Papst in Budapest: Gemeinsam gegen den Hass

Papst Franziskus hat bei seiner Visite in Budapest die Christen zu Einheit gerufen, vor Antisemitismus in Europa gewarnt und für Geschwisterlichkeit und Frieden geworben. „Wir müssen uns gemeinsam um eine Erziehung zur Geschwisterlichkeit bemühen, damit der immer wieder aufkommende Hass, der die Geschwisterlichkeit zerstören will, nicht die Oberhand gewinnt. Ich denke dabei an die Bedrohung durch den Antisemitismus, der immer noch in Europa und anderswo schwelt", so der Papst.

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Das sagte Franziskus bei einer Begegnung mit Vertretern des Ökumenischen Rats der Kirchen sowie Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Ungarns am Sonntagvormittag im Museum der Schönen Künste am Heldenplatz. Im Marmorsaal des Museums traf der Papst Vertreter des 1943 gegründeten Ökumenischen Rats der ungarischen Kirchen. Ratspräsident József Steinbach betonte in seiner Begrüßungsrede für Franziskus, es gehe darum, füreinander zu sorgen, die Erde und das Leben zu schützen. An der Begegnung nahmen zudem Vertreter der jüdischen Gemeinde Ungarns teil - für sie begrüßte Zoltán Radnóti in Vertretung des erkrankten Oberrabbiners Róbert Frölich den Papst und überreichte ihm als Geschenk eine Thora-Rolle, die von Holocaust-Überlebenden gefertigt wurde. 

Hier im Audio: Papst Franziskus bei einer Begegnung mit Vertretern des Ökumenischen Rats der Kirchen sowie Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Ungarns
Die Begegnung von Papst Franziskus mit Vertretern der Ökumene und der jüdischen Gemeinde in Budapest

Brücken der Gemeinschaft mit allen

Papst Franziskus verlieh in seiner Ansprache seiner Hoffnung nach einem Zusammenleben von Juden und Christen „in gegenseitigem Respekt, menschlichem Verständnis und wahrer brüderlicher Liebe" Ausdruck. Er verdeutlichte am Bild der Kettenbrücke, die in Budapest die Donau überspannt, dass gerade die Religionen für Frieden und Verständigung eine wichtige Rolle spielen sollten:

„Der Gott des Bundes verlangt von uns, nicht der Logik der Isolation und der Partikularinteressen nachzugeben. Er will keine Bündnisse mit den einen auf Kosten der anderen, sondern Personen und Gemeinschaften, die Brücken der Gemeinschaft mit allen sind. An euch, den Vertretern der Mehrheitsreligionen, liegt es, in diesem Land die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Religionsfreiheit für alle respektiert und gefördert wird. Und ihr besitzt eine Vorbildfunktion für alle: Niemand soll sagen können, dass von den Lippen von Gottesmännern entzweiende Worte kommen, sondern nur Botschaften der Offenheit und des Friedens."

„Niemand soll sagen können, dass von den Lippen von Gottesmännern entzweiende Worte kommen, sondern nur Botschaften der Offenheit und des Friedens“

Mit Blick auf die Ökumene betonte der Papst erneut, dass gemeinsam gelebte Nächstenliebe „der konkreteste Weg zur vollen Einheit" sei. Derzeit zählt Ungarn rund 9,8 Millionen Einwohner; rund zwei Drittel sind katholisch getauft. Mittlerweile leben in Ungarn auch wieder mehr als 100.000 Juden - die Budapester Gemeinde gilt als eine der größten Europas.

Würdigung des ungarisch-jüdischen Dichters Radnóti

Während des Zweiten Weltkriegs waren Hunderttausende ungarische Juden ermordet worden. Auch daran erinnerte Franziskus, konkret erwähnte er den jüdisch-ungarischen Dichter Miklós Radnóti, der 1944 ermordet wurde:

„Eingesperrt in ein Lager, in den dunkelsten und unmenschlichsten Abgrund, schrieb er bis zu seinem Tod weiter Gedichte. Seine Notizen aus Bor ist die einzige Gedichtsammlung, die den Holocaust überlebt hat. Sie zeugt von der Kraft, in der Kälte des Lagers an die Wärme der Liebe zu glauben und die Dunkelheit des Hasses mit dem Licht des Glaubens zu erhellen", würdigte Papst Franziskus den jüdischen Poeten, an den in Budapest auch ein Stolperstein erinnert.  

Mit Blick auf gemeinsame Wurzeln des Glaubens verwies Franziskus auf den gemeinsamen Vater Abraham. Juden wie Christen rief der Papst ganz im Sinne seines Schreibens „Fratelli tutti" im Museum der Schönen Künste eindringlich zu Geschwisterlichkeit auf:

„Ihr, Juden wie Christen, wollt im Anderen nicht länger einen Fremden, sondern einen Freund sehen – nicht länger einen Gegner, sondern einen Bruder und eine Schwester.“

„Ihr, Juden wie Christen, wollt im Anderen nicht länger einen Fremden, sondern einen Freund sehen – nicht länger einen Gegner, sondern einen Bruder und eine Schwester. Das ist die von Gott gesegnete Veränderung der Sichtweise, die Umkehr, die einen neuen Anfang ermöglicht, die Reinigung, die das Leben erneuert." 

Nie mehr Absonderung 

Viel zu oft in der Geschichte seien die Anderen „ghettoisiert" worden, so Franziskus. Er rief daher dazu auf, wachsam zu sein und dafür zu beten, „dass dies nicht mehr vorkommt". Es könne nicht länger entzweit, in Misstrauen und Ignoranz gelebt werden.

„Nur wenn wir Wurzeln des Friedens und Sprosse der Einheit sind, werden wir in den Augen der Welt glaubwürdig sein, die auf uns blickt und sich danach sehnt, dass die Hoffnung erblüht. Vielen Dank und einen guten Weg - gemeinsam. Danke!"

Da Franziskus, der sich im Sommer einer OP unterzogen hatte,  der einzige Redner war, der nicht für seine Ansprache aufgestanden war, fügte er dann in gewohnt spontaner Weise noch an: „Verzeiht, dass ich im Sitzen gesprochen habe - ich bin leider keine 15 mehr."

(vatican news - sst)

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12. September 2021, 11:21