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Papst Franziskus zelebriert die Heilige Messe in Sofia Papst Franziskus zelebriert die Heilige Messe in Sofia  

Papst an Bulgaren: Eine Revolution der Zärtlichkeit und des Dienstes

Gott ruft, Gott überrascht, Gott liebt. Diese drei grundlegenden christlichen Überzeugungen vertiefte der Papst in seiner Predigt an diesem Sonntagnachmittag. Mit zahlreichen Gläubigen feierte er die Heilige Messe auf dem zentralen Alexander-I.-Platz in der Hauptstadt Sofia.

Christine Seuss - Vatikanstadt

„Liebe Brüder und Schwestern, Christus ist auferstanden!“ Mit diesem traditionellen orthodoxen Gruß der Osterzeit begrüßte Franziskus bei seiner Predigt die rund 12.000 Gläubigen, die an der Heiligen Messe auf dem charakteristischen Hauptplatz von Sofia teilgenommen hatten. In seinen Überlegungen ging er vom Tagesevangelium aus, in dem der Evangelist Johannes beschreibt, wie sich der auferstandene Herr den verzagten Jüngern zum dritten Mal offenbart. Diese Szene helfe uns dabei, so der Papst, in die Freude über die Auferstehung „einzutauchen“:

„Der Herr lädt uns ein, andere damit anzustecken, indem er uns an drei wunderschöne Tatsachen, die unser Leben als Jünger Christi kennzeichnen, erinnert: Gott ruft, Gott überrascht, Gott liebt.“

„Die Last des Leidens, der Enttäuschung, ja sogar des Verrates war zu einem Stein geworden, der schwer von den Herzen der Jünger weggewälzt werden konnte“

Das Geschehen spiele sich an den Ufern des Sees Genezareth ab, also genau dort, wo Jesus Simon Petrus ursprünglich berufen hatte, erinnerte Franziskus. Und nun, „nach der Erfahrung, den Meister sterben zu sehen“ und trotz der Botschaft von der Auferstehung beschloss Petrus, zu seinem ursprünglichen Leben zurückzukehren, nämlich – gemeinsam mit den anderen Jüngern - fischen zu gehen:

„Es sieht aus, als würden sie einen Schritt zurück machen; Petrus nimmt die Netze wieder auf, die er wegen Jesus zurückgelassen hatte. Die Last des Leidens, der Enttäuschung, ja sogar des Verrates war zu einem Stein geworden, der schwer von den Herzen der Jünger weggewälzt werden konnte; sie waren noch von der Last der Schmerzen und der Schuld verwundet. Die gute Nachricht von der Auferstehung hatte keine Wurzeln in ihren Herzen geschlagen.“

Die „Psychologie des Grabes“

Und dies mache die Jünger anfällig dafür, in eine „Nostalgie der Vergangenheit“ zu verfallen, ähnlich wie es jedem von uns gehe, bei der Erfahrung von Scheitern und Leid entmutigt und antriebslos zurückzubleiben, so die Diagnose des Papstes.

„Das ist die Psychologie des Grabes, die alles resignierend hinnimmt und uns zu einer bittersüßen Traurigkeit hinzieht, die wie eine Motte jede Hoffnung anfrisst. So entsteht die größte Gefahr innerhalb einer Gemeinschaft: der graue Pragmatismus des Alltags, bei dem allem Anschein nach alles normal weiterläuft, aber sich in Wirklichkeit der Glaube abnützt und ins Schäbige abgleitet“, nahm Franziskus Bezug auf Evangelii gaudium (83), so wie überhaupt seine Predigt zahlreiche Verweise auf seine früheren Predigten und Apostolischen Schreiben aufwies.

„Der Herr wartet nicht auf ideale Situationen oder Stimmungen, sondern er schafft sie“

Doch genau hier, bei Petrus’ Scheitern, trete Jesus hinzu und beginne „von vorne“ mit seinem Jünger, indem er ihn mit seinem ursprünglichen Namen Simon anspreche: „Der Herr wartet nicht auf ideale Situationen oder Stimmungen, sondern er schafft sie.“ Dabei werde er nicht müde, uns immer wieder aufs Neue zu rufen und uns auf diese Weise Hoffnung für unsere eigene Zukunft einzuflößen, betonte Franziskus.

Auch selbst Überraschendes leisten

Im zweiten Gedankenschritt ging der Papst auf den „Gott der Überraschung“ ein. Gott sporne die Gläubigen aber dazu an, sich nicht nur auf passive Weise überraschen zu lassen, sondern auch selbst „überraschende Dinge zu verwirklichen“, fuhr der Papst mit Blick auf die Aufforderung Jesu an die Jünger, bei Tageslicht nochmals die Netze auszuwerfen, fort. Eine ungewöhnliche Geste, die den Jüngern jedoch neues Vertrauen einflößt und „sie zum Handeln“ bringt: „Er ermutigt sie neu, zu riskieren; dazu, nichts und vor allem niemanden als endgültig verloren anzusehen. Es ist der Herr der Überraschungen, der die lähmenden Verhärtungen löst und Mut gibt, Verdacht, Misstrauen und Angst zu überwinden, welche sich hinter der Haltung ,Das-haben-wir-immer-so-gemacht' verstecken.“

„Gott ruft, Gott überrascht, denn Gott liebt“

Dabei müsse man auch sich selbst ins Spiel bringen, keine Angst davor haben, nicht nur die Netze, „sondern uns selbst weit auszuzuwerfen“, unterstrich Franziskus. Denn: „Der Herr liebt dein Leben, auch wenn du selbst Angst davor hast, es anzusehen und es in die Hände zu nehmen,“ zitierte Franziskus aus seiner Predigt in der Osternacht, indem er zum dritten roten Faden seiner Predigt überleitete.

Zum Nachhören

„Gott ruft, Gott überrascht, denn Gott liebt. Die Liebe ist seine Sprache.“ Und zu dieser Sprache rufe der Herr uns auf, was bedeute, nicht mehr selbst im Zentrum zu stehen: eine Einsicht, die auch Petrus an dieser Stelle annehme, unterstrich Franziskus:

„Er erkennt an, dass er schwach ist, dass er nicht aus eigener Kraft vorangehen kann. Er baut auf den Herrn, auf die Kraft seiner Liebe, bis ans Ende. Das ist unsere Kraft, die wir jeden Tag erneuern sollen: der Herr liebt uns.“ Christ zu sein bedeute, darauf zu vertrauen, dass die Liebe Gottes „größer ist als jede Begrenzung oder Sünde“, erinnerte der Papst:

„Ein großes Leid und Hindernis, auf dass wir heute stoßen, besteht nicht so sehr darin zu begreifen, dass Gott Liebe ist, sondern rührt daher, dass wir es geschafft haben, ihn so zu verkünden und zu bezeugen, dass für viele dies nicht sein Name ist. Gott ist Liebe, die liebt, die sich verschenkt, die ruft und überrascht.“

Zu Hauptakteuren einer „Revolution der Liebe und des Dienstes“ werden

Und diese Liebe gelte es zu bezeugen, spornte Franziskus die Gläubigen an. „Eine Liebe, die anstachelt und die uns zum Einsatz für das Gemeinwohl bereitmacht, zum Dienst an den Armen, dazu, Hauptakteure einer Revolution der Liebe und des Dienstes zu sein, die der Krankheit eines konsumistischen und oberflächlichen Individualismus zu widerstehen wissen.“

Sie sollten sich nicht davor fürchten, aus Liebe zu Christus zu „lebenden Zeugen des Evangeliums in jeder Ecke dieser Stadt“ zu werden, zitierte der Papst aus seinem Schreiben zur Jugendsynode Christus vivit (vgl. 174-175), das er ausdrücklich nicht nur für junge Menschen, sondern in der Kraft des Glaubens jung gebliebene Menschen verstanden wissen wollte: „Fürchtet euch nicht, die Heiligen zu sein, welche dieses Land braucht; mit einer Heiligkeit, die euch nicht Kraft, Leben oder Freude raubt. Ganz im Gegenteil: so werdet ihr und die Kinder dieses Landes zu denen, die der Vater erträumt hat, als er euch erschaffen hat (vgl. Apostolisches Schreiben Gaudete et exsultate, 32). Gerufen, überrascht und eingeladen aus Liebe!“

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05. Mai 2019, 16:04