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Wortlaut: Das Angelusgebet von diesem Sonntag

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus an diesem Sonntag beim Angelusgebet gehalten hat, in einer Arbeitsübersetzung von Radio Vatikan.

Der offizielle Wortlaut wird in Kürze auf der amtlichen Webseite des Vatikans veröffentlicht.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Heute feiern wir das Hochfest unseres Herrn Jesus Christus, König des Weltalls, mit dem das Kirchenjahr, das große Gleichnis, in dem sich das Geheimnis Christi entfaltet, zu Ende geht. Er ist das Alpha und das Omega, der Anfang und die Erfüllung der Geschichte; und die heutige Liturgie konzentriert sich auf das „Omega“, also auf das letzte Ziel. Der Sinn der Geschichte kann verstanden werden, wenn wir uns ihren Höhepunkt vor Augen halten: Das Ende ist auch das Ziel. Und genau das tut Matthäus im Evangelium dieses Sonntags (25,31-46), wenn er die Rede Jesu vom Weltgericht an das Ende seines irdischen Lebens stellt: Er, den die Menschen zu verurteilen im Begriff sind, ist in Wahrheit der höchste Richter. In seinem Tod und seiner Auferstehung wird sich Jesus als Herr der Geschichte, als König des Weltalls, als Richter über alle zeigen. Aber das christliche Paradox besteht darin, dass der Richter kein furchteinflößendes Königtum ausübt, sondern ein Hirte voller Sanftmut und Barmherzigkeit ist.

Tatsächlich verwendet Jesus in diesem Gleichnis vom Weltgericht das Bild des Hirten und erinnert dabei an die Prophezeiungen des Ezechiel, der beschrieben hat, wie sich Gott auf die Seite des Volkes stellt und gegen die schlechten Hirten Israels vorgeht (vgl. 34,1-10). Diese waren grausam und ausbeuterisch gewesen und hatten es vorgezogen, nicht die Herde, sondern sich selbst zu weiden. Und so verspricht Gott, sich selbst um seine Herde zu kümmern und sie vor Unrecht und Gewalt zu schützen. Diese Verheißung Gottes für sein Volk hat sich in Jesus Christus erfüllt, der von sich selbst sagt: „Ich bin der gute Hirt“ (Joh 10,11.14).

Im heutigen Evangeliumstext identifiziert sich Jesus nicht nur mit dem König, der zugleich Hirte ist, sondern auch mit den verlorenen Schafen. Wir könnten von einer „doppelten Identität“ sprechen: der König, der Hirte ist – Jesus – identifiziert sich mit den Schafen, also mit unseren geringsten und bedürftigsten Brüdern und Schwestern. Und damit gibt er auch vor, was das Kriterium des Urteils sein wird: Es wird auf der Grundlage der konkreten Liebe getroffen werden, die diesen Menschen geschenkt oder verweigert wurde, weil Er selbst – der Richter – in jedem von ihnen gegenwärtig ist. Er ist Richter, aber er ist auch der Arme; er ist verborgen, gegenwärtig in der Person der Armen, von denen er spricht, wenn er sagt: „Amen, ich sage euch: Was ihr für einen dieser Geringsten (getan oder) nicht getan habt, das habt ihr auch mir (getan oder) nicht getan“ (V. 40.45). Wir werden nach der Liebe beurteilt werden. Das Urteil wird ein Urteil über die Liebe sein. Nicht nach Gefühlen, nein: nach Werken und nach unserem Mitgefühl, das sich in Nähe und fürsorglicher Hilfe zeigt.

Nähere ich mich Jesus, der in den Kranken, den Armen, den Leidenden, den Häftlingen gegenwärtig ist? In jenen, die es hungert und dürstet nach Gerechtigkeit? Nähere ich mich Jesus, der dort gegenwärtig ist? Das ist die Frage, die wir uns heute stellen müssen.
Der Herr wird also am Ende der Welt über seine Herde befinden, und zwar nicht nur von der Warte des Hirten aus, sondern auch von der der Schafe, mit denen er sich identifiziert hat. Und er wird uns fragen: „Warst auch du ein wenig Hirte, so wie ich?“„Hast du als Hirte über mich gewacht, der ich gegenwärtig war in diesen Menschen, die in Not waren, oder bist du gleichgültig geblieben?“

Brüder und Schwestern, hüten wir uns vor der Logik der Gleichgültigkeit; davor, das zu tun, was wir oft spontan tun: einfach wegzuschauen, wenn wir ein Problem sehen. Denken wir an den Barmherzigen Samariter. Dieser arme Kerl, den die Räuber halbtot am Straßenrand hatten liegen lassen, war hilflos und allein. Und da kam ein Priester vorbei. Er sah ihn, schaute weg und ging vorbei. Dann kam ein Levit vorbei, und auch er schaute einfach weg. Bin ich meinen Brüdern und Schwestern in Not gegenüber auch so gleichgültig wie dieser Priester und dieser Levit? Schaue ich weg? Danach werden wir gerichtet werden: wie wie Nähe gezeigt, Jesus in den Notleidenden gesehen haben. Das ist die Logik – und das sage nicht ich, das sagt Jesus: „Was ihr dem oder jenem getan habt, das habt ihr mir getan. Und was ihr diesem oder jenem nicht getan habt, das habt ihr mir nicht getan, denn ich war dort.“

Möge uns Jesus diese Logik lehren: diese Logik der Nähe, des Sich-ihm-Näherns, mit Liebe; ihm, der in den Menschen gegenwärtig ist, die am meisten leiden.

Bitten wir die Jungfrau Maria, uns zu lehren, wie man herrscht, indem man dient. Die Gottesmutter, die in den Himmel aufgenommen wurde, hat von ihrem Sohn die Königskrone erhalten, weil sie ihm auf dem Weg der Liebe treu gefolgt ist. Lernen wir von ihr, schon jetzt in das Reich Gottes einzutreten, durch die Tür eines Dienstes, der demütig und großzügig ist.

(vaticannews - skr)

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22. November 2020, 15:51