Im Wortlaut: Die erste Ansprache von Papst Franziskus in Panama-Stadt

Hier finden Sie die Ansprache, die Papst Franziskus am Donnerstag im Präsidentenpalast von Panama-Stadt gehalten hat, in vollem Wortlaut und in offizieller deutscher Übersetzung.

„Herr Präsident,
sehr geehrte Vertreter des öffentlichen Lebens,
meine Damen und Herren,

ich danke Ihnen, Herr Präsident, für Ihre Willkommensworte und für Ihre freundliche Einladung, dieses Land zu besuchen. In Ihrer Person möchte ich das ganze panamaische Volk begrüßen und ihm dafür danken, dass es von Darién bis Chiriquí und Bocas del Toro außerordentliche Anstrengungen unternommen hat, um so viele junge Menschen aus allen Teilen der Welt aufzunehmen. Vielen Dank, dass Sie uns die Türen Ihrer Häuser geöffnet haben.

Heimliche Hauptstadt der Welt

Ich beginne meine Pilgerreise an diesem historischen Ort, an dem Simón Bolívar mit seiner Aussage: „Wenn die Welt ihre Hauptstadt zu wählen hätte, wäre der Isthmus von Panama für diese hehre Bestimmung angezeigt“ die Führer seiner Zeit zusammenrief, um den Traum der Vereinigung des „Großen Vaterlandes“ zu entwerfen. Jene Zusammenkunft hilft uns zu verstehen, dass unsere Völker fähig sind, ein großes Vaterland zu schaffen, zu formen und vor allem zu erträumen, das in der Lage ist, den multikulturellen Reichtum jedes Volkes und jeder Kultur aufzunehmen, zu achten und zu umfassen. Wenn wir dieser Anregung folgen, können wir Panama als ein Land der Zusammenkunft und des Traumes betrachten.

1. Land der Zusammenkunft

So zeigte es der Panama-Kongress, und so zeigt es heute die Ankunft von Tausenden von Jugendlichen, die den Wunsch und die Lust mitbringen, sich zu treffen und zu feiern.

Wegen seiner privilegierten Lage stellt Ihr Land nicht nur für die Region, sondern für die ganze Welt einen strategischen Ort dar. Als Brücke zwischen den Ozeanen und naturgegebenes Land für Begegnungen ist Panama, der schmalste Staat auf dem ganzen amerikanischen Kontinent, ein Symbol für die Nachhaltigkeit, die von der Fähigkeit herrührt, Verbindungen und Bündnisse herzustellen. Diese Fähigkeit zeichnet das Herz des panamaischen Volkes aus.

Die indigenen Völker nicht an den Rand schieben

Jeder von Ihnen nimmt einen besonderen Platz beim Aufbau der Nation ein und soll dafür sorgen, dass dieses Land seine Berufung erfüllen kann, ein Land von Zusammenkunft und Begegnung zu sein. Dies schließt die Entschlossenheit, den Einsatz und die tägliche Arbeit mit ein, damit alle Einwohner dieses Landes die Möglichkeit haben, sich als Gestalter ihrer Zukunft sowie der ihrer Familien und der ganzen Nation zu fühlen. Es ist nicht möglich, sich die Zukunft einer Gesellschaft ohne die aktive Beteiligung – nicht bloß dem Namen nach – eines jeden ihrer Glieder vorzustellen, und zwar dermaßen, dass ihre Würde durch den Zugang zu guter Bildung und die Förderung von würdiger Arbeit anerkannt und garantiert wird. Diese beiden Gegebenheiten sind imstande, dazu beizutragen, die Talente und die kreative Kraft dieses Volkes zu erkennen und zur Geltung zu bringen. Zugleich sind sie das beste Gegenmittel gegen jede Art der Bevormundung, welche die Freiheit einschränken will und die Würde der Bürger, vor allem der Ärmsten, erniedrigt oder verletzt.

Die Talente der Regionen dieses Landes sind vom Reichtum seiner indigenen Völker geprägt: Bribri, Bugle, Embera, Kuna, Naso-Teribe, Ngäbe und Wounaan. Sie haben viel zu sagen und in Erinnerung zu rufen, angefangen von ihrer Kultur und Sicht der Welt. Ihnen gilt mein Gruß und meine Dankbarkeit. Land der Zusammenkunft zu sein beinhaltet, das Spezifische eines jeden dieser Völker sowie aller Männer und Frauen, die das Gesicht Panamas bilden, hervorzuheben, anzuerkennen und zu hören. Dazu gehört auch, eine verheißungsvolle Zukunft gestalten zu wollen, denn man kann das Gemeinwohl vor den Interessen von wenigen oder für wenige nur verteidigen, wenn die feste Entschlossenheit vorhanden ist, die eigenen Güter gerecht miteinander zu teilen.

Für ein Leben in Genügsamkeit und Transparenz

Die jungen Generationen mit ihrer Freude und Begeisterung, ihrer Freiheit, Sensibilität und kritischen Fähigkeit fordern von den Erwachsen, insbesondere aber von allen, die im öffentlichen Leben eine Führungsrolle innehaben, dass sie ein Leben führen, dass der Würde und der Autorität entspricht, die sie bekleiden und die ihnen übertragen wurden. Es ist eine Einladung zu einem Leben in Genügsamkeit und Transparenz, in der konkreten Verantwortung für die anderen und für die Welt. Es geht darum, ein Leben zu führen, das deutlich macht, dass der Dienst an der Öffentlichkeit für Ehrlichkeit und Gerechtigkeit steht und das Gegenteil jeglicher Form von Korruption ist. Die Mitmenschen fordern einen Einsatz, bei dem alle – angefangen bei uns Christen – echten Mut zum »Aufbau eines wirklich menschenwürdigen politischen Lebens« (Pastoralkonstitution Gaudium et spes, 73) haben, das den Menschen als das Herz von allem ins Zentrum stellt. Dies drängt dazu, eine Kultur größerer Transparenz zwischen den Regierungen, dem Privatbereich und der ganzen Bevölkerung zu schaffen, wie es Ihr schönes Gebet für das Vaterland besagt: »Gib uns das tägliche Brot, damit wir es in unseren Häusern und in voller menschlicher Würde essen können.«

2. Land der Träume

In diesen Tagen wird man an Panama nicht nur als regionales Zentrum oder strategischen Punkt für den Handel und den Personenverkehr denken; es wird sich in einen „Hub“ der Hoffnung verwandeln. An diesem Treffpunkt werden Jugendliche aus allen fünf Kontinenten voller Träume und Hoffnungen feiern, einander begegnen, beten sowie den Wunsch und ihr Engagement erneuern, eine menschlichere Welt aufzubauen. Auf diese Weise werden sie den völlig kurzsichtigen Ansichten trotzen, die – beeinflusst von Resignation oder Gier oder im technokratischen Paradigma gefangen – meinen, dass der einzig gangbare Weg über die »Kriterien der Konkurrenzfähigkeit«, der Spekulation und das »Gesetz des Stärkeren [führt], wo der Mächtigere den Schwächeren zunichtemacht« (Apostolisches Schreiben Evangelii gaudium, 53). Dadurch verschließen sie einer neuen Perspektive für die Menschheit die Zukunft. Wenn Panama den Träumen dieser jungen Menschen Heimat gibt, wird es zu einem Land der Träume, das viele Gewissheiten unserer Zeit herausfordert und Lebenshorizonte schafft, die auf eine neue Grundlage hinweisen, um mit einem Blick des Respekts und des Mitgefühls voranzuschreiten. Während dieser Zeit werden wir Zeugen der Öffnung neuer Kanäle für Kommunikation und Verständnis, Solidarität, Kreativität und gegenseitige Hilfe sein; menschengerechte Kanäle, die den Einsatz vorantreiben und die Anonymität und Abschottung aufbrechen im Hinblick auf eine neue Weise, die Geschichte zu gestalten.

„Eine andere Welt ist möglich“

Eine andere Welt ist möglich, wie wir wissen, und die Jugendlichen laden uns dazu ein, uns an ihrem Aufbau zu beteiligen, damit die Träume nicht etwas Vergängliches und Flüchtiges bleiben, damit sie zu einem Sozialpakt anspornen, bei dem alle die Möglichkeit haben, von einem Morgen zu träumen: Das Recht auf Zukunft ist ebenso ein Menschenrecht.

Vor diesem Hintergrund scheinen die Worte von Ricardo Miró Gestalt anzunehmen, der seine geliebte Heimaterde besang: „Bei deinem Anblick, o Vaterland, könnte man sagen, / Gottes Wille habe dich geschaffen, / damit unter der Sonne, die dich bescheint, / die gesamte Menschheit auf dir sich vereine“ (Patria de mis amores).

Recht auf Zukunft ist ein Menschenrecht

Noch einmal möchte ich für all das danken, was Sie getan haben, damit dieses Treffen stattfinden kann. Ihnen, Herr Präsident, allen Anwesenden und denen, die uns über die Kommunikationsmittel verfolgen, spreche ich meine besten Wünsche für eine neue Hoffnung und Freude im Dienst am Gemeinwohl aus.

Die heilige Gottesmutter „Santa María la Antigua“ segne und schütze Panama!“

(vatican news – sk)

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24. Januar 2019, 16:49