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Papst Franziskus am Mittwoch bei der Generalaudienz Papst Franziskus am Mittwoch bei der Generalaudienz

Wortlaut: Ansprache von Papst Franziskus bei seiner Generalaudienz

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus an diesem Mittwoch bei seiner Generalaudienz im Vatikan gehalten hat, in vollem Wortlaut.

Das ist eine Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan. Die amtliche Fassung finden Sie in Kürze auf der Homepage des Vatikan.

„Liebe Brüder und Schwestern, guten Morgen!

In den letzten Tagen hat der Herr mir erlaubt, den Irak zu besuchen und damit einen Wunsch des heiligen Johannes Paul II. zu erfüllen. Nie zuvor war ein Papst im Lande Abrahams gewesen; die Vorsehung wollte es so, dass das jetzt möglich wurde: als Zeichen der Hoffnung nach Jahren des Krieges und des Terrorismus, und während einer schlimmen Pandemie.

Nach diesem Besuch ist mein Herz voller Dankbarkeit. Ich danke Gott und allen, die das möglich gemacht haben: dem Präsidenten der Republik und der Regierung des Irak; den Patriarchen und Bischöfen des Landes, zusammen mit allen Geistlichen und Gläubigen ihrer jeweiligen Kirchen; den religiösen Führern, besonders Großayatollah Sistani, mit dem ich eine unvergessliche Begegnung in seiner Residenz in Nadschaf hatte.

Ich habe stark gespürt, dass diese Pilgerfahrt ein Element des Büßens hatte: Ich konnte mich diesem gemarterten Volk, dieser gemarterten Kirche nicht nähern, ohne im Namen der katholischen Kirche das Kreuz auf mich zu nehmen, das sie seit Jahren tragen – ein großes Kreuz, wie das, das am Eingang von Karakosch steht. Ich spürte es in besonderer Weise, als ich die noch blutenden Wunden der Zerstörung sah, und noch mehr, als ich die Menschen traf und ihnen zuhörte, die die Gewalt, die Verfolgung und das Exil überlebt haben ...

Franziskus am Wochenende in Ur, der Heimat Abrahams
Franziskus am Wochenende in Ur, der Heimat Abrahams

„Das irakische Volk hat das Recht, in Frieden zu leben!“

Und gleichzeitig spürte ich überall um mich herum die Freude, einen Boten Christi willkommen zu heißen; ich sah die Hoffnung, sich einem Horizont des Friedens und der Geschwisterlichkeit zu öffnen, entsprechend den Worten Jesu, die das Motto der Reise waren: „Ihr seid alle Brüder“ (Mt 23,8). Ich sah diese Hoffnung in der Rede des Präsidenten der Republik, ich fand sie in so vielen Grußworten und Ansprachen, in den Liedern und Gesten des Volkes. Ich habe sie in den strahlenden Gesichtern der jungen Leute und in den lebhaften Augen der älteren Menschen gelesen. Die Menschen, die den Papst fünf Stunden lang erwarteten, auf ihren Beinen, auch Frauen mit Kindern im Arm: sie warteten und in ihren Augen stand die Hoffnung.

Das irakische Volk hat das Recht, in Frieden zu leben! Es hat das Recht, die Würde wiederzufinden, die ihm zusteht. Seine religiösen und kulturellen Wurzeln sind Jahrtausende alt: Mesopotamien ist die Wiege der Zivilisation; Bagdad war im Lauf der Geschichte eine Stadt von herausragender Bedeutung, die über Jahrhunderte die reichste Bibliothek der Welt beherbergte. Und wie wurde all das zerstört? Durch Krieg. Der Krieg ist immer ein Ungeheuer, das sich im Lauf der Zeitalter verwandelt und die Menschheit immer von neuem verschlingt. Aber die Antwort auf Krieg ist nicht ein weiterer Krieg, die Antwort auf Waffen sind nicht noch mehr Waffen! Und ich fragte mich: wer hat den Terroristen die Waffen verkauft? Wer verkauft heute die Waffen an Terroristen, die woanders für Massaker sorgen? Denken wir beispielsweise an Afrika. Das ist eine Frage, von der ich gerne hätte, dass jemand darauf antwortet. Die Antwort [auf die Nutzung von Waffen, Anm.] lautet: Geschwisterlichkeit. Das ist die Herausforderung für den Irak, aber nicht nur: Es ist die Herausforderung für viele Konfliktregionen, und letztlich ist die Geschwisterlichkeit die Herausforderung für die ganze Welt. Werden wir dazu in der Lage sein, unter uns Geschwisterlichkeit zu erreichen? Eine Kultur von Geschwistern zu schaffen? Oder werden wir mit der Logik weitermachen, die Kain begonnen hat: den Krieg? Brüderlichkeit, Geschwisterlichkeit.

Deshalb haben wir uns getroffen und gebetet, Christen und Muslime, mit Vertretern anderer Religionen, in Ur, wo Abraham vor etwa viertausend Jahren den Ruf Gottes hörte. Abraham ist ein Vater im Glauben, weil er auf Gottes Stimme hörte, die ihm Nachkommenschaft versprach; er verließ alles und machte sich auf den Weg. Gott ist seinen Verheißungen treu und lenkt auch heute noch unsere Schritte des Friedens. Er lenkt die Schritte derer, die auf der Erde wandeln, den Blick zum Himmel erhoben. Und als wir in Ur gemeinsam unter diesem strahlenden Himmel standen – demselben Himmel, in dem einst unser Vater Abraham uns, seine Nachkommen, gesehen hat –, hallte dieser Satz einmal mehr in unseren Herzen nach: Ihr seid alle Brüder!

Freude der Begegnung: Der Papst in einer Kirche in Bagdad
Freude der Begegnung: Der Papst in einer Kirche in Bagdad

„Eine Botschaft der Geschwisterlichkeit“

Eine Botschaft der Geschwisterlichkeit ging auch von dem Treffen in der syrisch-katholischen Kathedrale von Bagdad aus, wo 2010 achtundvierzig Menschen, darunter zwei Priester, während der Messfeier getötet wurden. Die Kirche im Irak ist eine Märtyrerkirche, und in diesem Gotteshaus, in dem das Gedenken an die Märtyrer in Stein gemeißelt ist, wurde die Freude der Begegnung laut: Ich war erstaunt darüber, bei ihnen sein zu können, und sie freuten sich, den Papst bei sich zu haben!

Eine Botschaft der Geschwisterlichkeit haben wir auch von Mossul und von Karakosch, am Tigris, in der Nähe der Ruinen des antiken Ninive, aus lanciert. Die Besetzung durch den IS hat Abertausende Einwohner in die Flucht geschlagen, darunter viele Christen verschiedener Konfessionen und andere verfolgte Minderheiten, insbesondere Jesiden. Die alte Identität dieser Städte wurde zerstört. Jetzt kämpfen sie um den Wiederaufbau; die Muslime laden die Christen zur Rückkehr ein, und gemeinsam bauen sie Kirchen und Moscheen wieder auf - die Geschwisterlichkeit liegt da.

Lassen Sie uns bitte weiterhin für diese unsere Brüder und Schwestern beten, die so leidgeprüft sind, dass sie die Kraft haben mögen, neu anzufangen. Und wenn ich an die vielen irakischen Emigranten denke, möchte ich ihnen sagen: Ihr habt alles verlassen, wie Abraham; behaltet wie er den Glauben und die Hoffnung, und verbreitet Freundschaft und Geschwisterlichkeit, wo auch immer ihr seid, und wenn ihr könnt, kehrt zurück!

Eine Botschaft der Geschwisterlichkeit ging von den beiden Eucharistiefeiern aus: derjenigen in Bagdad, im chaldäischen Ritus, und derjenigen in Erbil, der Stadt, in der ich vom Präsidenten der (Kurden-) Region und seinem Premierminister, von den Behörden - denen ich danke, viele sind gekommen, um mich zu empfangen und auch vom Volk wurde ich empfangen. Die Hoffnung Abrahams und seiner Nachkommen hat sich in dem Geheimnis erfüllt, das wir gefeiert haben: in Jesus, dem Sohn, den Gott, der Vater, nicht verschont, sondern für das Heil aller hingegeben hat. Er hat uns durch seinen Tod und seine Auferstehung den Weg in das verheißene Land eröffnet, in ein neues Leben, in dem die Tränen abgewischt, die Wunden geheilt, die Geschwister untereinander versöhnt werden.

Liebe Brüder und Schwestern, wir loben Gott für diesen historischen Besuch, und wir beten weiterhin für dieses Land und den Nahen Osten. Im Irak sind trotz des Lärms von Zerstörung und Waffen die Palmen, das Symbol des Landes und seiner Hoffnung, weiter gewachsen und haben Früchte getragen. So ist es auch mit der Geschwisterlichkeit: wie die Frucht der Palme macht sie keinen Lärm, aber die Palme ist fruchtbar und lässt wachsen. Möge Gott, der der Friede ist, dem Irak, dem Nahen Osten und der ganzen Welt eine Zukunft der Geschwisterlichkeit schenken!“

(vatican news – sk)
 

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10. März 2021, 10:33