Wortlaut: Das hat der Papst bei der Generalaudienz gesagt

Hier finden Sie die Rede, die Papst Franziskus an diesem Mittwoch bei seiner Generalaudienz gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan.

Sämtliche Wortmeldungen des Papstes in ihrer offiziellen Fassung finden Sie auf der Internetseite des Vatikan.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!

Nach der langen „Reise“, die dem Gebet gewidmet war, beginnen wir heute einen neuen Katechesen-Zyklus. Ich hoffe, dass es uns mit diesem Weg des Gebets gelungen ist, ein bisschen besser zu beten, ein bisschen mehr zu beten... Ich möchte über bestimmte Themen nachdenken, die der Apostel Paulus in seinem Brief an die Galater anspricht. Das ist ein sehr wichtiger, ich würde sogar sagen entscheidender Brief – nicht nur, weil wir hier den Apostel besser kennenlernen, sondern vor allem, weil wir hier einige der Themen, die er anspricht, in der Tiefe betrachten und die Schönheit des Evangeliums zeigen können.

In diesem Brief macht Paulus viele biografische Angaben, die uns seine Bekehrung und seine Entscheidung, sein Leben in den Dienst Jesu Christi zu stellen, verstehen lassen. Er behandelt auch einige sehr wichtige Themen für den Glauben, etwa Freiheit, Gnade und die christliche Lebensweise. Diese Themen sind äußerst relevant, weil sie viele Aspekte im Leben der Kirche heute berühren. Es ist ein sehr aktueller Brief. Er scheint für unsere Zeit geschrieben worden zu sein.

Das erste Merkmal, das diesen Brief kennzeichnet, ist das große Werk der Evangelisierung durch den Apostel, der die Gemeinden Galatiens mindestens zweimal während seiner Missionsreisen besucht hat. Paulus wendet sich an die Christen in diesem Gebiet. Wir wissen nicht genau, auf welches geografische Gebiet er sich bezieht, und wir können auch nicht mit Sicherheit das Datum angeben, an dem er diesen Brief geschrieben hat. Was wir wissen, ist, dass die Galater ein altes keltisches Volk waren, das sich durch viele Wechselfälle hindurch in jener ausgedehnten Region Anatoliens niedergelassen hatte, deren Hauptstadt Ancyra war, das heutige Ankara, die Hauptstadt der Türkei. Sie waren dort. Paulus berichtet nur, dass er wegen einer Krankheit gezwungen war, in dieser Gegend Halt zu machen (vgl. Gal 4,13).

Der heilige Lukas schildert in der Apostelgeschichte hingegen eine eher spirituelle Motivation. Er sagt: ‚Weil ihnen aber vom Heiligen Geist verwehrt wurde, das Wort in der Provinz Asien zu verkünden, reisten sie durch Phrygien und das galatische Land‘ (16,6). Die beiden Darstellungen widersprechen sich nicht: Sie zeigen vielmehr, dass der Weg der Evangelisierung nicht immer von unserem eigenen Willen und unseren Plänen abhängt, sondern die Bereitschaft erfordert, sich formen zu lassen und andere Wege zu gehen, die nicht vorhergesehen waren. Unter euch ist eine Familie, die mich gegrüßt hat: sie haben gesagt, sie müssen lettisch lernen und ich weiß nicht welche anderen Sprachen, weil sie in diesen Erdteilen missionieren gehen. Und der Geist trägt sie auch heute: viele Missionare, die ihre Heimat verlassen und in eine andere Gegend gehen, um Mission zu betreiben. 

Was wir immerhin wissen, ist, dass es dem Apostel mit seiner unermüdlichen Evangelisierungsarbeit gelang, mehrere kleine Gemeinden zu gründen, die über die ganze Region Galatien verstreut waren. Wenn Paulus in einer Stadt ankam, bei einem Volk, in einer Region, dann baute er nicht gleich eine große Kathedrale, ... nichts. Er bildete die kleinen Gemeinschaften die der Sauerteig unserer heutigen christlichen Kultur sind. Er begann damit, indem er kleine Gemeinschaften bildete. Und diese kleinen Gemeinschaften wuchsen, sie wuchsen und gingen voran. Diese pastorale Methode nutzt man auch heute in jeder Missions-Region. Ich habe vergangene Woche einen Brief von einem Missionar in Papua Neuguinea bekommen, er sagt mir, dass er das Evangelium in der Wildnis predigt, zu Menschen, die noch nicht einmal wissen, wer Jesus Christus ist. Das ist schön, oder! Man beginnt, kleine Gemeinschaften zu bilden. Auch heute funktioniert Neuevangelisierung mit dieser Methode.

Achten wir einmal besonders auf die pastorale Sorge des Paulus - er steht gänzlich unter Feuer - der sich nach der Gründung dieser Gemeinden einer großen Gefahr (der Hirte ist wie der Papa oder die Mama, nicht? Die sofort die Gefahren für ihre Kinder ausmachen...) für ihr Wachstum im Glauben bewusst wurde. Sie wachsen und die Gefahren kommen. Wie einer sagte: ,Es kommen die Aasgeier, um in der Gemeinschaft zu wüten.' Tatsächlich hatten einige Christen, die vom Judentum her kamen, diese Gemeinden unterwandert und begannen damit, Theorien auszusäen, die der Lehre des Apostels widersprachen. Dabei gingen sie sogar so weit, ihn zu verunglimpfen. Sie beginnen mit der Doktrin, ,nein, das ja...' und dann verunglimpfen sie den Apostel. Das ist schon immer der Weg: dem Apostel die Autorität abzugraben. Wie wir sehen, ist das eine uralte Praxis, sich bei bestimmten Gelegenheiten als alleiniger Besitzer der Wahrheit darzustellen - die Reinen - und die Arbeit anderer herabzusetzen, sogar durch Verleumdung.

Diese Gegner des Paulus argumentierten, dass sich auch die Heiden der Beschneidung unterziehen und nach den Regeln des mosaischen Gesetzes leben müssten. Sie kehren zurück zu der Strenggläubigkeit von früher, zu den Dingen, die mit dem Evangelium überholt waren. Sie kehren zurück. Die Galater hätten also ihre kulturelle Identität aufgeben müssen, um sich den für die Juden typischen Normen, Vorschriften und Bräuchen zu unterwerfen. Und nicht nur das. Diese Gegner argumentierten, dass Paulus kein echter Apostel sei und daher gar keine Autorität habe, das Evangelium zu verkünden. Und das sehen wir oft. Denken wir an manche christliche Gemeinschaft oder so manche Diözese. Es beginnen die Geschichten und enden damit, den Priester, den Bischof unglaubwürdig zu machen. Das ist genau der Weg des Übels, dieser Menschen, die spalten, die nicht aufzubauen wissen. Und in diesem Brief an die Galater sehen wir diese Prozedur.

Die Galater befanden sich also in einer Krisensituation. Was sollten sie tun? Hören und befolgen, was Paulus ihnen gepredigt hatte, oder auf die neuen Prediger hören, die ihn anklagten? Es ist leicht, sich den Zustand der Unsicherheit vorzustellen, der ihre Herzen aufwühlte. Für sie war das Kennenlernen Jesu und der Glaube an das Erlösungswerk, das durch seinen Tod und seine Auferstehung vollbracht wurde, wirklich der Beginn eines neuen Lebens, eines freien Lebens. Sie hatten einen Weg eingeschlagen, der es ihnen erlaubte, endlich frei zu sein, obwohl ihre Geschichte mit vielen Formen gewaltsamer Sklaverei verwoben war, nicht zuletzt jener, die sie dem römischen Kaiser unterwarf. Daher fühlten sie sich angesichts der Kritik der neuen Prediger verloren und sie fühlten sich unsicher, wie sie sich verhalten sollten: ,Wer hat Recht? Dieser? Jener? Paulus? Oder diese Leute, die jetzt kommt und andere Dinge lehrt? Auf wen soll ich hören?' Kurz gesagt, es stand wirklich viel auf dem Spiel.

Dieser Zustand, das habe ich eben angedeutet, ist nicht weit von der Erfahrung entfernt, die viele Christen in unserer Zeit machen. Tatsächlich mangelt es auch heute nicht an Predigern, die (vor allem in den neuen Kommunikationsmitteln) die Gemeinschaften in Unruhe versetzen können. Es geht ihnen in erster Linie nicht darum, das Evangelium von Gott zu verkünden, der den Menschen in Jesus, dem Gekreuzigten und Auferstandenen, liebt. Stattdessen präsentieren sie sich dort als ‚wahre Hüter der Wahrheit‘, die wissen, was der beste Weg ist, Christ zu sein. Sie bekräftigen nachdrücklich, dass das wahre Christentum dasjenige ist, an dem sie hängen, oft identifiziert mit bestimmten Formen der Vergangenheit, und dass die Lösung für die heutigen Krisen darin besteht, zurückzugehen, um die Echtheit des Glaubens nicht zu verlieren.

Auch heute, wie damals, gibt es kurz gesagt die Versuchung, sich in bestimmten Gewissheiten zu verschließen, die sich aus vergangenen Traditionen ergeben. Aber wie können wir diese Leute erkennen? Zum Beispiel ist einer ihrer Vorgehensweisen die Starrheit. Angesichts der Verkündigung des Evangeliums, das uns frei macht, Freude schenkt, sind sie starr. Immer diese Starrheit: Man muss dies tun, man muss das andere tun... Die Starrheit ist diesen Menschen wirklich eigen.

Das Befolgen der Lehre des Apostels Paulus im Brief an die Galater wird uns helfen, zu verstehen, welchem Weg wir folgen sollen. Der vom Apostel aufgezeigte Weg ist der befreiende und immer neue Weg des gekreuzigten und auferstandenen Jesus; es ist der Weg der Verkündigung, der sich durch Demut und Geschwisterlichkeit verwirklicht; die neuen Prediger wissen nicht, was Demut ist, was Geschwisterlichkeit ist; es ist der Weg des sanftmütigen und gehorsamen Vertrauens; die neuen Prediger kennen weder Sanftmut nocht Gehorsam; und dieses sanftmütige und gehorsame Leben geht voran in der Gewissheit, dass der Heilige Geist in jedem Zeitalter der Kirche wirkt. In letzter Instanz trägt uns der Heilige Geist, der in der Kirche anwesend ist, voran und wird uns retten. Danke.

(vatican news - sk)
 

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23. Juni 2021, 10:30

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