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Virtuelle Preisverleihung am Welttag der Geschwisterlichkeit Virtuelle Preisverleihung am Welttag der Geschwisterlichkeit 

Papst: Geschwisterlichkeit heißt Festigkeit in eigenen Überzeugungen

Papst Franziskus erteilt der Relativierung und Vermischung von Religionen eine Absage. „Geschwisterlichkeit heißt Festigkeit in den eigenen Überzeugungen“, erklärte das Kirchenoberhaupt in einem Online-Auftritt zum ersten Welttag der Geschwisterlichkeit an diesem Donnerstag.

Die Geschwisterlichkeit sei heute „die neue Grenze der Menschheit“, erklärte Papst Franziskus in seinem Wortbeitrag: „Entweder sind wir Geschwister, oder wir zerstören uns gegenseitig.“ Heute sei „keine Zeit für Gleichgültigkeit“, keine Zeit für Distanz, gegenseitiges Ignorieren oder Verachtung. „Entweder sind wir Geschwister, wenn ich das sagen darf, oder alles fällt auseinander. Dies ist die Grenze. Die Grenze, an der wir bauen müssen; sie ist die Herausforderung unseres Jahrhunderts, die Herausforderung unserer Zeit.“  

Geschwisterlichkeit bedeute auch „Festigkeit in den eigenen Überzeugungen. Denn es gibt keine wahre Geschwisterlichkeit, wenn die eigenen Überzeugungen verhandelt werden“. Mit diesen Worten widersprach der Papst dem mancherorts erhobenen Vorwurf, Geschwisterlichkeit sei verkappter Synkretismus, also die Vermischung und Angleichung verschiedener Glaubensbekenntnisse zu einer einzigen „Weltreligion“.  Menschen gehörten zwar unterschiedlichen Kulturen und Traditionen an, sie seien aber Geschwister und stammten vom gleichen Vater ab, so der Papst. „Und unter Berücksichtigung unserer verschiedenen Kulturen und Traditionen, unserer unterschiedlichen Staatsbürgerschaften, müssen wir diese Geschwisterlichkeit aufbauen. Nicht, indem wir verhandeln.“

Papst und Großimam bei einer Begegnung im Vatikan
Papst und Großimam bei einer Begegnung im Vatikan

„Ignorieren ist eine sehr subtile Form der Feindschaft“

Geschwisterlichkeit bedeute „eine ausgestreckte Hand“, „Respekt“ und das Zuhören mit offenem Herzen, fuhr der Papst fort. Er wandte sich gegen die Neigung, andere in ihrem Anderssein einfach zu ignorieren. „Wir können nicht sagen, entweder Geschwister oder keine Geschwister. Sagen wir es deutlich: entweder Geschwister oder Feinde. Denn Ignorieren ist eine sehr subtile Form der Feindschaft.“

An der Videoschalte nahmen auch der Großimam der Al-Azhar-Universität Ahmad Al-Tayyeb, UNO-Generalsekretär António Guterres und die marokkanisch-französische Friedensaktivistin Latifa Ibn Ziaten teil. Guterres und Ibn Ziaten erhielten bei der Gelegenheit einen Preis, den „Zayed Award for Human Fraternity". Die UNO hatte den Internationalen Tag der Geschwisterlichkeit ausgerufen und sein Datum auf den 4. Februar gelegt, den Jahrestag der Unterzeichnung des Abu-Dhabi-Dokuments über Geschwisterlichkeit und Frieden durch Papst Franziskus und Al-Tayyeb im Jahr 2019.  Den Vorschlag des neuen Gedenktages hatte die UN-Vollversammlung im Dezember 2020 auch mit Unterstützung der 27 EU-Staaten und der USA angenommen.

Erster Welttag der Geschwisterlichkeit
Erster Welttag der Geschwisterlichkeit
Zum Nachhören: Preisverleihung der Geschwisterlichkeit, mit Papst Franziskus und Großimam al-Tayyeb

Großimam: Schwieriger Weg, der Entschlossenheit braucht

Al-Tayyeb würdigte das Dokument, das er vor zwei Jahren zusammen mit Franziskus lanciert hat, als „zutiefst historisch“. „Ich danke meinem Bruder, Papst Franziskus, meinem Freund auf dem Weg zu Frieden und Gemeinschaft! Ich hoffe, dass der 4. Februar jedes Jahr die Welt und ihre Führer daran an die Prinzipien der menschlichen Geschwisterlichkeit erinnern wird.“

Der Einsatz für Geschwisterlichkeit sei ein „schwieriger Weg“; er brauche „den festen Glauben, dass alle Menschen Geschwister sind und es verdienen, in Frieden zu leben“, so der Großimam.

„Danke, Bruder, danke“

Dem Großimam drückte der Papst in der Videokonferenz öffentlich seine große Wertschätzung aus. Er nannte ihn „meinen Bruder, meinen Freund, meinen Gefährten“ im Einsatz für Geschwisterlichkeit. Wie schon in seiner Enzyklika Fratelli tutti dankte der Papst dem muslimischen Würdenträger für seine Begleitung und Inspiration beim Erarbeiten des gemeinsamen Dokuments, an dem Franziskus und Al-Tayyeb rund sechs Monate in aller Stille gearbeitet hatten und das sie schließlich vor genau zwei Jahren in Abu Dhabi unterzeichneten. „Das Schönste von allem ist, dass sich dieser erste Wunsch nach Geschwisterlichkeit zu wirklicher Geschwisterlichkeit verdichtet hat“, bekundete Franziskus. „Danke, Bruder, danke.“

Preisträger: Die Friedensaktivistin und der UNO-Chef
Preisträger: Die Friedensaktivistin und der UNO-Chef

Erkenntlich zeigte sich der Papst auch gegenüber UNO-Generalsekretär Guterres, der sein Preisgeld dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR spendete. Er dankte darüber hinaus zwei ebenfalls in der Videokonferenz vertretenen Muslimen, Scheich Mohammed bin Zayed und dem Richter Abdel Salam, für ihre Bemühungen auf dem Weg der Geschwisterlichkeit. Den Richter, der bei der Videoschalte eine Moderatorenfunktion innehatte, nannte der Papst scherzhaft „das Enfant terrible“ des Vorhabens, weil er sich mit vielen Ideen und großer Energie eingebracht hatte.

„Grazie mille, Shukran!“

Guterres nannte die Initiative von Papst und Großimam in seiner Dankrede für den Preis „inspirierend“: „Die UNO stehen zu Ihrer Verfügung, um Ihr Engagement und Ihre Stimme noch zu verstärken!“ Der UNO-Chef bedankte sich mit einem „Grazie mille“ und „Shukran“ – „Danke“ auf Italienisch und Arabisch.

Die Preisträgerin: Mutter und Friedensaktivistin

Zuletzt wandte sich Franziskus an die zweite Preisträgerin, die Friedensaktivistin Latifa Ibn Ziaten; er hatte sie gleich eingangs mit der ausdrücklich inklusiven Formel „hermanos y hermanas“, Brüder und Schwestern, mit begrüßt. Bei ihr sei die Aussage „Wir sind alle Geschwister“ nicht bloß Wort, sondern Überzeugung. Die Muslimin Latifa Ibn Ziaten, Gründerin des Friedenswerkes Imad in Frankreich, hatte ihren Sohn bei einem islamistischen Attentat verloren und setzt sich seither für interreligiösen Dialog und ausgegrenzte Jugendliche ein. „Vielen Dank für Ihr Zeugnis“, sagte der Papst der 61-jährigen. „Und danke, dass Sie die Mutter Ihres Sohnes sind, die Mutter von so vielen Jungen und Mädchen, dass sie heute die Mutter dieser Menschheit sind, die Ihnen zuhört und die von Ihnen lernt: entweder den Weg der Geschwisterlichkeit, der Brüder und Schwestern - oder es ist alles verloren.“ Die Aktivistin bedankte sich, sichtlich bewegt, mit ein paar einfachen Worten; sie wolle ihren Kampf der Liebe und Toleranz fortsetzen.

Für die Auslobung des Zayed Award ist das von den Vereinigten Arabischen Emiraten koordinierte „Higher Committee of Human Fraternity" verantwortlich. Das interreligiös besetzte Komitee entstand vor zwei Jahren in Rom. Der Heilige Stuhl hat unterdessen eine eigene Webseite zum Welttag der Geschwisterlichkeit eingerichtet. 

(vatican news - gs)

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04. Februar 2021, 15:15