Pius XII. auf einer undatierten Photographie Pius XII. auf einer undatierten Photographie 

Vatikan gibt Archive zum Pontifikat Pius XII. frei

Es ist eine Nachricht, auf die nicht nur Historiker lange gewartet haben: Die Akten zum Pontifikat Pius XII.', die im vatikanischen Geheimarchiv lagern, werden ab dem 2. März 2020 zu Forschungszwecken zugänglich sein. Das kündigte Papst Franziskus an diesem Montag an, bei einer Audienz für die Angestellten und Mitarbeiter des Geheimarchivs.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Die Öffnung der Archive wird somit genau ein Jahr nach dem 80. Jahrestag der Wahl von Eugenio Pacelli zum Papst stattfinden. „Ich treffe diese Entscheidung voll Freude und Vertrauen, nachdem ich mich mit meinen engsten Mitarbeitern beraten habe“, erläuterte der Papst, „und in der Gewissheit, dass die seriöse und objektive historische Forschung die glänzenden Momente dieses Papstes ebenso wie die Momente größter Schwierigkeiten, hart erkämpfter Entscheidungen und menschlicher wie christlicher Besonnenheit im rechten Licht und mit der angemessenen Kritik erscheinen lassen kann.“

Zum Nachhören

Die Haltung des Pacelli-Papstes möge manch einem vielleicht als zu große Zurückhaltung erscheinen, fuhr Franziskus fort. Genauer ging er nicht auf häufig geäußerte Vorwürfe ein, Pius habe sich gegenüber dem Nazi-Regime zu zögerlich verhalten und zum Holocaust gar geschwiegen. Doch einige Worte der Verteidigung für Pius XII. fand der 1936 geborene argentinische Papst dann doch: Pius habe versucht, „in den Zeiten größter Dunkelheit und Grausamkeit die kleine Flamme humanitärer Initiativen wach zu halten, der verborgenen, aber stets aktiven Diplomatie und der Hoffnung auf mögliche gute Herzensregungen.“

„Die Kirche hat keine Angst vor der Geschichte“

Die Kirche, so unterstrich der Papst dann mit Nachdruck, habe „keine Angst vor der Geschichte“: „Im Gegenteil, sie liebt sie! Deshalb öffne ich diesen dokumentarischen Reichtum und vertraue ihn den Forschern mit dem gleichen Vertrauen wie meine Vorgänger an.“

Ein Teil der Archivalien zu Pius XII. ist bereits auf Veranlassung von Paul VI. und Johannes Paul II. freigegeben worden. Außerdem erstellten Forscher um den Jesuiten Pierre Blet eine elfbändige Edition aller relevanten Aktenstücke zum Thema Pius und der Zweite Weltkrieg (Actes et documents du Saint Siège relatifs à la Seconde Guerre Mondiale, erschienen zwischen 1965 und 1981). Da Kritiker die Zusammenstellung der Dokumente als unvollständig empfanden, wurde die Edition von der Forschung nur unter Vorbehalt rezipiert.

Dem Pacelli-Papst sei es zugefallen, das Schiff Petri in einem der traurigsten und dunkelsten Momente des zwanzigsten Jahrhunderts zu steuern, fuhr Franziskus fort: „Das Jahrhundert war erschüttert und zerrissen durch den Weltkrieg mit dem darauf folgenden Zeitraum der Neuordnung der Nationen und dem Nachkriegsaufbau. Die Gestalt von Pius XII. ist bereits in vielen ihrer Aspekte untersucht, diskutiert und sogar kritisiert worden – man kann sagen, mit einigen Vorurteilen oder Übertreibungen.“ Doch heute seien auch die Qualitäten dieses Pontifikates ins rechte Licht gerückt: „pastoral vor allem, aber dann auch theologisch und diplomatisch.“

Öffnung der Dokumente bis zum Tod Pacellis

Die Öffnung der Archive betrifft das ganze Pontifikat Pacellis bis zu seinem Tod in Castel Gandolfo am 9. Oktober 1958, stellte Franziskus klar. Schon seit einigen Jahren arbeite das Geheimarchiv an einer Katalogisierung der Originalquellen, wie von seinem Vorgänger Benedikt XVI. gewünscht. Der Papst würdigte die Arbeit der Einrichtung, zu deren Leiter er letztes Jahr den portugiesischen Priester und Dichter José Tolentino de Mendonça ernannt hat.

„Eure Arbeit geschieht im Stillen, fern der Scheinwerfer. Ihr hütet die Erinnerung. In einem gewissen Sinn könnte man diese Arbeit vielleicht mit der Pflege eines mächtigen Baums vergleichen, dessen Äste sich gen Himmel recken, dessen Wurzeln aber tief in der Erde verankert sind. Wenn wir diesen Baum mit der Kirche vergleichen, dann sehen wir, dass sie gen Himmel gerichtet ist, wo unsere Heimat und unser äußerster Horizont ist; die Wurzeln stecken jedoch tief in der Fleischwerdung des Wortes, in der Geschichte, in der Zeit.“

Die Archivare mit ihrer geduldigen Arbeit trügen dazu bei, die Wurzeln am Leben zu erhalten, und ermöglichten den jungen Trieben ihr Wachstum in der Zukunft, so Franziskus. Dann ermunterte er seine Gäste dazu, auch in Zukunft den Forschern, die die vatikanischen Archive zu ihren Recherchen nutzen, bei ihrer Arbeit hilfreich zur Hand zu gehen.

(vatican news)

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04. März 2019, 10:38