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Der Karfreitagskreuzweg auf dem Petersplatz Der Karfreitagskreuzweg auf dem Petersplatz

Kreuzweg mit dem Papst: Von der Via Crucis zur Via Lucis

Seit 1964 findet der Kreuzweg mit dem Papst am Karfreitagabend beim Kolosseum im Zentrum Roms statt. Doch dieses Jahr waren die 14 Kreuzweg-Stationen aufgrund der Corona-Pandemie auf einen fast völlig menschenleeren Petersplatz verlegt worden - und Franziskus verzichtete auf seine sonst übliche Ansprache zum Schluss. Hoffnung schimmerte dennoch immer wieder durch.

Stefanie Stahlhofen – Vatikanstadt

Papst Franziskus fast ganz allein auf dem Sagrato vor dem Petersdom, vor ihm der Petersplatz in seiner ganzen Weite: diese Via Crucis war anders, als gewohnt - aber deshalb nicht weniger ergreifend. Um den Obelisk in der Mitte Fackeln im Kreis, von dort führte der Kreuzweg dann Richtung Petersdom und Papst. Die eindringlichen Meditationen kamen dieses Jahr aus einer italienischen Haftanstalt, es waren Betrachtungen aus dem Gefängnis von Padua

„Im Gefängnis besteht die wahre Verzweiflung in dem Gefühl, dass nichts in deinem Leben mehr Sinn hat. Dies ist der Höhepunkt des Leidens, du fühlst dich als der einsamste aller einsamen Menschen auf der Welt. Es stimmt, dass ich innerlich zerbrochen bin; aber das Schöne ist, dass all diese Bruchstücke wieder zusammengesetzt werden können. Das ist nicht einfach, es ist jedoch das Einzige, was hier drinnen noch von Bedeutung ist“, so ein Häftling zur 9. Station, als Jesus zum dritten Mal unter dem Kreuz fällt.

Der Kreuzweg mit deutschem Kommentar zum Nachschauen

Sämtliche Texte wurden durch den Lektor Orazio Coclite anonymisiert vorgetragen – die Stimme eines Einzelnen als Stimme aller.  Eine weitere Kreuzwegstation interpretierte die Mutter eines Häftlings - parallel zur Situation, in der Jesus seine Mutter traf. Die Mutter des Häftlings sagt, mit ihm sei die ganze Familie in den Knast gegangen, aber ihren Sohn im Stich zu lassen sei für sie, wie für die Gottesmutter Maria, nie in Frage  gekommen:

„Nur Maria kann ich meine Ängste anvertrauen“

„Ich spüre die Nähe der Gottesmutter. Sie hilft mir, nicht von der Verzweiflung erdrückt zu werden und die Bosheit zu ertragen. Ich habe ihr meinen Sohn anvertraut. Nur Maria kann ich meine Ängste anvertrauen, die auch sie beim Aufstieg auf den Kalvarienberg gespürt hat. In ihrem Herzen wusste sie, dass ihr Sohn keine Chance gegen die Bosheit der Menschen haben würde, aber sie ließ ihn nicht im Stich. Sie stand da, teilte seinen Schmerz und leistete ihm mit ihrer Anwesenheit Gesellschaft. Ich stelle mir vor, dass Jesus, wenn er aufsah, ihrem liebevollen Blick begegnete und sich nie allein fühlte.“

Hier im Audio

Ähnlich schimmerte auch in anderen Meditationen trotz allen Leids immer wieder die österliche Hoffnung durch, selbst in Situationen, in denen dies kaum vorstellbar scheint - etwa in der Betrachtung einer Familie, deren Tochter ermordet wurde; oder in jener der Tochter, deren Vater zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Die Via Crucis als Via Lucis  – Kreuzweg zum Weg des Lichtes - so hatte es auch Lektor eingangs mit einem Zitat des Papstes auf den Punkt gebracht:

„Die Dynamik des Guten erkennen und ihr Raum geben“

„Auch wenn wir vom Bösen erzählen, können wir lernen, Raum für die Erlösung zu lassen, können wir inmitten des Bösen auch die Dynamik des Guten erkennen und ihr Raum geben.“

Auch der Petersplatz lag dementsprechend nicht völlig im Dunkeln - er wurde nicht nur durch den Fackelschein, sondern auch von zahlreichen Leds in helles, aber nicht grelles, Licht getaucht. Die Leidensgeschichte Jesu und ihre persönlichen Kreuzwege verknüpften dieses Jahr bei der Via Crucis auch eine Gefängnispädagogin, ein Richter, eine Katechetin, ein ehrenamtlich im Gefängnis tätiger Ordensmann, ein Justizvollzugsbeamter - und ein Priester, der zunächst des Missbrauchs angeklagt und schließlich nach einem acht Jahre dauernden Prozess freigesprochen wurde. Von ihm stammte der Text zur 11. Station, in der Jesus ans Kreuz genagelt wird:

„Jedes Mal suchte ich vor Gericht nach dem Kruzifix an der Wand. Dort schaute ich hin, während das Gesetz meinen Fall untersuchte. Aufgrund der Schande kam ich für einen Moment auch auf den Gedanken, dass es besser wäre, meinem Leben ein Ende zu setzen. Doch dann beschloss ich, der Priester zu bleiben, der ich immer gewesen war. Ich habe nie daran gedacht, den Kreuzweg abzukürzen, auch dann nicht, als das Gesetz mir die Möglichkeit dazu bot.“

Die Gekreuzigten dieser Pandemie

Auch in der Corona-Pandemie gibt es sie,  diejenigen, die ihren Kreuzweg nicht abkürzen, sondern „ihr Leben geben, um anderen zu helfen.“ Sie seien „Gekreuzigte, die aus Liebe für andere sterben“, hatte Papst Franziskus am Karfreitagnachmittag gesagt. Er rief live in einer italienischen Fernsehsondersendung zum Karfreitag an und würdigte dort „die Gekreuzigten dieser Pandemie: Ärzte und Ärztinnen, Krankenschwestern, Pfleger und Pflegerinnen, Ordensschwestern und Priester...gefallen im Kampf gegen das Virus, wie Soldaten an der Front.“

Gläubig ausharren in der dunklen Nacht der Prüfung

Beim Kreuzweg am Abend ging der Papst hingegen nicht explizit auf die Corona-Pandemie ein. Einige der Kämpfer an der Front waren jedoch stellvertretend auch bei der Via Crucis auf dem Petersplatz präsent: Das Kreuz trugen auch Mitarbeiter des vatikanischen Gesundheitsamts. Wer wollte, konnte auch das Gebet des Papstes zur 11-Kreuzweg-Station auf Corona beziehen:

„Gott, du Quelle der Barmherzigkeit und der Vergebung, du offenbarst dich in den Leiden der Menschheit. Erleuchte uns mit der Gnade, die aus den Wunden deines gekreuzigten Sohnes hervortritt, und lass uns gläubig ausharren in der dunklen Nacht der Prüfung. Darum bitten wir durch Christus, unseren Herrn. Amen. “

Eindringlicher als Worte es hätten sein können, war vielleicht auch, dass Papst Franziskus dieses Mal auf eine kurze Ansprache zum Ende des Kreuzwegs am Karfreitag verzichtete. Er verharrte stattdessen einige Minuten in stillem Gebet. 

(vatican news - sst)

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10. April 2020, 22:55