Papst gedenkt der Passion Christi im leeren Petersdom

In einem fast leeren Petersdom hat Papst Franziskus an diesem Freitagnachmittag die Karfreitagsliturgie gefeiert, die an das Leiden und Sterben Christi erinnert. Wegen der Corona-Pandemie müssen alle Gottesdienste der Kar- und Ostertage auch im Vatikan weitgehend ohne physisch anwesendes Volk stattfinden. Der päpstliche Hausprediger Pater Raniero Cantalamessa wies in seiner Homilie die Vorstellung zurück, die Corona-Pandemie sei eine Strafe Gottes.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Der Petersdom fasst bis zu 60.000 Menschen, doch nur eine Handvoll konnten an diesem Karfreitag mit dem Papst die Feier vom Leiden und Sterben Christi begehen. Seit 10. März sind Petersdom und Petersplatz geschlossen, und selbst das höchste Fest der Christenheit, Ostern, ist im Vatikan wie anderswo von den Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung betroffen.

Die Liturgie am Karfreitag unterscheidet sich wesentlich von anderen Gottesdiensten. Sie findet nachmittags statt in Erinnerung an den Kreuzestod Jesu um 15 Uhr und beinhaltet lange Momente der Stille sowie eine Kreuzverehrung, aber keine Eucharistie. Mit verteilten Rollen wird die Passion Christi nach Johannes verkündet.

Akt der Kreuzverehrung vor dem Pest-Kruzifix

Nach dem schweigendem Einzug streckte sich Papst Franziskus, wie von der Karfreitagsliturgie vorgesehen, als Zeichen äußerster Demut auf den Boden der Petersbasilika hin und verharrte im stillen Gebet vor dem verhüllten Pestkreuz aus der Kirche San Marcello. Das Kruzifix war in dieser von der Corona-Pandemie geprägten Fastenzeit auf Bitten von Papst Franziskus in den Vatikan verbracht worden und hat bei den Liturgien der Karwoche einen festen Platz.

Die Corona-Pandemie habe uns „schlagartig von der größten Gefahr befreit, der Einzelpersonen und die Menschheit seit jeher ausgesetzt sind: dem Allmachtswahn“, sagte der päpstliche Hausprediger Raniero Cantalamessa in seiner Homilie. Der Kapuziner entkräftete die auch heute noch in manchen katholischen Kreisen verbreitete Vorstellung, Gott schicke Epidemien oder Naturkatastrophen als Strafe für begangene Sünden. „Gott ist unser Verbündeter, nicht der Verbündete des Virus“, stellte Cantalamessa klar. „Wären diese Geißeln Strafen Gottes, ließe sich nicht erklären, warum sie gleichermaßen Gute und Böse treffen und warum die Armen gewöhnlich am meisten an den Folgen leiden. Sind sie größere Sünder als die anderen?“

„Gott ist unser Verbündeter, nicht der Verbündete des Virus“

Gott habe auch nicht den Tod seines Sohnes gewollt, um Gutes daraus zu ziehen, fuhr Cantalamessa fort. „Nein, er hat der menschlichen Freiheit einfach ihren Lauf gelassen, damit sie jedoch seinen Zwecken und nicht denen der Menschen dient. Dies gilt auch für Naturkatastrophen wie Erdbeben und Seuchen. Sie werden von ihm nicht herbeigeführt. Er hat der Natur auch eine Art von Freiheit gegeben, die sich natürlich qualitativ von der des Menschen unterscheidet, aber dennoch eine Form der Freiheit, sich nach ihren eigenen Gesetzen zu entwickeln. Er hat nicht eine vorprogrammierte Welt geschaffen, in der alles geplant ist. Es ist das, was einige ,Zufall´ nennen, aber die Bibel nennt es ,die Weisheit Gottes´.“

Wozu also führt die Weisheit Gottes in der Corona-Krise? Cantalamessa verwies auf gute Entwicklungen inmitten der Pandemie wie Solidarität und Geschwisterlichkeit. „Wann haben sich die Menschen aller Nationen im Gedächtnis der Menschheit jemals so vereint, so gleichberechtigt, so wenig im Konflikt gefühlt wie in diesem Moment des Schmerzes?“, fragte der Prediger. „Das Virus kennt keine Grenzen. In einem Augenblick hat es alle Barrieren und Unterscheidungen von Rasse, Nation, Religion, Reichtum und Macht niedergerissen.“ Wenn die Krise vorbei ist, sollte man nicht zu den alten Mustern zurückkehren, mahnte der Fastenprediger. Eine solche Rückkehr nach all den Opfern der Seuche wäre „die Rezession, die wir am meisten fürchten sollten“, so Cantalamessa.

Elfte Fürbitte wegen Corona

Wegen der Corona-Pandemie fügte der Vatikan in diesem Jahr eine zusätzliche, elfte Fürbitte in die Karfreitagsliturgie ein. In den katholischen Gottesdiensten der Welt wie auch im Petersdom wurde für alle jene gebetet, „die in diesen Wochen schwer erkrankt sind; für alle, die in Angst leben und füreinander Sorge tragen; für alle, die sich in Medizin und in Pflege um kranke Menschen kümmern; für die Forschenden, die nach Schutz und Heilmitteln suchen, und für alle, die Entscheidungen treffen müssen und im Einsatz sind für die Gesellschaft, aber auch für die vielen, die der Tod aus dem Leben gerissen hat.“

Beim Ritus der Kreuzverehrung am Karfreitag nähern sich im Petersdom üblicherweise Kardinäle, Bischöfe und Kurienverantwortliche in langer Prozession, um das Kruzifix zu küssen. Nicht nur, dass diesmal nur ein einziger Kardinal – Angelo Comastri als Erzpriester der Petersbasilika – an der Karfreitagsliturgie teilnehmen konnte: Akte der Verehrung wie der Kuss des Kreuzes sind in Zeiten der Seuche nicht angeraten. Einzig der Papst küsste an diesem Karfreitag das Pestkruzifix im Petersdom.

Ausblick

Nach der Feier vom Leiden und Sterben Christi im Petersdom stand am Karfreitagabend der Kreuzweg mit dem Papst auf dem Programm, der seit 1964 am römischen Kolosseum stattfindet. In diesem Jahr begeht Franziskus den Kreuzweg auf dem leeren Petersplatz. Am Samstagabend feiert er im Petersdom die Osternacht, am Sonntag die Ostermesse, danach spendet der Papst den „Urbi et Orbi". Diesen feierlichen Segen, der mit einem Ablass verbunden ist, hatte Franziskus bereits am 27. März nach einem Gebet auf dem Petersplatz erteilt. Üblicherweise spenden Päpste den Segen „Urbi et Orbi“ nur zu Ostern, zu Weihnachten und unmittelbar nach ihrer Wahl auf den Stuhl Petri.

(vatican news)

 

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10. April 2020, 18:55