum Herzen Gottes, und gerade aus dem Innern Gottes empfangen wir seine Botschaft.“ Die Botschaft nämlich, dass unsere Welt im Sinn Gottes das „Haus des Friedens“ ist – „der Ort, an dem alle ihren Platz finden“.

„Die Menschen bilden eine einzige Familie“

„Die gesamte Schöpfung bildet ein harmonisches, gutes Ganzes, aber vor allem die Menschen, die als Abbild Gottes und ihm ähnlich erschaffen sind, bilden eine einzige Familie, in der die Beziehungen von einer wirklichen, nicht nur in Worten erklärten Brüderlichkeit geprägt sind: Der andere, die andere sind der Bruder und die Schwester, denen Liebe gebührt…“

Die „Welt Gottes“ als „eine Welt, in der sich jeder für den anderen, für das Wohl des anderen, verantwortlich fühlt“ – so die Vision des Papstes. Jeder solle sich doch einmal innerlich fragen: „Ist das nicht eigentlich die Welt, die ich mir wünsche? Ist das nicht die Welt, die wir alle im Herzen tragen?“

Russischer Panzer am Dienstag an der Grenze zur Ostukraine
Russischer Panzer am Dienstag an der Grenze zur Ostukraine

Warum die Welt nicht so ist, wie wir sie gerne hätten

Allerdings reiche schon ein flüchtiger Blick auf die Wirklichkeit, um festzustellen, dass die Welt nicht so ist, wie wir sie uns eigentlich wünschen, sondern geprägt von Gewalt, Spaltung, Auseinandersetzung und Krieg.

„Das geschieht, wenn der Mensch, die Krone der Schöpfung, den Horizont der Schönheit und der Güte aus dem Auge verliert und sich in seinem Egoismus verschließt. Wenn der Mensch nur an sich selber denkt, an die eigenen Interessen, und sich in den Mittelpunkt stellt, wenn er sich von den Götzen der Herrschaft und der Macht betören lässt, wenn er sich an die Stelle Gottes setzt, dann zerstört er alle Beziehungen, richtet er alles zugrunde und öffnet der Gewalt, der Gleichgültigkeit und dem Konflikt Tor und Tür.“

Zum Nachhören: So denkt Papst Franziskus über Krieg und Frieden - Radio Vatikan

Gottes bohrende Frage

Genau davon sprächen die ersten Seiten der Bibel: Der Mensch, der in Konflikt gerät mit sich selbst, der die Harmonie mit der Schöpfung verliert, der die Hand gegen seinen Bruder hebt, um ihn zu töten.

„Genau in diesem Chaos richtet nun Gott an das Gewissen des Menschen die Frage: ‚Wo ist dein Bruder Abel?‘ Und Kain antwortet: ‚Ich weiß es nicht. Bin ich der Hüter meines Bruders?‘ (4,9). Auch an uns ist diese Frage gerichtet, und auch uns wird es gut tun, uns zu fragen: Bin ich der Hüter meines Bruders? – Ja, du bist der Hüter deines Bruders! Menschsein bedeutet, einander Hüter zu sein!“

Franziskus lässt letztes Jahr in Mossul (Irak) eine Friedenstaube aufsteigen
Franziskus lässt letztes Jahr in Mossul (Irak) eine Friedenstaube aufsteigen

Dieselbe Geschichte, immer wieder neu durchgespielt

Wenn dagegen die Harmonie auseinanderbreche, dann werde der Bruder zum Gegner. „Wie viel Gewalt geht von jenem Moment aus, wie viele Konflikte, wie viele Kriege haben unsere Geschichte geprägt! Es reicht, wenn man das Leiden so vieler Brüder und Schwestern sieht. Da geht es nicht um etwas Situationsbedingtes, sondern die Wahrheit ist diese: In jedem Gewaltakt, in jedem Krieg lassen wir Kain wieder aufleben. Wir alle!“

Auch heute setzen wir, so Franziskus, die Geschichte von Kain und Abel fort, in immer neuen Spielarten, aber getrieben vom selben Egoismus.

„Wir haben unsere Waffen vervollkommnet, unser Gewissen ist eingeschlafen“

„Wir haben unsere Waffen vervollkommnet, unser Gewissen ist eingeschlafen, und wir haben ausgeklügeltere Begründungen gefunden, um uns zu rechtfertigen. Als wäre es etwas Normales, fahren wir fort, Zerstörung, Schmerz und Tod zu säen! Gewalt und Krieg bringen nur Tod, sprechen vom Tod! Gewalt und Krieg sprechen die Sprache des Todes!“

Möglichkeiten des Friedens

Doch der Anfang der Bibel spreche nicht nur von Gewalt, sondern auch von Möglichkeiten des Friedens. Nach dem Chaos der Sintflut habe es aufgehört zu regnen, ein Regenbogen sei erschienen, und die Taube habe einen Olivenzweig gebracht.

Franziskus am Karfreitag 2020 bei der Kreuzverehrung
Franziskus am Karfreitag 2020 bei der Kreuzverehrung

„Und an diesem Punkt frage ich mich: Ist es möglich, den Weg des Friedens einzuschlagen? Können wir aus dieser Spirale des Schmerzes und des Todes aussteigen? Können wir wieder lernen, mit unseren Schritten die Wege des Friedens zu verfolgen?“ Und der Papst gab sich auf diese Fragen gleich selbst die Antwort: „Ja, es ist für alle möglich! Heute Abend möchte ich, dass wir von allen Enden der Erde aus rufen: Ja, es ist möglich für alle! Mehr noch: Ich möchte, dass jeder von uns – vom Kleinsten bis zum Größten, bis hin zu denen, die berufen sind, die Nationen zu regieren – antwortet: Ja, wir wollen es!“

Mit dem Ruf „Gott will es“ (Deus lo vult) waren einst Kreuzritter in den Krieg gezogen. Jetzt fordert Franziskus ein „Ja, wir wollen es“ der Menschheit, um sich für Frieden einzusetzen.

„Im Schweigen des Kreuzes verstummt das Getöse der Waffen“

„Mein christlicher Glaube drängt mich, auf das Kreuz zu schauen. Wie wünschte ich mir, dass für einen Augenblick alle Menschen guten Willens auf das Kreuz schauten! Dort kann man die Antwort Gottes ablesen: Dort wurde auf die Gewalt nicht mit Gewalt reagiert, auf den Tod nicht mit der Sprache des Todes geantwortet. Im Schweigen des Kreuzes verstummt das Getöse der Waffen und kommt die Sprache der Versöhnung, des Verzeihens, des Dialogs und des Friedens zu Wort.“

(vatican news – sk)
 

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22. Februar 2022, 10:31