Papst Franziskus bei der Messe in der Kirche Santo Spirito in Sassia Papst Franziskus bei der Messe in der Kirche Santo Spirito in Sassia 

Papst: „Ohne Werke der Barmherzigkeit stirbt der Glaube“

„Wenn die Liebe bei uns selbst endet, vertrocknet der Glaube in einem sterilen Kult der Innerlichkeit“: Am Barmherzigkeitssonntag hat Papst Franziskus alle Menschen zur Hingabe und Liebe dem Nächsten gegenüber aufgerufen.

An der Messe in der Kirche Santo Spirito in Sassia nahm auf der Corona-Schutzmaßnahmen nur eine begrenzte Zahl an Gläubigen teil; darunter waren junge Flüchtlinge, Caritasmitarbeiter, Häftlinge aus Rom und Ordensschwestern der Göttlichen Barmherzigkeit. Auch weißbekittelte Ärztinnen und Ärzte aus dem angrenzenden Krankenhaus Santo Spirito beteten mit. Zu Beginn war die Hymne des von Papst Franziskus‘ für 2016 ausgerufenen Außerordentlichen Jahres der Barmherzigkeit zu hören. In den Fürbitten wurde unter anderem für Betroffene der Corona-Pandemie und deren Betreuer gebetet.

In seiner Predigt betonte der Papst, dass unser Glaube ohne Werke der Barmherzigkeit stirbt: „Schwester, Bruder, willst du einen Beweis dafür, dass Gott dein Leben berührt hat? Frage dich, ob du dich über die Wunden anderer beugst“, ermutigte er die Gläubigen zur Gewissenserforschung.

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Franziskus schilderte zunächst die „Auferstehung der Jünger“ und beschrieb, wie es Jesus gelang, das Leben seiner Gefährten tiefgreifend zu verändern. Der auferstandene Jesus sei den Jüngeren mehrere Male erschienen und habe sie geduldig getröstet. Er habe ihr Leben verwandelt, Motor dieser Verwandlung sei Barmherzigkeit gewesen, betonte Franziskus: „Jesus richtet sie mit seiner Barmherzigkeit wieder auf“.

Friede Jesu steht am Anfang der Mission

Drei Gaben habe Jesus den Jüngern dabei mitgegeben: er beschenkte sie mit Frieden, dann mit dem Geist und schließlich mit seinen Wunden.

Die Jünger waren nach Jesu Kreuzigung verunsichert und schlossen sich aus Angst, selbst verhaftet zu werden, zu Hause ein. Auch innerlich waren sie in Gewissenbissen und Selbstzweifeln gefangen, da sie Jesus verlassen und verleugnet hatten. In diesem Moment habe Jesus sie wieder aufgerichtet, sie aus sich selbst befreit und ihnen einen Auftrag gegeben, so Papst Franziskus.

„Er bringt nicht einen Frieden, der die äußeren Probleme von ihnen nimmt, sondern einen Frieden, der ihnen innere Zuversicht verleiht. Er gibt nicht äußeren Frieden, sondern Frieden im Herzen. Er sagt: ,Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch‘ (Joh 20,21). Es ist, als würde er sagen: ,Ich sende euch, weil ich an euch glaube‘. Diese verzagten Jünger werden mit sich selbst versöhnt. Der Friede Jesu lässt sie von ihren Gewissensbissen zu ihrer Sendung übergehen. Der Friede Jesu steht am Anfang der Mission.“

Es war „nicht Ruhe, nicht Bequemlichkeit, sondern das Herausgehen aus sich selbst“, präzisierte Franziskus. Die Jünger spürten zugleich, „dass Gott sie nicht verurteilt und demütigt, sondern an sie glaubt“. Für Gott sei „niemand verfehlt, niemand nutzlos, niemand ausgeschlossen“, bekräftigte er.

Gabe des Geistes: Beichte ist „reine Barmherzigkeit“

Weiterhin habe Jesus seinen Jüngern Vergebung geschenkt, die sich ihm gegenüber schuldig gemacht hatten – er schenkte ihnen die Gabe des Geistes. Papst Franziskus ermutigte hier alle Gläubigen dazu, das Sakrament der Beichte zu empfangen:

„Wie diese Jünger haben wir es nötig, uns vergeben zu lassen. Die Vergebung im Heiligen Geist ist das Ostergeschenk, das uns eine innere Auferstehung ermöglicht.“ Dabei sei der Gang zur Beichte keine Erniedrigung, sondern Aufrichtung im Geiste – die Beichte sei wie die Hand eines gütigen Vaters, der kleinen Kindern, die fallen, immer wieder auf die Beine hilft. Die Beichte sei „das Sakrament der Auferstehung“, so Franziskus, „sie ist reine Barmherzigkeit. Und wer die Beichte entgegennimmt, muss die Schönheit des göttlichen Erbarmens spürbar werden lassen“.

Mit Jesu Wunden Gottes Liebe annehmen

Mit seinen Wunden habe Jesus den Jüngern schließlich ein drittes Geschenk gemacht. Mit seinem Selbstopfer habe er die Jünger geheilt, habe „unsere Wunden zu seinen Wunden gemacht“ und „unsere Gebrechlichkeit leibhaftig auf sich genommen“.

„Die Wunden sind Verbindungskanäle zwischen ihm und uns, über sie fließt unserem Elend sein Erbarmen zu. Sie sind Zugänge, die Gott für uns weit geöffnet hat, damit wir in sein liebevolles Erbarmen eintreten und damit wir mit unseren eigenen Händen begreifen können, wer er ist. Und wir zweifeln nicht mehr an seiner Barmherzigkeit. Wenn wir seine Wunden anbeten und küssen, entdecken wir, dass jede unserer Schwächen von ihm liebevoll angenommen ist.“

In jeder Messe biete Jesus uns seinen verwundeten und auferstandenen Leib dar, formulierte der Papst. Der Weg des Christen beginne dabei „mit der Gnade, Barmherzigkeit erfahren zu haben“, nicht durch Selbstbezogenheit: „Wenn wir uns auf unsere eigenen Fähigkeiten, auf die Effizienz unserer Strukturen und Projekte verlassen, werden wir nicht weit kommen. Nur wenn wir Gottes Liebe annehmen, können wir der Welt etwas Neues geben.“

Jünger wurden selbst barmherzig

„Das ist kein Kommunismus, das ist Christentum in Reinform.“

Frieden, Geist und Wunden - Jesu Werk der Barmherzigkeit an den Jüngern habe sich dann darin gezeigt, dass diese „selbst barmherzig“ wurden, fuhr der Papst fort. Während sie vorher untereinander noch um Auszeichnungen und Ehren gestritten hatten, teilten sie jetzt alles, was sie hatten und waren „ein Herz und eine Seele“, so Franziskus.

„Sie erkannten bei den anderen dasselbe Erbarmen, das ihr eigenes Leben verändert hatte. Sie entdeckten, dass sie gemeinsam Anteil hatten an der Mission, an der Vergebung und am Leib Jesu: Das Teilen irdischer Güter schien eine natürliche Konsequenz.“

Diese Barmherzigkeit richtete sich nun auch auf andere Menschen, denn die Jünger hatten „keine Angst mehr, die Wunden der Bedürftigen zu versorgen“. Das sei „kein Kommunismus“ gewesen, sondern „Christentum in Reinform“, so Papst Franziskus. Und er rief alle Gläubigen an dieser Stelle zur Gewissenserforschung auf:

„Heute ist der Tag, an dem wir uns fragen sollten: ,Bin ich, der ich Gottes Frieden, seine Vergebung, seine Barmherzigkeit so oft empfangen habe, barmherzig zu den anderen? Tue ich, der ich mich so oft von seinem Leib ernährt habe, etwas, um die Armen zu speisen?‘“

Glaube stirbt ohne tätige Nächstenliebe

„Denn wenn die Liebe bei uns selbst endet, vertrocknet der Glaube in einem sterilen Kult der Innerlichkeit.“

Papst Franziskus ermutigte dann zu Hingabe und Nächstenliebe gegenüber unseren Nächsten:

„Lasst uns nicht gleichgültig bleiben. Lasst uns nicht einen halbherzigen Glauben leben, der empfängt, aber nicht gibt, der das Geschenk annimmt, aber selbst nicht zur Hingabe bereit ist. Uns wurde Erbarmen zuteil, lasst uns selbst barmherzig werden. Denn wenn die Liebe bei uns selbst endet, vertrocknet der Glaube in einem sterilen Kult der Innerlichkeit. Ohne die anderen verliert er seine Konkretheit. Ohne Werke der Barmherzigkeit stirbt er (vgl. Jak 2,17). Lassen wir uns durch den Frieden, die Vergebung und die Wunden des barmherzigen Jesus auferwecken. Und bitten wir um die Gnade, Zeugen der Barmherzigkeit werden zu dürfen. Nur so wird unser Glaube lebendig sein und unser Leben stimmig. Nur auf diese Weise werden wir das Evangelium Gottes verkünden, das ein Evangelium der Barmherzigkeit ist.“

Der Barmherzigkeitssonntag

Der Barmherzigkeitssonntag geht auf Papst Johannes Paul II. zurück, der ihn als liturgisches Fest bei der Heiligsprechung der polnischen Ordensschwester Faustyna Kowalska für die ganze katholische Kirche festlegte.

Schwester Faustyna war eine einfache polnische Ordensschwester und Mystikerin. Wie sie in ihrem umfangreichen Tagebuch unter priesterlicher Begleitung festhielt, erschienen ihr wiederholt Jesus, Maria, Engel und Heilige. Faustyna schildert auch, wie ihr Jesus auftrug, den Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit nach Ostern einzuführen. Auf ihren Visionen beruht das 1934 entstandene berühmte Bild des barmherzigen Jesus mit dem roten und dem weißen Strahl, die von seinem Herzen ausgehen. Eines davon wird auch in Santo Spirito in Sassia verehrt.

Papst Franziskus hat in seinem Pontifikat einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Barmherzigkeit Gottes gesetzt. So ordnete er ein außerordentliches Heiliges Jahr der Barmherzigkeit in der katholischen Kirche an, das vom 8. Dezember 2015 bis 20. November 2016 stattfand. Anlässlich des Barmherzigkeitssonntags feierte er auch im Vorjahr die Messe in der römischen Kirche Santo Spirito in Sassia unter Corona-Schutz-Auflagen. Die Kirche ist wegen der dort besonders starken Verehrung der Heiligen Faustina Kowalska Anlaufstelle für viele Gläubige aus Polen.

(vatican news – pr)
 

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11. April 2021, 11:43