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Franziskus bei der Aufzeichnung seiner Videobotschaft an die UNO Franziskus bei der Aufzeichnung seiner Videobotschaft an die UNO 

Papst Franziskus stärkt UNO den Rücken

In einer langen Video-Rede vor den Vereinten Nationen zu deren 75. Gründungstag hat Papst Franziskus die grenzübergreifende Zusammenarbeit von Staaten als beste Lösung für politische und gesellschaftliche Herausforderungen bestärkt. Nationalismen erteilte das katholische Kirchenoberhaupt eine Absage. An Hauptbedrohungen für Frieden und Sicherheit nannte Franziskus nicht Migration, sondern Armut, Seuchen, Terrorismus und Aufrüstung.

Der Heilige Stuhl wünsche sich von der UNO, dass sie „ein wahres Instrument der Einheit zwischen den Staaten und des Dienstes an der ganzen Menschheitsfamilie ist”, zitierte Franziskus seinen Vorgänger Benedikt XVI. bei dessen Rede vor der UNO-Generalversammlung 2008. Die Corona-Pandemie und ihre verwickelten Folgen habe das Voranschreiten der Nationen heute allerdings an eine Weggabelung gebracht.

Die Staatengemeinschaft stehe vor zwei möglichen Wegen, erklärte der Papst. „Der eine führt zur Stärkung des Multilateralismus, Ausdruck einer erneuerten Mitverantwortung in der Welt, einer Solidarität, die auf Gerechtigkeit und der Verwirklichung des Friedens und der Einheit der Menschheitsfamilie, Gottes Plan für die Welt, beruht; der andere begünstigt Haltungen der Selbstgenügsamkeit, des Nationalismus, des Protektionismus, des Individualismus und der Isolation”, so Franziskus. Dieser zweite Weg schließe die Ärmsten, die Schwächsten, die Bewohner der existentiellen Peripherien aus. Der Papst urteilt: „Dies darf sich nicht durchsetzen.”

Technologie gut, sofern sie dem Menschen dient

Die Coronakrise zeige, dass Solidarität „nicht bloß ein Wort oder ein leeres Versprechen sein kann”. Um mehr Gerechtigkeit zu schaffen, müsse man „das dominierende wirtschaftliche Paradigma ändern, das nur versucht, die Einkünfte der Unternehmen zu erhöhen”, auch dank neuer Technologien. Technologischer Fortschritt sei „nützlich und nötig”, solange er dafür sorge, dass die Arbeit der Personen „würdiger, sicherer, weniger belastend und anstrengend” wird, so der Papst. Ein Umdenken erfordere allerdings einen starken ethischen Rahmen, der die „Kultur des Wegwerfens” überwinden könne.

Franziskus sagte, es sei schmerzhaft zu sehen, „wieviele grundlegende Rechte weiterhin straflos verweigert” würden. Namentlich kritisierte er die Verfolgung religiöser Minderheiten und zunehmende Attacken auf Zivilisten, Schulen, Krankenhäuser und Infrastruktur. Hart ins Gericht ging der Papst auch mit der Praxis, Migranten und Flüchtlinge noch vor ihrer Ankunft in sicheren Regionen abzuweisen und zurückzudrängen. „Tausende werden auf See abgefangen und gewaltsam in Gefangenenlager zurückgeschickt, wo sie Folter und Misshandlungen erdulden müssen. Viele von ihnen sind Opfer von Menschenhandel, sexueller Sklaverei oder Zwangsarbeit, ausgebeutet in demütigenden Aufgaben, ohne einen fairen Lohn. All dies ist unerträglich, aber heute ist es eine Realität, die viele Menschen absichtlich ignorieren!”, beanstandete der Papst. Zwar versuche die UNO, diesen Menschen mit internationalen Abkommen zu helfen. Doch fehle es diesen Verträgen entweder an politischer Unterstützung oder am Verantwortungsbewusstsein der einzelnen Staaten.

Zum Nachhören

„Die Internationale Gemeinschaft muss sich bemühen, der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen“

Die gegenwärtige Krise sei aber auch eine Chance für die UNO, eine bessere Gesellschaft hervorzubringen, sagte der Papst. Erster Punkt: „Die Internationale Gemeinschaft muss sich bemühen, der wirtschaftlichen Ungerechtigkeit ein Ende zu setzen.” Wohlhabende Länder forderte Franziskus abermals dazu auf, den ärmeren ihre Schulden ganz oder teilweise zu erlassen. Die Staatengemeinschaft müsse auch mehr dafür tun, Steuerschlupflöcher zu schließen, Hinterziehung zu vermeiden und Geldwäsche zu bekämpfen, die alle drei die Gesellschaft bestehlen; und die Nationen müssen Recht und Gemeinwohl über die Interessen der mächtigsten Unternehmen und Konzerne stellen. „Das ist die rechte Zeit, die internationale Finanzarchitektur zu erneuern.”

Umwelt und Klima

In der Umwelt- und Klimafrage habe sich in den fünf Jahren seit dem Pariser Klimaabkommen zu wenig getan, vermerkte Franziskus. Sicherlich sei es gut, dass das Problembewusstsein gewachsen sei, das genüge aber nicht. Man müssse sich ernsthaft fragen, ob es einen politischen Willen gebe, mehr menschliche, finanzielle und technologische Ressourcen zur Milderung der Folgen des Klimawandels einzusetzen und ärmeren Bevölkerungen zu helfen, die diese Folgen hauptsächlich spüren.

Papst an UNO: Nein zur Abtreibung

Franziskus bekräftigte an diesem Punkt das Nein der katholischen Kirche zur Abtreibung. „Leider fördern Länder und internationale Institutionen die Abtreibung als eine der sogenannten ,wesentlichen Dienstleistungen´ im Rahmen der humanitären Hilfe. Es ist traurig zu sehen, wie einfach und bequem es für manche geworden ist, die Existenz des Lebens als Lösung für Probleme zu leugnen, die sowohl für die Mutter als auch für das ungeborene Kind gelöst werden können und müssen”, sagte der Papst.

Franziskus zitiert Malala

Stattdessen wolle er an die Zivilbehörden appellieren, jenen Kindern besondere Aufmerksamkeit zu schenken, denen ihre Grundrechte und ihre Würde verweigert würden, insbesondere ihr Recht auf Leben und Bildung. Und er zitierte die junge pakistanische Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, „die uns vor fünf Jahren in der Generalversammlung daran erinnerte, dass ,ein Kind, ein Lehrer, ein Buch und ein Stift die Welt verändern können´".

Aufrüstung: Klima des Misstrauens aufbrechen

Unter den Hauptbedrohungen für Frieden und Sicherheit nannte Franziskus Armut, Seuchen, Terrorismus und Aufrüstung. Die Staatengemeinschaft müsse sich fragen, „ob diese Geißeln der Menschheit wirksam bekämpft werden können, wenn die Aufrüstung einschließlich der Atomwaffen weiterhin wertvolle Ressourcen verschwendet, die besser eingesetzt wären zugunsten der ganzheitlichen Entwicklung der Völker und im Umweltschutz.”

Hier müsse es gelingen, das „Klima des Misstrauens zu durchbrechen”, empfahl der Papst. Er bescheinigte an diesem Punkt eine „Erosion des Multilateralismus”, was angesichts neuer tödlicher Militärtechnologien noch dramatischer sei. „Wir müssen die perversen Logiken aufbrechen, die dem Waffenbesitz persönliche und soziale Sicherheit zuschreiben. Solche Logiken dienen nur dazu, die Profite der Kriegsindustrie zu steigern und ein Klima des Misstrauens und der Angst unter den Menschen und Völkern zu schüren.”

Weltsicherheitsrat braucht „mehr Eintracht und Entschiedenheit"

Die Welt im Konflikt brauche die Vereinten Nationen als Friedenswerkstatt, unterstrich der Papst. Die Mitglieder im Weltsicherheitsrat, „vor allem die ständigen, müssen mit mehr Eintracht und Entschiedenheit handeln”. Lob zollte Franziskus dem Vorstoß der Vereinten Nationen zu einem globalen Waffenstillstand während der Corona-Pandemie; der Papst hatte die Initiative des UNO-Generlasekretärs António Guterres mehrfach öffentlich unterstützt.

Aus einer Krise, so der Papst abschließend, komme man entweder besser oder schlechter als zuvor heraus. Franziskus empfahl nochmals mit Nachdruck eine Stärkung der multilateralen Politik statt eines kollektiven Versinkens in einzelstaatlichen Strategien.

„Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir nicht ohne einander, oder schlimmer noch, gegeneinander leben können“

„Die Pandemie hat uns gezeigt, dass wir nicht ohne einander, oder schlimmer noch, gegeneinander leben können. Die Vereinten Nationen wurden geschaffen, um die Nationen zu vereinen, um sie als Brücke zwischen den Völkern einander näher zu bringen; nutzen wir sie, um die Herausforderung, vor der wir stehen, in eine Gelegenheit zu verwandeln, um erneut gemeinsam die Zukunft aufzubauen, die wir wollen.”

(vatican news – gs)

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25. September 2020, 15:56