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Papst Franziskus und Vertreter von Roma und Sinti im Vatikan Papst Franziskus und Vertreter von Roma und Sinti im Vatikan

Papst betet mit Roma und Sinti: „Etikettierungen machen mich wütend“

Papst Franziskus hat an diesem Donnerstagvormittag die schlechte Behandlung von Roma und Sinti angeprangert, die in der Gesellschaft einen schlechten Ruf genießen. Niemand habe das Recht, andere Mitmenschen „mit Adjektiven“ zu beleidigen. Die Audienz war ein Gebetstreffen mit rund 500 Gästen im Vatikan.
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Mario Galgano – Vatikanstadt

Eine gewisse Brisanz zumindest im italienischsprachigen Raum erlangte das Treffen, weil es nur wenige Tage zuvor in Rom wiederholt zu Protesten gegen die Vergabe von Sozialwohnungen an Roma-Familien gekommen ist.

„Jetzt bin ich dran!“, so der Papst zu Beginn seiner freien Rede nach dem Gebetsmoment im Vatikan, an der rund 500 Vertreter der Roma und Sinti teilgenommen hatten. Bevor der Papst sprach, hatten einige der Gäste über ihren Glauben und Alltag erzählt. Vor allem die Worte einer Mutter, die über die Bedeutung der Hoffnung sprach, hätten ihn berührt, so der Papst.

„Konkrete Hoffnung enttäuscht nie“

„Hoffnung kann enttäuschen, wenn es sich nicht um wahre Hoffnung handelt, aber wenn die Hoffnung konkret im wahren Gott liegt, enttäuscht sie nie. Die Mütter, die die Hoffnung in den Augen der Kinder lesen, kämpfen jeden Tag für konkrete Dinge, nicht für Abstraktes“, betonte Franziskus. „Eine Frau, die ein Kind zur Welt bringt, ist Hoffnung, sie sät Hoffnung, sie ist in der Lage, ihren Weg zu gehen, Horizonte zu schaffen, Hoffnung zu geben“, resümierte der Papst.

Die Gesellschaft gehe aber nicht immer fair mit Roma und Sinti um. Sie hätten einen schlechten Ruf, weil viele um Almosen betteln, doch die Gesellschaft sitze einem Märchen auf, so der Papst. Denn schließlich sei jeder Einzelne selbst ein Sünder. „Alle von uns sind es, alle von uns“, fuhr Franziskus fort, denn „alle machen Fehler im Leben“.

„Wir sind es gewohnt, über Menschen mit Adjektiven zu sprechen“

Eine Sache, die ihn wütend mache, sei die Etikettierung durch Adjektive: „Wir sind es gewohnt, über Menschen mit Adjektiven zu sprechen. Wir sagen nicht: ,Das ist ein Mensch, das ist eine Mutter, das ist ein junger Priester´, stattdessen sagen wir, das ist der so und so… und setzen das Adjektiv. Und das zerstört, weil es den Menschen als solches nicht sein lässt, wie er ist.“

Und dann gebe es noch jene, die zwar Verständnis und vielleicht sogar Mitleid hätten, aber weiterhin Abstand halten würden. Entfernung zu schaffen sei aber auch falsch.

„Die wahren Bürger zweiter Klasse sind diejenigen, die Menschen beiseiteschieben“

„Es ist wahr: Es gibt Bürger zweiter Klasse. Aber die wahren Bürger zweiter Klasse sind diejenigen, die Menschen beiseiteschieben: Das sind Bürger zweiter Klasse, weil sie nicht zu umarmen wissen. Mit dem Adjektiv zur Hand, werfen sie den anderen raus, und leben auf diese Weise, immer mit dem Besen in der Hand, um die anderen wegzuwischen, entweder mit dem Geschwätz oder mit anderen Dingen.... Stattdessen ist der eigentliche Weg die Geschwisterlichkeit.“

Die Gesellschaft müsse, statt Groll zu schaffen, die Würde der Menschen achten, so der Ratschlag des Papstes. Es gebe viele Arten von Würde, zählte er einige Beispiele auf:

„Es gibt die Würde der Familie, die Würde der Arbeit, die Würde, das Brot des täglichen Lebens zu verdienen. Das ist es, was uns voranbringt, allen voran die Würde des Gebets. Immer vorausschauend. Und wenn Ressentiments kommen, dann man das loslassen, die Geschichte wird es schon richten. Denn Groll macht alles krank: er macht das Herz krank, er macht den Kopf krank, er macht alles krank. Er macht die Familie krank, und das tut nicht gut, denn Groll führt uns zur Rache.“

„Jeder verdient sein eigenes Adjektiv“

Ein Beispiel hierfür seien Mafia-Organisationen, die „Meister der Rache“ seien. Man müsse aber anders sein und „mit Würde weiter gehen“, so der Papst. Man finde diese Würde in den Augen jener, die auf der Suche nach Hilfe und Liebe seien. „Deshalb sage ich euch: keine Entfernung. Das sage ich euch und allen anderen: Der Geist im Einklang mit dem Herzen. Keine Adjektive, nein: alle Menschen, jeder verdient sein eigenes Adjektiv, aber keine verallgemeinernden Adjektive, je nach dem, was man im Leben so macht.“

In den vergangenen Wochen war es im römischen Viertel Casal Bruciato sowie in Roms Außenbezirk Torre Maura zu gewalttätigen Protesten gegen Roma-Familien gekommen, denen die Gemeinde Sozialwohnungen in den betroffenen Bezirken vermittelt hatte. Daurauf ging der Papst am Schluss seiner Rede kurz ein und sagte, dass ihn solche Nachrichten traurig machten. Die römische Bürgermeisterin Virginia Raggi, die am Mittwoch eine besonders schwer in Mitleidenschaft gezogene Roma-Familie besuchte, um nach den gewalttätigen Protesten ihre Solidarität auszudrücken, wurde von mehreren Personen beschimpft, auch aus Kreisen des populistischen Regierungsbündnisses kamen kritische Kommentare.

(vatican news/ansa)

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09. Mai 2019, 12:13