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Papst an Schüler: Es gibt keine vorgefertigten Antworten

Ohne Dialog und das Bewusstsein der eigenen Identität und Kultur ist es schwierig, eine gute Zukunft aufzubauen. Darauf ging der Papst an diesem Samstag in einem Gespräch mit Schülern, Lehrern und Eltern der Oberstufe-Schule „San Carlo“ aus Mailand. Die Audienz für die rund 2.600 Gäste aus Norditalien fand im Rahmen einer Jubiläumsfeier der Schule statt, die ihren 150. Jahrestag der Gründung begeht.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Es waren vier Fragen, aber der Papst ist über eine Stunde lang darauf eingegangen Die erste Frage stellte ein junger Schüler, der aus seiner Erfahrung in Peru erzählte. Adriano, so heißt er, war eine Zeitlang als freiwilliger Helfer in Peru unterwegs und erlebte dort auch „schreckliche Momente“, wo er viel Ungerechtigkeit sah. Deshalb frage er sich, warum es so scheine, als ob Gott einige Menschen besser als andere behandele. Darauf antwortete der Papst, dass es Fragen gibt, die niemals eine Antwort erhalten könnten. Am besten könne man es anhand von Kleinkindern aufzeigen, die ab einem gewissen Punkt ihres jungen Lebens ständig nach dem Warum fragten.

„Die wirkliche Antwort, die ein Kind mit dem Warum sucht, ist nicht das, was Vater oder Mutter sagt, sondern der Blick des Vaters und der Mutter auf ihn. Die Unsicherheit des Kindes ist so groß, dass es den Blick des Vaters und Mutter braucht, und das gibt ihm die Kraft, vorwärts zu gehen. Und das ist keine vorgefertigte Antwort. Der Anblick eines Mannes, der Vater geworden ist, einer Frau, die Mutter geworden ist, kann nicht vorgefertigt gekauft werden.“

Papst ist kein Kommunist

Es herrsche viel Ungerechtigkeit auf der Welt, weil das Geld und die Güter wirtschaftlich unfair verteilt seien. Aber es sei falsch, den Papst „als Kommunisten zu brandmarken“, scherzte Franziskus.

„Nein, vielmehr ist es so, dass es das ist, was Jesus uns gelehrt hat, und wenn wir gehen, vor Jesus, wird er zu uns sagen: Danke, weil ich Hunger hatte und du hast mir Essen gegeben. Und zu denen, die Kinder und Menschen mit diesem heutigen System hungern lassen, wird er sagen: Nein, du gehst jetzt weg, weil ich Hunger hatte, aber du hast mich nicht einmal angesehen.“

Es herrsche Krieg und es werden Kinder getötet, weil das reiche Europa und das reiche Nordamerika Waffen verkaufe und dass müsse man sich ehrlichkeitshalber eingestehen. Ein junger Mensch müsse sich auch immer diese „unbequemen Fragen“ stellen. Und weiterhin in der ersten Antwort ging der Papsts auch auf das Problem des Mobbings ein, dass gerade etliche Schüler betrifft. „Verzeih mir, dass ich ein wenig überzogen habe, aber es bringt mich zum Kochen“, schloss der Papst seine erste, lange Antwort.

Die zweite Frage stellte eine Gymnasiallehrerin, die wissen wollte, wie man heutzutage am besten die christliche Werte an junge Menschen in den Schule vermitteln könne. Dazu der Papst:

„Das Schlüsselwort lautet: ,Verwurzelung´. Und um Wurzeln zu haben, braucht man zwei Dinge: einen festen Boden, und das heißt Erde – denn ein Baum hat Wurzeln, weil es Erde gibt – und das zweite ist die Erinnerung. Was heute schief läuft, ist gemäß Experten – und nach der Schule (des polnischen Philosophen Zygmunt) Bauman - die flüssige Gesellschaft.“

Als die jungen Menschen nicht mehr das Altenheim verlassen wollten

 

Der Papst erinnerte sich an eine Erfahrung, die er bereits oft in vielen Gesprächen erwähnt hatte, und zwar als er die Jugendlichen in Buenos Aires ermahnte, ältere Menschen in Altenheimen zu besuchen. Sie spielten Gitarre dort und nach und nach „erwachten“ die Älteren zum Leben und die jungen Leute wollten dann nicht mehr gehen: Der „Charme der Älteren“ habe ihnen ihre Wurzel gezeigt. Der zweite wesentliche Punkt sei die Identität, ohne die eine Kultur des Dialogs nicht geschaffen werden kann. „Es gibt Menschen, die nicht wissen, was ihre Identität ist, und die von der Mode leben“, stellte Franziskus fest.

Die dritte wesentliche Dimension bestehe darin, keine Angst vor der Begegnung mit dem anderen, vor der Multiethnizität, vor dem Multikulturalismus zu haben. Destilliertes Wasser sei zwar die reinste Sache, aber man könne es nicht schmecken und man brauche es auch nicht, um seinen Durst zu stillen. Es sei nicht notwendig, Angst vor Migranten zu haben, so Franziskus.

Es folgte eine weitere Frage einer Lehrerin, die wissen wollte, wie man Schüler am besten begleiten solle:

„Man kann nicht unterstützen, ohne - ich benutze jetzt einen argentinischen Ausdruck - ,das ganze Fleisch auf den Grill zu legen´. Wenn du jemanden unterstützen willst, musst du nicht nur all deine Energie in ihn stecken, nein! Du musst alles in ihn stecken und noch mehr! Du musst alles ins Spiel setzen!“, so der Ratschlag des Papstes.

Die vierte Frage stellte ein Elternvertreter. Eine Mutter gab ihr Zeugnis, was sie für den Bildungsbereich wichtig hält. Der Papst unterstütze ihre Sorgen und erinnerte daran, dass junge Menschen vor allem Begleitung und Nähe brauchen.

„Es gibt ein Lied aus dem Alpengebiet, das mir viel sagt. Ihr, die ihr aus jener Gegend stammt, kennt es vielleicht. Da heißt es: ,In der Kunst des Kletterns ist es nicht wichtig, nicht zu fallen, sondern nicht auf dem Boden liegen zu bleiben.“

Das neue Familiennest mit den Enkelkindern

 

Eltern müssten keine Angst vor der Einsamkeit haben, wenn ihre Kinder groß werden und ihr eigenes Leben gehen. Das sei „eine fruchtbare Einsamkeit“, sagte der Papst, weil die Kinder dann andere Nester bauten. „Das Nest in der Familie wird dann mit den Enkeln gefüllt sein“, so der Papst und schloss das intensive Gespräch im Vatikan mit dem gemeinsamen Gebet.

Das 1869 gegründete Institut „San Carlo“ in Mailand ist eine katholische Privatschule mit heute 1.950 Schülern jeden Alters und 220 Lehrkräften. Es bietet vom Kindergarten bis Gymnasium auch einen sogenannten „IB-Diplomprogramm“ an, also einen international anerkannten Abschluss, der als Hochschulzugang gilt. Seit 1985 ist es auch für Mädchen zugänglich. Zu den bekanntesten Schülern in ihrer Geschichte zählen Achille Ratti, der Papst Pius XI. wurde, und Ludovico Necchi, einer der Mitbegründer der Katholischen Universität des Heiligen Herzens. An der Audienz dabei war der Mailänder Weihbischof Paolo Martinelli.

(vatican news)

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Eindrücke von der Audienz im Vatikan
06. April 2019, 15:57