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Papst: Hab keine Angst, wütend auf Gott zu sein

Wut bringt am Ende womöglich auch Gutes hervor: Wütend auf Gott zu sein, kann dabei helfen, eine Krise zu überwinden. Das hat Papst Franziskus in einem ungewöhnlichen TV-Interview zu vier Menschen in verschiedenen Krisen gesagt. Die Fragen stellten eine von häuslicher Gewalt geflohene vierfache Mutter, eine Obdachlose, eine Jugendliche und ein Ex-Strafgefangener.

„Im Lockdown wird alles auf die Probe gestellt, auch die Beziehung zu Gott, die Religiosität“, sagte der Papst zu Maristella, die ihn mit ihren 18 Jahren fragte, wie eine guter Draht zu Gott gelingen kann, auch wenn sie in der Coronapandemie das Beten verlernt hat. „Die Beziehung zu Gott ist nicht linear, sie hat Krisen wie jede Liebesbeziehung in einer Familie“, erklärte Franziskus. Hin und wieder die Fassung zu verlieren, sei normal. Die so entstehende Krise könne aber heilsam werden. Der Papst empfahl, still zu werden, das Herz zu beruhigen und das Evangelium zu lesen. „Ich habe Angst vor Predigern, die das Leben in der Krise mit Worten, Worten, Worten heilen wollen. Das Leben in der Krise wird durch Nähe, Mitgefühl und Zärtlichkeit geheilt, und das ist der Stil Gottes. Genau das gibt euch das Evangelium.“

Sich auch einmal über Gott zu ärgern und ihm zu sagen: „Herr, ich verstehe dich nicht“, ist aus Sicht des Papstes keine Sünde, im Gegenteil: „Das ist eine Art zu beten! Habt keine Angst, wenn ihr auf Gott zornig werdet, ihr müsst die Freiheit eines Kindes vor Gott haben.“ Gott kenne die Menschen und wisse, wie sie mitunter reagieren. „Du musst den Mut haben, dem Herrn alle Gefühle zu sagen, die dich überkommen“, so der Papst. „Das Evangelium in der Hand und ein beruhigtes Herz.“

„Habt keine Angst, wenn ihr auf Gott zornig werdet, ihr müsst die Freiheit eines Kindes vor Gott haben“

Das Problem der häuslichen Gewalt charakterisierte Franziskus als „fast satanisch“, weil der misshandelnde Mann die Schwäche einer wehrlosen Person ausnutze. Die Zahl der misshandelten Frauen sei „sehr, sehr groß“, und häusliche Gewalt „sehr demütigend“, sagte der Papst der vierfachen Mutter Giovanna, die sich mit ihren Kindern aus dieser Lage befreit hatte. Persönlich und direkt versicherte er dieser Frau, wie groß ihre Würde und ihr Mut sei. „Du bist unterwegs … du stehst wie die Muttergottes vor dem Kreuz, du hast deine Würde nicht verloren.“ Die Herausforderung sei jetzt für sie, Arbeit und Wohnung zu finden, was nicht nur von ihr selbst abhänge, „aber ich sehe dich aufrecht und voller Mut, und das sind die tapferen Frauen unseres Volkes. Du wirst es schaffen, ich bin sicher.“ Bei der Fragerunde, die der italienische Privatsender „Canale 5“ der Mediaset-Gruppe am Sonntagabend ausstrahlte, war auch der Almosenpfleger des Papstes, Kardinal Konrad Krajewski, präsent.

Hier zum Hören:

Gleichgültigkeit für Obdachlose, Alte, Ungeborene: eine Ohrfeige

Maria lebt seit vielen Jahren in Rom auf der Straße, ihre Schlafplätze sucht sie sich auch vor den Eingängen zu vatikanischen Bürogebäuden. Warum ist die Gesellschaft so grausam zu Armen?, wollte Maria vom Papst wissen. Tatsächlich sei die Gleichgültigkeit, die viele Menschen für Obdachlose hätten, eine „Ohrfeige“, antwortete Franziskus, der vor weiteren Verhärtungen warnte. „Wir sind dabei, eine Kultur der Gleichgültigkeit zu entwickeln, in der wir versuchen, uns von den wirklichen Problemen, dem Schmerz der Obdachlosigkeit und dem Mangel an Arbeit zu distanzieren. Mehr noch, mit dieser Pandemie haben sich die Probleme verschärft.“ 

„Und so beginnt die Gesellschaft, wenn sie krank wird, die Armen auszusortieren. Wir müssen dagegen vorgehen.“

Und Franziskus wiederholte die Einladung, Obdachlosen in die Augen zu schauen, wenn man ihnen Geld gibt. „Wenn Sie in das Gesicht eines armen Menschen schauen, verändert sich Ihr Herz, denn Sie sind beim ,Sakrament der Armen´ gelandet, oder sagen wir ,sakramental`, damit man mich nicht Ketzer nennt“, so der Papst in der für ihn typischen freien Art zu reden. Die Sache mit dem „Wegwerfen“ betreffe übrigens nicht nur Arme, sondern auch Alte und Ungeborene. „Oft kündigt sich ein Kind an, und man sagt, bloß nicht, schicken wir es zurück zum Absender. Und so beginnt die Gesellschaft, wenn sie krank wird, die Armen auszusortieren. Wir müssen dagegen vorgehen.“

„Esst, feiert, macht Geschenke, aber vergesst Jesus nicht“

Zum Abschluss ermunterte der Papst das Publikum des Privatsenders dazu, den wirklichen Sinn von Weihnachten zu entdecken und es als Fest des Friedens und der Freude über Jesus zu begehen. Direkt in die Kamera gewandt fragte er: „Was denkst denn du über Weihnachten? Dass ich rausgehen und dies und das einkaufen muss… In Ordnung, aber was ist Weihnachten? Ein Baum? Eine Jesuskindfigur mit einer Frau und einem Mann daneben? Ja, das ist Jesus, das ist die Geburt von Jesus. Bleib ein wenig stehen und denk an Weihnachten als Botschaft des Friedens. Ich wünsche euch ein Weihnachten mit Jesus, ein echtes Weihnachten… Esst, feiert, macht Geschenke, aber vergesst Jesus nicht. Weihnachten bedeutet, dass Jesus kommt, um dein Herz zu berühren, dass er zu dir kommt, in dein Haus, in dein Herz, in dein Leben. Frohe, gesegnete Weihnachten für alle. Und betet für mich!"

(vatican news - gs)

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20. Dezember 2021, 11:56