Benedikt XVI. bei der Seligsprechung Newmans in Birmingham, 19. September 2010 Benedikt XVI. bei der Seligsprechung Newmans in Birmingham, 19. September 2010 

Vor zehn Jahren: Benedikt XVI. in Großbritannien

Sie wirken wie Bilder aus einem anderen Jahrhundert, dabei ist es erst zehn Jahre her: Im September 2010 besuchte der deutsche Papst Benedikt XVI. Großbritannien – lange vor dem Brexit. Kardinal Vincent Nichols von Westminster erinnert sich.

„Das war ein bemerkenswertes Ereignis – bemerkenswert in vielerlei Hinsicht“, sagt Nichols über die Visite. Benedikt kam nach Großbritannien, um John Henry Newman seligzusprechen – und er entschied, zunächst die schottische Hauptstadt Edinburgh zu besuchen. „Denn er wollte als allererstes die Queen grüßen, und das war eine sehr weise Entscheidung, weil es den ganzen Besuch in dieses Licht gestellt hat. Die herzliche Begrüßung durch die Queen setzte sich im ganzen Land fort, und die Kritik und der Ärger, die zwei Wochen lang von einigen angesichts der Reise geäußert worden waren, verstummten.“

Benedikt habe keineswegs wie „Gottes Rottweiler“ gewirkt – eher wie ein netter Großvater. „Wir erlebten seine Höflichkeit, seine Freundlichkeit, seinen scharfen Verstand und seine Offenheit allen gegenüber, die er traf.“

Kardinal Nichols - hier im Gespräch mit Prinz Charles
Kardinal Nichols - hier im Gespräch mit Prinz Charles

„Ich hätte nie damit gerechnet, einmal so etwas zu sehen“

Er erinnere sich noch an eine ganze Reihe von „Highlights“, erzählt Kardinal Nichols. „Zum Beispiel, als wir die Mall hinunterfuhren in Richtung Buckingham Palast. Sie war auf beiden Seiten mit päpstlichen und britischen Flaggen geschmückt, und voll von Menschen auf beiden Seiten. Ich hätte nie damit gerechnet, einmal so etwas zu sehen. Wirklich eine warme Begrüßung für den römischen Papst in einem Land, das in den letzten 400 Jahren doch sehr mit seinem Verhältnis zur katholischen Kirche gekämpft hat.“

In dieser Hinsicht sei es nach seinem Dafürhalten auch „wie das Heilen einer tiefen Wunde“ gewesen, als Benedikt Seite an Seite mit dem anglikanischen Primas von Canterbury in der Westminster Abbey gebetet habe. Vor allem aber sind für Kardinal Nichols die persönlichen Momente, die er mit Benedikt XVI. erlebte, in der Rückschau besonders wertvoll.

Benedikt mit dem anglikanischen Primas Rowan Williams
Benedikt mit dem anglikanischen Primas Rowan Williams

Benedikts letzte Nacht der Proms

„Ich sagte zum Papst: Wir fahren jetzt in den Hyde-Park, und da nutzen wir dann dieselbe Bühne, die vor einer Woche für die Proms, für Musik genutzt wurde. Heute geht es nicht um Musik, sondern um Gebet, sagte ich. Und er meinte zu mir: Aber Musik ist doch Gebet, wissen Sie – Musik ist auch Gebet!“

In einem Altersheim in Vauxhall – das ist auch so eine schöne Erinnerung von Kardinal Nichols – habe sich Benedikt XVI. mitten unter die alten Menschen gesetzt. „Er hatte kein Problem damit, selbst als jemand gesehen zu werden, der in dieser letzten Lebensphase ist.“

„Wenn ich heute an diese Worte denke – wie schrill manche politischen Debatten geworden sind!“

Vor allem aber – das ist bei diesem Theologenpapst nicht wirklich überraschend – stelle das, was Benedikt während seiner Reise in seinen Predigten und Ansprachen gesagt habe, ein wichtiges Erbe dar, das auch heute noch fortwirke. Etwa seine Rede über das Zueinander von Glaube und Vernunft an die britische Politik und Gesellschaft in der Londoner „Westminster Hall“.

„Er hat an die große parlamentarische Tradition dieses Landes appelliert, die ihre Wurzeln immer in einem rationalen und abgewogenen Diskurs hatte. Wenn ich heute an diese Worte denke – wie schrill manche politischen Debatten geworden sind! Und wie dieses Potential eines fruchtbaren Dialogs von Glaube und Vernunft untergraben wird, wenn Politik in den sozialen Medien auf Tweet-Länge verkürzt wird! Da wird vieles von dem, was zum Besten unserer Traditionen hier gehört, untergraben… Also, sein Appell bleibt aktuell: Wir sollen nicht dem schrillen, rohen Ton in der öffentlichen Debatte dieser Tage verfallen, sondern rational, höflich und anderen gegenüber respektvoll bleiben.“

 Die katholische Westminster Cathedral in London
Die katholische Westminster Cathedral in London
Zum Nachhören

Der Kardinal will dem emeritierten Papst schreiben

Gerade der abgewogene Stil der Papstrede in der „Westminster Hall“ lasse die Kirche auch in den heutigen Aufgeregtheiten in Großbritannien als besonnene Stimme wirken.

„Also, ich werde an Papst Benedikt schreiben, um ihm für seinen Besuch zu danken und für die Gaben, die er uns gebracht hat – vor allem für die Seligsprechung von Kardinal John Henry Newman an diesem herrlichen Tag in Birmingham. Mittlerweile ist Newman ja heiliggesprochen – zur großen Genugtuung Benedikts, wie ich weiß… Ich werde ihm auch ein Buch mit Meditationen Newmans schicken; ich glaube, daran wird ihm viel liegen, und es wird ihm hoffentlich viele schöne Erinnerungen an seine Reise zurückbringen, so wie das bei mir auch der Fall ist…“

Der emeritierte Papst sei „ein Gentleman durch und durch“, sagt Kardinal Nichols noch. Und „von ganzem Herzen ein Gelehrter und ein Hirte“. „Und jetzt, wo wir wissen, dass seine Gesundheit immer schlechter wird, ist er auch durch und durch ein Mann Gottes, der dem Herrn nahe ist und ihm immer demütig dient…“

(vatican news – sk)
 

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16. September 2020, 11:29