Papst bei Generalaudienz: Hüter, nicht Ausbeuter der Schöpfung sein

Betrachtung und Fürsorge: von diesen zwei Haltungen müsse die Beziehung zwischen Mensch und Schöpfung geprägt sein, wenn wir die Schöpfung nicht im Namen des Profits zerstören wollen. Nur wahre „Hüter“ des gemeinsamen Hauses, des Lebens und der Hoffnung könnten das Erbe, das uns Gott anvertraut hat, auch für die zukünftigen Generationen bewahren. Das stellte Papst Franziskus bei der Generalaudienz an diesem Mittwoch heraus, in der er seine Katechesenreihe zur Post-Covid-Zeit fortführte.

Silvia Kritzenberger - Vatikanstadt

Am Beispiel der Pflegeberufe, die – nicht nur in Pandemie-Zeiten – eine wesentliche Rolle für unsere Gesellschaft spielen, beschrieb der Papst die Sendung zur Sorge und Fürsorge, zu der wir alle gerufen sind. „Fürsorge ist eine goldene Regel unseres Menschseins; eine Haltung, die Gesundheit und Hoffnung bringt. Sich um die Kranken, die Bedürftigen, die Ausgegrenzten zu kümmern, ist ein menschlicher und auch christlicher Reichtum“, leitete der Papst seine Katechese ein.

Zum Nachhören

„Sich um die Kranken, die Bedürftigen, die an Ausgegrenzten kümmern, ist menschlicher und auch christlicher Reichtum“

Eben solche Fürsorge müsse auch unserem gemeinsamen Haus gelten: der Erde und jedem Geschöpf.

„Alles Leben steht in einem tiefen gegenseitigen Zusammenhang und unsere Gesundheit hängt von der Gesundheit der Ökosysteme ab, die Gott geschaffen und die zu hüten er uns aufgetragen hat. Der Missbrauch der Schöpfung ist daher eine schwere Sünde,“

resümierte der Papst und zeigte auch gleich einen Ausweg auf: 

„Das beste Gegenmittel gegen diesen Missbrauch unseres gemeinsamen Hauses ist eine kontemplative Betrachtungsweise. Warum gibt es keine Impfung dafür, für die Sorge um das gemeinsame Haus, damit es nicht verfällt? Was ist das Gegengift gegen die Krankheit, sich nicht um das gemeinsame Haus zu kümmern? Es ist die Betrachtung, die Meditation! Wenn jemand nicht lernt innezuhalten, um das Schöne wahrzunehmen und zu würdigen, ist es nicht verwunderlich, dass sich für ihn alles in einen Gegenstand verwandelt, den er gebrauchen oder skrupellos missbrauchen kann.“

„Die Erde, die Schöpfung als Gabe ansehen, nicht als etwas, das ich für meinen Profit ausbeuten kann“

Das Schöne betrachten, nicht ausbeuten

Allen Geschöpfen käme von Gott her ein innerer Wert zu, unabhängig von unserer Bewertung, gab Franziskus zu bedenken. Eine solche Betrachtungsweise bewahre uns auch vor einem hochmütigen Anthropozentrismus, der den Menschen absolut setze und früher oder später dazu führe, dass er den Platz Gottes einnehmen wolle.

„Deshalb ist es ja auch so wichtig, dass wir diese kontemplative Dimension wiederfinden. Die Erde, die Schöpfung als Gabe ansehen, nicht als etwas, das ich für meinen Profit ausbeuten kann, nein!“ warnte Franziskus. „Die Betrachtung lässt uns in den anderen und in der Natur etwas viel Größeres sehen als nur ihren Nutzen. Das ist der Kern des Problems: Betrachten und über den Nutzen einer Sache hinausgehen. Das Schöne zu betrachten bedeutet nicht, es auszubeuten.“

Die Betrachtung lasse uns aus Gottes Perspektive – das heißt: voll Liebe und Wohlwollen – auf seine Schöpfung schauen und entsprechend sorgsam mit ihr umgehen, führte Franziskus weiter aus.

„Wer sich der Betrachtung verschrieben hat, der neigt dazu, sich zum Hüter der Umwelt zu machen – jeder von uns sollte Hüter der Umwelt, der Reinheit der Umwelt sein! –, indem er versucht, von jahrtausendealten Kulturen überliefertes Wissen mit modernem technischen Know-how zu verbinden, damit unser Lebensstil nachhaltig wird.“

Betrachtung und Fürsorge: Diese zwei Haltungen zeigten den Weg auf, der die Beziehung zwischen Mensch und Schöpfung korrigiere und ihr ein neues Gleichgewicht gebe. Oft aber würden wir eine geradezu feindliche Haltung zur Schöpfung haben, die Schöpfung im Namen unseres Profits zerstören. Dabei gelte es doch, das Erbe, das Gott uns anvertraut hat, zu hüten, damit sich auch künftige Generationen daran erfreuen können, so Franziskus. 

Diese Verantwortung, die über unsere eigenen egoistischen Interessen hinausginge, dürfe niemand von sich abwälzen, betonte der Papst und zitierte mit einem spontanen Einschub den protestantischen Theologen Dietrich Bonhoeffer: „Das Problem ist nicht, wie du heute so durchkommst. Das Problem ist: Worin wird das Erbe bestehen, das Leben der künftigen Generationen? Denken wir an die Kinder, die Enkel: Was hinterlassen wir ihnen, wir, die wir die Schöpfung ausbeuten?“

Die Sorge um die Schöpfung: eine Verantwortung, die uns alle betrifft

Und hierbei stünden wir alle in der Pflicht, mahnte Franziskus. Das, was Aufgabe eines jeden Menschen sei, dürfe nicht an einige wenige delegiert werden.

Abschließend gab der Papst den Gläubigen noch folgenden Denkanstoß mit auf den Weg:

„Gehen wir diesen Weg, indem wir zu „Hütern“ des gemeinsamen Hauses werden, Hütern des Lebens und der Hoffnung. Solche Hüter hüten das Erbe, das Gott uns anvertraut hat, damit sich auch die zukünftigen Generationen daran erfreuen können. Ich denke dabei besonders an die indigenen Völker, denen wir alle zu Dank verpflichtet sind – und auch zu Buße, um das Böse, das wir ihnen angetan haben, zu sühnen. Und ich denke auch an die Bewegungen, Vereinigungen und Volksgruppen, die sich für den Schutz ihres Territoriums, seiner natürlichen und kulturellen Werte einsetzen. Diese sozialen Realitäten werden nicht immer geschätzt, ja manchmal behindert man sie sogar, weil sie keinen Gewinn machen; in Wahrheit aber tragen sie zu einer friedlichen Revolution bei. Wir können sie ,Revolution, die Heilung bringt`, nennen: Betrachten, um zu heilen, um zu hüten, um der künftigen Generation ein Erbe zu hinterlassen.“

Das Bild des „Hüters“ bei Franziskus

Das Bild des „Hütens“ kommt bei Franziskus immer wieder vor. „Hüten wir Christus in unserem Leben, um die anderen zu behüten, um die Schöpfung zu bewahren,“ hatte er schon in der Predigt zu seiner Amtseinführung am 19. April 2013 gesagt: ein Bekenntnis zum Schutz der Umwelt. Als erster Papst der Geschichte sollte Franziskus ein paar Jahre später auch eine Enzyklika zum Thema Schöpfung schreiben: Laudato si ‘.

(vatican news)
 

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16. September 2020, 12:23