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Die Papstpredigt am Palmsonntag im Wortlaut

Die letzten Tage vor Ostern, die Karwoche, hat Papst Franziskus mit dem Palmsonntagsgottesdienst auf dem Petersplatz eröffnet. Wir dokumentieren hier die Predigt in einer offiziellen deutschen Übersetzung.

Der Jubel beim Einzug in Jerusalem und die Erniedrigung Jesu. Die Freudenschreie und die grausame Wut: Dieses zweifache Geheimnis begleitet jedes Jahr den Eintritt in die Karwoche durch die beiden Momente, die diese Feier kennzeichnen: die Prozession mit den Palm- und Ölzweigen und dann die feierliche Lesung der Leidensgeschichte.

          Lassen wir uns in diese vom Heiligen Geist bewegte Handlung miteinbeziehen, um zu erhalten, worum wir gebetet haben: dass wir unseren Retter auf seinem Weg mit Glauben begleiten und stets seines Leidens gedenken, das uns lehrt und Vorbild ist für das Leben und den Sieg über den Geist des Bösen.

          Jesus zeigt uns, wie wir uns den schwierigen Momenten und den tückischsten Versuchungen stellen sollen, nämlich indem wir uns im Herzen einen Frieden bewahren, der nicht Distanziertheit, nicht Teilnahmslosigkeit oder Übermenschentum bedeutet, sondern vertrauensvolle Hingabe an den Vater und an seinen Willen voll Heil, Leben und Barmherzigkeit. Und während seiner ganzen Sendung hat Jesus die Versuchung ausgehalten, „sein eigenes Werk zu tun“, also selbst die Art und Weise zu wählen und sich vom Gehorsam zum Vater loszulösen. Von Anfang an beim vierzigtägigen Kampf in der Wüste bis zum Ende bei der Passion weist Jesus diese Versuchung im gehorsamen Vertrauen auf den Vater von sich.

          Auch heute bei seinem Einzug in Jerusalem zeigt er uns den Weg. Denn bei diesem Ereignis hatte der Böse, der Fürst dieser Welt, eine Karte auszuspielen: die Karte des Triumphalismus; und der Herr hat geantwortet, indem er seinem Weg treu blieb, dem Weg der Demut.

Der Triumphalismus versucht, sich dem Ziel durch Abkürzungen, durch falsche Kompromisse zu nähern. Er strebt danach, den Wagen des Siegers zu besteigen. Der Triumphalismus lebt von Gesten und Worten, die jedoch nicht durch den Schmelztiegel des Kreuzes gegangen sind; seine Nahrung ist der Vergleich mit den anderen, die er immer für schlechter, für fehlerhaft, gescheitert hält … Eine subtile Form des Triumphalismus ist die spirituelle Weltlichkeit; sie ist die größte Gefahr, die heimtückischste Versuchung, welche die Kirche bedroht (De Lubac). Jesus hat mit seinem Leiden den Triumphalismus vernichtet.

          Der Herr hat wahrhaft die Freude seines Volkes, der jungen Menschen geteilt, die seinen Namen riefen und ihm als König und Messias zujubelten. Sein Herz freute sich, als es die Begeisterung und Festfreude der Armen Israels sah. So weit, dass er den Pharisäern auf ihre Forderung, seine Jünger aufgrund ihrer Ärgernis erregenden Zurufe zurechtzuweisen, antwortete: »Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien« (Lk 19,40). Demut bedeutet nicht, die Wirklichkeit zu leugnen, und Jesus ist wirklich der Messias, der König.

          Aber zugleich ist das Herz Christi auf einem anderen Weg, auf dem heiligen Weg, den nur er und der Vater kennen: dieser geht von der »Gestalt Gottes« zur »Knechtsgestalt«, der Weg der Erniedrigung im Gehorsam »bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz« (Phil 2,6-8). Er weiß, dass er für Gott Raum schaffen muss, um zum wahren Triumph zu gelangen; und um für Gott Raum zu schaffen, gibt es nur eine Art und Weise: die Entäußerung, die Selbstentleerung. Schweigen, beten, sich erniedrigen. Mit dem Kreuz kann man nicht verhandeln, entweder man nimmt es an oder man weist es zurück. Und mit seiner Erniedrigung wollte Jesus uns den Weg des Glaubens eröffnen und uns auf ihm vorausgehen.

          Nach ihm war seine Mutter, Maria, die Erste, die ihn beschritten hat, die erste Jüngerin. Die Jungfrau und die Heiligen mussten leiden, um im Glauben und im Willen Gottes zu wandeln. Angesichts der harten und schmerzlichen Ereignisse des Lebens im Glauben zu antworten verlangt »eine besondere Mühe des Herzens« (hl. Johannes Paul II., Enzyklika Redemptoris Mater, 17). Es ist die Nacht des Glaubens. Aber nur aus dieser Nacht bricht die Morgenröte der Auferstehung an. Zu Füßen des Kreuzes dachte Maria an die Worte zurück, mit denen der Engel ihr ihren Sohn angekündigt hatte: »Er wird groß sein […] Gott, der Herr, wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird über das Haus Jakob in Ewigkeit herrschen und seine Herrschaft wird kein Ende haben« (Lk 1,32-33). Maria steht auf Golgota vor dem völligen Widerruf dieser Verheißung: ihr Sohn liegt wie ein Missetäter am Kreuz im Todeskampf. So wurde der Triumphalismus, der durch die Erniedrigung Jesu vernichtet wurde, ebenfalls im Herzen der Mutter vernichtet; beide wussten zu schweigen.

Maria ging unzähligen Heiligen voraus, die Jesus auf dem Weg der Demut und des Gehorsams gefolgt sind. Heute am Weltjugendtag möchte ich an die vielen jungen Heiligen erinnern, besonders an die „von nebenan“, die Gott allein kennt und die er zuweilen uns gerne überraschend enthüllt. Liebe junge Menschen, schämt euch nicht, eure Begeisterung für Jesus zu zeigen und auszurufen, dass Christus lebt, dass er euer Leben ist. Aber zugleich habt keine Angst, ihm auf dem Weg des Kreuzes zu folgen. Und wenn ihr spürt, dass er euch bittet, auf euch selbst zu verzichten, eure Sicherheiten abzulegen und euch völlig dem Vater im Himmel anzuvertrauen, dann freut euch und jubelt! Ihr seid auf der Straße des Reiches Gottes.

Freudige Jubelrufe und grausame Wut; das Schweigen Jesu bei seinem Leiden ist beeindruckend. Er besiegt auch die Versuchung zu antworten, „medial“ zu sein. In den Augenblicken von Dunkelheit und großer Bedrängnis muss man schweigen, man muss den Mut haben zu schweigen, vorausgesetzt, dass es ein mildes und nicht nachtragendes Schweigen ist. Die Milde des Schweigens wird uns noch schwächer, noch erniedrigter erscheinen lassen, und dann wird der Teufel Mut fassen und aus der Deckung kommen. Man muss ihm im Schweigen Widerstand leisten, indem man „die Stellung hält“, aber mit der gleichen Haltung Jesu. Er weiß, dass der Krieg zwischen Gott und dem Fürsten dieser Welt besteht und dass es nicht darum geht, Hand ans Schwert zu legen, sondern ruhig zu bleiben, fest im Glauben. Es ist die Stunde Gottes. Und in der Stunde, in der Gott sich in die Schlacht begibt, muss man ihn machen lassen. Unser sicherer Platz wird unter dem Mantel der heiligen Gottesmutter sein. Und während wir darauf warten, dass der Herr kommt und dem Sturm Einhalt gebietet (vgl. Mk 4,37-41), geben wir mit unserem stillen Zeugnis des Gebets uns selbst und den anderen »Rechenschaft […] über die Hoffnung, die [uns] erfüllt« (1 Petr 3,15). Dies wird uns helfen, die heilige Spannung zwischen dem Gedächtnis der Verheißungen, der Wirklichkeit der im Kreuz gegenwärtigen Wut und der Hoffnung der Auferstehung zu leben.

(vatican news)

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14. April 2019, 11:42