Papst in Abrahams Heimat: Nein zu Terrorismus und Gewalt

Papst Franziskus hat am zweiten Tag seiner Irakreise Gewalt im Namen des Glaubens verurteilt und zu Einheit aufgerufen. „Wir Gläubigen dürfen nicht schweigen, wenn der Terrorismus die Religion missbraucht“, sagte das Oberhaupt der katholischen Kirche am Samstagvormittag bei einem interreligiösen Treffen in Ur.

Stefanie Stahlhofen - Vatikanstadt

Für die Begegnung mit Vertretern der Religionen hatte Franziskus einen besonderen Ort gewählt: Die antike Stadt Ur in der Wüste des Südirak, nicht weit von Nassirija. Ur gilt als Heimat der biblischen Gestalt Abraham, auf die sich Juden, Christen und Muslime gleichermaßen als Stammvater berufen. Das Treffen spielte sich in unmittelbarer Nähe der Ruinen der sumerischen Stadt und des 4.000 Jahre alten Stufentempels ab; an der Begegnung nahmen auch Jesiden und Mandäer teil.

Zu Beginn wurde ein Abschnitt aus dem Buch Genesis (Kapitel 12) vorgetragen, ebenso ein Auszug aus der 14. Sure des Koran, die Abraham (islamisch Ibrahim) gewidmet ist. Zwei Studenten, die in Basra zusammen einen Shop gegründet haben, erzählten von der Freundschaft zwischen Christen und Muslimen; eine mandäische Gläubige hielt eine eindringliche Rede, in der sie von den Verheerungen berichtete, die die Kriege, der Terrorismus, aber auch internationale Sanktionen im Irak angerichtet haben. Ein Professor der Uni Nassirija, der aus Ur stammt, konnte auf erste Erfolge seiner Bemühungen verweisen, Pilger und Touristen in die Stadt Abrahams zu bringen.

„Dass wir uns heute hier auf seinen (Abrahams) Spuren befinden, dies möge ein Zeichen des Segens und der Hoffnung sein für den Irak, für den Nahen Osten und für die ganze Welt“, sagte der Papst mit Blick auf die besondere Bedeutung der antiken Stadt für die drei abrahamitischen Religionen. Eingerahmt von schiitischen, sunnitischen und geistlichen Führern weiterer religiöser Gruppen, erinnerte Franziskus von einem kleinen Podium herab auch an den vergeblichen Versuch seines Vorgängers Johannes Paul II.' (1978-2005), im Heiligen Jahr 2000 eine Pilgerfahrt in den Südirak zu unternehmen.

Plädoyer für Frieden, Menschenrechte und Zusammenarbeit der Religionen

Franziskus hielt in Ur ein flammendes Plädoyer für Einheit, friedliches Zusammenleben der verschiedenen Religionen, Gerechtigkeit und die Menschenrechte.

„Es liegt an uns Menschen heute und vor allem an uns Gläubigen jeder Religion, die Werkzeuge des Hasses in Werkzeuge des Friedens zu verwandeln.“

„Es liegt an uns Menschen heute und vor allem an uns Gläubigen jeder Religion, die Werkzeuge des Hasses in Werkzeuge des Friedens zu verwandeln“, rief das Oberhaupt der katholischen Kirche auf. Konkret forderte der Papst die Verantwortlichen der Nationen nachdrücklich auf, die Produktion von Waffen einzustellen und stattdessen genug zu essen für alle zu garantieren: „Zu viele sind ohne Brot, Medizin, Bildung, Rechte und Würde!“, brachte Franziskus es auf den Punkt. Er verurteilte einen „Rüstungswettlauf“ und Konsumstreben. Weiter rief er alle auf, „zwielichtige Machenschaften rund um das Geld“ anzuprangern und gemeinsam das menschliche Leben und die Schöpfung zu bewahren:

„Es liegt an uns, die Welt daran zu erinnern, dass das menschliche Leben das wert ist, was es ist, und nicht, was es hat, und dass das Leben der Ungeborenen, der alten Menschen, der Migranten, der Männer und Frauen jeder Hautfarbe und Nationalität immer heilig ist und wie das aller anderen zählt!“

Gemeinsam gegen Terror 

Im Irak, der besonders stark unter der Terrormiliz ISIS gelitten hat, verurteilte Franziskus auch deutlich Gewalt im Namen der Religionen und mahnte alle Religionsvertreter, gemeinsam gegen diese Gotteslästerung aufzubegehren:

„Feindseligkeit, Extremismus und Gewalt entspringen nicht einer religiösen Seele“

Gott ist barmherzig und die größte Beleidigung und Lästerung ist es, seinen Namen zu entweihen, indem man den Bruder oder die Schwester hasst. Feindseligkeit, Extremismus und Gewalt entspringen nicht einer religiösen Seele – sie sind Verrat an der Religion. Und wir Gläubigen dürfen nicht schweigen, wenn der Terrorismus die Religion missbraucht.“

Papst Johannes Paul II. durfte im Jahr 2000 nicht nach Ur in den Irak reisen - daraufhin hielt er im Vatikan eine Gedenkfeier für Abraham
Papst Johannes Paul II. durfte im Jahr 2000 nicht nach Ur in den Irak reisen - daraufhin hielt er im Vatikan eine Gedenkfeier für Abraham

Alle ethnischen und religiösen Gemeinschaften hätten unter der Terrorherrschaft gelitten, besonders jedoch die Jesiden.  Im religiös vielfältigen Irak waren zahlreiche verschiedene Gruppen Leidtragende der Konflikte. Der jesidische Glauben ist die Ursprungsreligion der Kurden. Er ist vor allem im Nordirak, aber auch im Iran, in der Türkei und in Syrien verbreitet. Die Jesiden sind besonders oft Opfer von Diskriminierung und Verfolgung - wohl deshalb war es dem Papst ein besonderes Anliegen, auch sie eigens zu nennen. Anliegen war ihm zudem das gemeinsame Gebet für alle Terroropfer:

Religions- und Gewissensfreiheit gewähren!

„Heute beten wir für alle, die solche Leiden erfahren haben, für alle, die immer noch vermisst und entführt sind, dass sie bald nach Hause zurückkehren. Und wir beten dafür, dass die Gewissensfreiheit und die Religionsfreiheit überall respektiert und anerkannt werden: Dies sind Grundrechte, denn sie machen den Menschen frei, den Himmel zu betrachten, für den er geschaffen wurde.“

Zum Nachhören: Papst Franziskus trifft in Ur, der Heimat Abrahams im heutigen Südirak, Vertreter der Religionen

Der Himmel und die Sterne, die ihn erhellen als Bild für die verschiedenen Religionen, die gemeinsam Licht im Dunkel bringen – diese Metapher aus dem Buch Genesis (Gen 15,5) zog sich wie ein roter Faden durch die Ansprache des Papstes beim interreligiösen Treffen in Ur. Franziskus schlug von dort auch einen Bogen zu seiner Enzyklika „Fratelli tutti“ vom Oktober 2020, das – auch mit Blick auf die Bewältigung der Corona-Pandemie – zu Geschwisterlichkeit unter den Religionen und den Menschen aufruft. In Ur sprach der Papst auf dieser Basis auch einen flammenden Appell für Frieden, Solidarität und Gerechtigkeit:

„Es wird keinen Frieden geben, solange die anderen als sie bezeichnet werden und nicht als wir. Es wird keinen Frieden geben, solange Bündnisse gegen jemanden bestehen, denn Bündnisse der einen gegen die anderen verstärken nur die Spaltungen. Frieden erfordert weder Sieger noch Besiegte, sondern Brüder und Schwestern, die trotz der Missverständnisse und Wunden der Vergangenheit den Weg vom Konflikt zur Einheit gehen. Bitten wir darum im Gebet für den ganzen Nahen Osten, und ich denke dabei besonders an das gepeinigte Nachbarland Syrien.“

Frieden im Irak - und darüber hinaus

Mit diesen Worten spätestens war klar, dass es dem Papst nicht nur allein um die Lage im Irak, sondern im ganzen Nahen Osten ging – beziehungsweise gar um Frieden auf der ganzen Welt. „Nur mit den anderen kann man die Wunden der Vergangenheit heilen“, betonte das Oberhaupt der katholischen Kirche. Und was braucht es noch? Die Hilfe Gottes. 

„Öffne unsere Herzen, schenke uns die Bereitschaft, einander zu vergeben“

Zum Abschluss wurde ein Gebet von Papst Franziskus auf Arabisch vorgetragen - das „Gebet der Kinder Abrahams“, das der Gast aus dem Vatikan eigens zu diesem Anlass verfasst hat.

„Öffne unsere Herzen, schenke uns die Bereitschaft, einander zu vergeben und mache uns zu Werkzeugen der Versöhnung und des Friedens, zu Erbauern einer gerechteren und geschwisterlicheren Gesellschaft”.

(vatican news - sst/mg)

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06. März 2021, 10:19