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Papst Franziskus im Gebet Papst Franziskus im Gebet 

Papstappell zu Afghanistan: Gebet und Fasten als Heilmittel gegen Krieg

Dem Drama in Afghanistan mit Gebet und Fasten begegnen: mit dieser Einladung wandte sich Papst Franziskus am Sonntag beim Mittagsgebet – und über seinen Twitter-Account @Pontifex an die Gläubigen weltweit. Es handelte sich allerdings keineswegs um die erste ähnlich gelagerte Initiative des Papstes angesichts humanitärer Tragödien.

Bereits am 7. September 2013 hatte er auf dem Petersplatz Tausende von Menschen, darunter keineswegs nur Katholiken, versammelt, um mit Fackeln und Fahnen für Syrien zu beten, das nach dem Angriff auf Zivilisten mit Nervengas am Rande eines möglichen heftigen Krieges stand.

Ebenso nachdrücklich hatte Franziskus 2017 dazu aufgerufen, angesichts von Hunger, Ausbeutung, Emigration und Gewalt für den Südsudan und die Demokratische Republik Kongo zu beten und zu fasten. In der Vatikanbasilika wurde seinerzeit eine große Mahnwache abgehalten, die von Demonstrationen und Kundgebungen begleitet wurde. Damals lud der Papst die Christen anderer Kirchen und die Anhänger anderer Religionen dazu ein, sich an der Veranstaltung zu beteiligen, „so wie sie es für richtig halten, aber alle gemeinsam“.

In dem gleichen Geist lud der Papst Brüder und Schwestern anderer Konfessionen zum großen Gebetstag für den Libanon am 4. September 2020 ein, kurz nach der verheerenden ersten Welle der Covid-Pandemie und genau einen Monat nach der zerstörerischen Explosion im Hafen von Beirut.

„Wir sollten jeden Tag einen Rosenkranz für Länder im Krieg beten“

Auch bei dieser Gelegenheit bat der Papst um Gebet und Fasten. Doch selbst einige Gläubige mögen sich wohl gefragt haben, was Fasten und Gebet angesichts der höchst konkreten Notlage in den betroffenen Gebieten ausrichten könnten. „Aber Beten und Fasten sind keineswegs anachronistische Praktiken, geschweige denn spiritualistisch“, kommentiert Andrea Riccardi, Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio und Träger des Bundesverdienstkreuzes, die Initiative des Papstes gegenüber Vatican News.

„Im Gegenteil: Ich glaube, dass wir in unseren Kirchen zu wenig für den Frieden beten. Sonntags hören wir kaum Gebete für Afghanistan oder z.B. für den Norden Mosambiks mit 800.000 Flüchtlingen oder für so viele vergessene Kriege. Wir beten wenig für den Frieden, dabei sollten wir jeden Tag einen Rosenkranz mit den Namen aller Länder, die sich im Krieg befinden, in der Hand halten, um für sie zu beten. Das Gebet ist eine Stärke. Giorgio La Pira pflegte zu sagen: Ich glaube an die historische Kraft des Gebets. Hier wird das Gebet gewissermaßen zum Schutz derer, die nicht geschützt werden können, indem man sie der väterlichen Hand Gottes anvertraut“.

Die Globalisierung der Gleichgültigkeit

Weit entfernte Kriege und unlösbar scheinende Situationen verursachten in den Menschen ein Gefühl der Ohnmacht, die schnell in Gleichgültigkeit umschlagen könne, gibt Riccardi zu bedenken. Auch Franziskus hatte in seiner Predigt auf Lampedusa im Juli 2013 von einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ gesprochen: „In der globalen Welt sehen wir in der Tat alles, wir bekommen Bilder und Nachrichten von allem, aber dann bleiben wir gleichgültig, weil wir das Gefühl haben, nichts tun zu können: Was kann ich, ein kleiner Mann oder eine kleine Frau, angesichts von Afghanistan tun, wenn die Vereinigten Staaten selbst nicht wissen, was sie tun sollen? Ich glaube vielmehr, dass in dieser globalen Welt jeder Mann und jede Frau etwas tun kann. Wenn kleine Gruppen Terror säen können, können kleine Gruppen Frieden säen!“

Dies könne auch durch Gebet und Fasten geschehen, als eine Art Loslösung vom Alltag und eine „Revolte“ gegen den Krieg, zeigt sich Riccardi überzeugt. Große Bedeutung habe in diesem Zusammenhang auch die Einladung des Papstes an andere Konfessionen: „Ich war bei dem Treffen mit den Patriarchen und den Oberhäuptern der Kirchen des Nahen Ostens im Juli 2018 in Bari dabei, und was mich am meisten beeindruckt hat, war, dass der Papst die Christen zur Einheit im Gebet einlud. Ein Bild ganz im Geist des Evangeliums. Das Abkommen zwischen „Geschwistern“ kann eine Geschichte des Friedens eröffnen.“

„Frieden ist ein Wert aller Religionen“

Gebet könne auch den Willen Gottes verändern und die Geschichte in eine neue Richtung lenken, zitiert Riccardi in diesem Zusammenhang auch den evangelisch-reformierten Schweizer Theologen Karl Barth. „Und dies betrifft natürlich alle Gläubigen, auch die Gläubigen anderer Religionen, denn Frieden ist ein Wert aller Religionen. Frieden ist der Name Gottes: im Katholizismus, im Islam, in den östlichen Religionen oder, wenn ich an das große gemeinsame Erbe wie die Psalmen denke, im Judentum. Es ist der Geist von Assisi, die Einladung zum Gebet für den Frieden, dieser revolutionäre und entscheidende Durchbruch, der 1986 von Johannes Paul II. eingeführt wurde: gemeinsam für die anderen beten, nicht gegeneinander.“

Andrea Riccardi bei Papst Franziskus (Archivbild von 2020)
Andrea Riccardi bei Papst Franziskus (Archivbild von 2020)

Erst an diesem Montag war der Gründer der Gemeinschaft Sant‘Egidio für eine Privataudienz bei Papst Franziskus. Bei dieser Gelegenheit habe er mit dem Papst auch über seinen Traum einer solidarischen Welt nach der Krise gesprochen, berichtet Riccardi. „Der Papst ist zutiefst besorgt über Afghanistan, er verfolgt die Situation Tag für Tag, aber er hat den Traum und die Vision - und darüber haben wir gesprochen - nicht aufgegeben, eine neue Welt nach dem Ende des Kalten Krieges aufzubauen, in der die soziale Solidarität mit der internationalen Solidarität Hand in Hand geht. Fratelli Tutti ist die Magna Charta und der Geist, mit dem diese post-Covid-Gesellschaft aufgebaut werden soll. Wir leben mit zu vielen Emotionen, die mit den Nachrichten verbunden sind, und vergessen dabei oft, dass wir uns wirklich in einer historischen Phase des großen Wandels befinden, in der es dringend notwendig ist, eine andere Welt als die vorherige aufzubauen. Und jetzt stehen wir vor einem Drama wie dem in Afghanistan, das nach geistiger und konkreter Solidarität ruft. Wir sollten uns fragen: Welche Art von Gesellschaft wollen wir aufbauen? Die Gesellschaften der Mauern und der Angst oder die Gesellschaften der Hoffnung und des Willkommens? Hoffnung und Aufnahme, die durch das Gebet genährt werden. Denn das Gebet macht uns mutig und auch fähig, neue Formeln für das Zusammenleben zu erfinden.“

(vatican news - cs)

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31. August 2021, 12:40