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In Zeiten von Corona hält Papst Franziskus die Generalaudienz ohne physisch anwesende Gläubige im Apostolischen Palast In Zeiten von Corona hält Papst Franziskus die Generalaudienz ohne physisch anwesende Gläubige im Apostolischen Palast  

Im Wortlaut: Papst Franziskus bei der Generalaudienz

Wir dokumentieren hier in einer Arbeitsübersetzung die Katechese, die Papst Franziskus am Mittwoch, den 27. Mai bei der Generalaudienz gehalten hat.

Die offizielle Fassung finden Sie in Kürze auf der offiziellen Homepage des Vatikans.

Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Widmen wir die Katechese heute dem Gebet der Gerechten.

Gottes Plan für die Menschheit ist gut, aber in unserem täglichen Leben erfahren wir die Gegenwart des Bösen - das ist eine alltägliche Erfahrung. Die ersten Kapitel des Buches Genesis beschreiben die fortschreitende Ausbreitung der Sünde unter der Menschheit. Adam und Eva (vgl. Gen 3,1-7) zweifeln an Gottes guten Absichten; sie glauben, es mit einer neidischen Gottheit zu tun zu haben, die ihnen ihr Glück missgönnt. Daher die Rebellion: Sie glauben nicht mehr an einen großzügigen Schöpfer, der wünscht, dass sie glücklich sind. Ihr Herz, das der Versuchung des Bösen nachgibt, wird vom Allmachtswahn erfasst: „Wenn wir von der Frucht des Baumes essen, werden wir wie Gott“ (vgl. Vers 5). Und das ist die Versuchung, das ist der Ehrgeiz, der sich im Herzen breitmacht. Aber die Erfahrung geht in die entgegengesetzte Richtung: ihnen gehen die Augen auf und sie erkennen, dass sie nackt sind (V. 7), ohne alles. Vergesst das nicht: Der Versucher ist ein schlechter Zahler...

Ich denke an die menschliche Bruderschaft heute: Kriege überall!

Und das Böse macht sich in der zweiten Generation der Menschen noch stärker spürbar: mit der Geschichte von Kain und Abel (vgl. Gen 4,1-16). Kain ist neidisch auf seinen Bruder - da ist der Wurm des Neides. Obwohl er der Erstgeborene ist, sieht er in Abel einen Rivalen, der seine Vorrangstellung untergräbt. Das Böse nimmt von seinem Herzen Besitz, und Kain ist unfähig, es zu beherrschen. Das Böse tritt in sein Herz ein: Die Gedanken fangen an, den anderen verdächtig zu finden... Das ist ein böser Kerl, er wird mir Schlechtes tun - dieser Gedanke tritt ins Herz ein... Und so endet die Geschichte der ersten Bruderschaft mit einem Mord. Ich denke an die menschliche Bruderschaft heute: Kriege überall!

Mit den Nachkommen Kains verbreiten sich Handwerk und Kunst, aber auch die Gewalt, die im finsteren Gesang des Lamech zum Ausdruck kommt, der wie ein Rache-Hymnus klingt: „Ja, einen Mann erschlage ich für meine Wunde und ein Kind für meine Strieme  [...] Wird Kain siebenfach gerächt, dann Lamech siebenundsiebzigfach“ (Gen 4,23-24). Die Rache: Er hat mir das getan, dafür wird er bezahlen... Aber das sagt nicht der Richter, das sage ich. Und ich werfe mich in dieser Lage zum Richter auf. Und so breitet sich das Böse wie Ölflecken aus, die schon bald die ganze Leinwand bedecken: „Der HERR sah, dass auf der Erde die Bosheit des Menschen zunahm und dass alles Sinnen und Trachten seines Herzens immer nur böse war“ (Gen 6,5). Wie aus der Sintflut (Kap. 6-7) und dem Turmbau zu Babel (Kap. 11) deutlich wird, wurde das Bedürfnis nach einem Neuanfang, einer neuen Schöpfung, immer dringlicher, das in Jesus Christus seine Erfüllung finden sollte.

„Herr, bitte, rette mich vor mir selbst“

Und doch steht auf diesen ersten Seiten der Bibel auch eine andere Geschichte geschrieben, eine weniger spektakuläre; eine, die voller Demut und Hingabe ist und von der Hoffnung spricht, die befreit. Wenn auch fast alle ein unmenschliches Verhalten an den Tag legen, Hass und Machtgier zum Motor machen, der die Geschicke des Menschen lenkt, so gibt es doch auch Menschen, die in der Lage sind, aufrichtig zu Gott zu beten und das Schicksal der Menschen neu zu schreiben. Abel bringt Gott ein Erstlingsopfer dar. Nach seinem Tod bekamen Adam und Eva ein drittes Kind, Set, dem Enosch geboren wurde (was „sterblich“ bedeutet). „Damals fing man an, den Namen des HERRN anzurufen“, heißt es (4,26). Dann kam Henoch, der „mit Gott ging“ und in den Himmel entführt wird (vgl. 5,22.24). Und schließlich gibt es da noch die Geschichte des Noach: ein gerechter, untadeliger Mann, der „mit Gott ging“ (6,9) und durch seinen frommen Lebenswandel die Vernichtung der Menschheit abwendet (vgl. 6,7-8).

Wenn man diese Geschichten liest, hat man den Eindruck, dass das Gebet der Schutzwall, die Zuflucht ist, die den Menschen vor der Welle des Bösen schützt, die sich über die Welt ergießt. Genau genommen beten wir auch darum, vor uns selbst gerettet zu werden. Es ist wichtig, zu beten: Herr, bitte, rette mich vor mir selbst, vor meinem Ehrgeiz, meiner Leidenschaft... Die Beter auf den ersten Seiten der Bibel sind Männer des Friedens: In der Tat ist das Gebet, wenn es authentisch ist, frei von Instinkten der Gewalt; es ist ein Blick, der sich auf Gott richtet und ihn anfleht, sich wieder der Herzen der Menschen anzunehmen. Im Katechismus lesen wir: „Diese Art des Gebetes wird von vielen Gerechten aller Religionen gepflegt“ (KKK, 2569). Das Gebet lässt blühende Gärten der Wiedergeburt an Orten entstehen, wo der Mensch mit seinem Hass nur die Wüste vergrößert hat. Und das Gebet ist mächtig, denn es zieht die Kraft Gottes an, und die Kraft Gottes gibt immer Leben, immer. Er ist der Gott des Lebens, er lässt wiederaufleben.

Der Atheist und seine Großmutter

Deshalb durchzieht die Herrschaft des Herrn über die Kette dieser oftmals ausgegrenzten und missverstandenen Gerechten die Geschichte der Menschheit. Aber die Welt lebt und wächst dank der Kraft Gottes, die diese Diener Gottes mit ihren Gebeten anziehen. Sie sind eine Kette, die kein Aufsehen erregt, es nur selten in die Schlagzeilen schafft, und die doch so wichtig dafür ist, der Welt wieder Zuversicht zu schenken!

Ich erinnere mich an die Geschichte eines Mannes, eines wichtigen Regierungschefs (nicht von heute, sondern aus früherer Zeit). Ein Atheist, der keinen Sinn für das Religiöse im Herzen hatte, aber als Kind mitbekommen hatte, wie die Großmutter betete - das ist ihm im Herzen geblieben. Und in einem schwierigen Moment seines Lebens hat er sich wieder daran erinnert und gesagt: Aber meine Großmutter betete... Und so fing er an, mit den Formeln der Großmutter zu beten - und so hat er Christus gefunden. Das Gebet ist eine Kette des Lebens, immer - so viele Männer und Frauen, die beten und Leben aussäen. Das Gebet sät Leben aus, das kleine Gebet - darum ist es so wichtig, Kindern das Beten beizubringen. 

„Die ersten Gebete, die man als Kind lernt, bleiben einem im Herzen“

Mich schmerzt es, wenn ich Kinder sehe, die noch nicht einmal das Kreuzzeichen schlagen können. Man muss ihnen zeigen, wie man das Kreuzzeichen richtig schlägt, denn das ist das erste Gebet! Es ist wichtig, dass Kinder lernen zu beten. Später mögen sie es wieder vergessen und einen anderen Weg einschlagen, aber die ersten Gebete, die man als Kind lernt, bleiben einem im Herzen, denn sie sind ein Same des Lebens, der Same des Dialogs mit Gott.

Gottes Weg in der Geschichte Gottes ist über sie verlaufen: er ist über einen „Rest“ der Menschheit verlaufen, der sich nicht dem Gesetz des Stärkeren unterworfen, sondern Gott gebeten hat, seine Wunder zu vollbringen und vor allem unser Herz von Stein in ein Herz von Fleisch zu verwandeln (vgl. Ez 36,26). Und dabei hilft das Gebet, denn das Gebet öffnet die Tür zu Gott. Es verwandelt unsere Herzen, die so oft steinern sind, in menschliche Herzen. Und wir brauchen so viel Menschlichkeit! Mit Menschlichkeit betet es sich gut.

(vatican news - skr/sk)

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27. Mai 2020, 08:59