Sigitas Tamkevičius, der emeritierte Erzbischof von Kaunas Sigitas Tamkevičius, der emeritierte Erzbischof von Kaunas 

Litauen: „Ich küsste den Betonboden und sagte: Herr, alles ist in deinen Händen"

Wenn Papst Franziskus am Sonntag in Vilnius das frühere KGB-Gefängnis aufsucht, um der dort Gefolterten und Ermordeten zu gedenken, ist das wie ein Innehalten unter dem Kreuz. Das sagt im Gespräch mit Vatican News Sigitas Tamkevičius, der emeritierte Erzbischof von Kaunas, der als Priester selbst in der Haftanstalt der Sowjets litt.

Gudrun Sailer und Jonas Malinauskas – Vilnius

Mehr als 320 Priester, fast alle litauischen Bischöfe der Sowjetzeit und unzählige Christen seien durch dieses KGB-Gefängnis gegangen, sagte Tamkevičius.  „Sie litten, wurden geschlagen, gefoltert und manche erschossen.“ Deshalb sei der Besuch von Papst Franziskus an diesem Ort „fast wie eine Station auf dem Kalvarienberg, unter dem Kreuz des Herrn“. Zugeich sei dieser Ort des Leidens auch ein Ort der Nähe Gottes zu den Menschen, die dort landeten, „nicht weil sie ein Verbrechen begangen haben, sondern allein wegen der Wahrheit, der Liebe zum Herrn und zu ihrem Land“.

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Tamkevičius wurde im KGB-Gefängnis in Vilnius 1983 inhaftiert. Er gehörte damals zum Komitee zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen und gab eine geheime Zeitschrift heraus, die „Chronik der katholischen Kirche in Litauen". Diese dokumentierte die Fakten der Christenverfolgung und machte sie im Westen bekannt.

„Ich küsste den Betonboden und sagte: Herr, jetzt liegt alles in deinen Händen. Ich kann nichts mehr tun.“

Dass er damals festgenommen wurde, sei für ihn „keine Überraschung“ gewesen, sagt der emeritierte Erzbischof; das sei nur eine Frage der Zeit gewesen. „Dennoch war der Moment, als sie mich in meine Zelle brachten, ein echter Schock für mich. Die Eisentür, das Fenster mit den Gittern. In diesem Moment dachte ich: Alles ist vorbei, mein Leben wird nicht mehr dasselbe sein wie früher. Ich küsste den Betonboden und sagte: Herr, jetzt liegt alles in deinen Händen. Ich kann nichts mehr tun. Aber ich war innerlich ruhig. Was auch immer geschieht, der Herr wird mich führen.“

Eine Hilfe sei ihm in dieser Zeit als Gefangener die Heilige Schrift und die Eucharistie gewesen. Die Messe habe er heimlich gefeiert. Sein Urteil lautete auf zehn Jahre Haft, 1988 wurde er in ein Lager nach Sibirien überstellt.

Franziskus stattet dem Ex-Gefängnis am Sonntagnachmittag einen Besuch ab. Unter anderem wird er in den Keller steigen und zwei der Zellen sehen. Tamkevičius wird den Papst zusammen mit dem Nachfahren von Deportierten an einem Mahnmal für die Opfer des Sowjet-Regimes empfangen.

(Vatican News – gs)

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23. September 2018, 08:02