Papst Franziskus bei der Generalaudienz Papst Franziskus bei der Generalaudienz  

Generalaudienz: Zehn Gebote sind ein Dialogangebot

Gott wollte mit seinen Zehn Geboten keine Einbahnstraße des Gehorsams schaffen, sondern einen Dialog mit den Menschen aufnehmen. Das betonte Papst Franziskus an diesem Mittwoch bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz.

Christine Seuss - Vatikanstadt

Bei strahlendem Sonnenschein und vor zehntausenden Pilgern führte der Papst seine Katechese zu den Zehn Geboten fort, die er am vergangenen Mittwoch begonnen hatte. Bei dieser Gelegenheit, so Franziskus, habe er ausgeführt, dass Jesus nicht gekommen sei, „um das Gesetz abzuschaffen, sondern um es zur Vollendung zu führen“. Diese Perspektive gelte es immer tiefer zu verstehen.

„Das Gebot ist eine Kommunikation, die keinen Dialog braucht. Das Wort hingegen ist das wesentliche Mittel der Beziehung als Dialog“

„In der Bibel leben die Gebote nicht für sich selbst, sondern sie sind Teil einer Beziehung. […] Und diese Beziehung, dieser Bund zwischen Gott und seinem Volk, besteht. Zu Beginn des Kapitels 20 des Buches Exodus lesen wir – und das ist wichtig: „Dann sprach Gott alle diese Worte.“ In der Bibel, so der Papst weiter, gebe es nun aber keine „banalen Stellen“. Der Text spreche nicht von „Geboten“, sondern „all diesen Worten“.

Dekalog: Das Zehnwort

 

In der jüdischen Überlieferung werde dementsprechend stets von „Zehn Worten“ und nicht von „Zehn Geboten“ gesprochen, was im Übrigen auch die Bedeutung des griechischen Ausdrucks „Dekalog“ widerspiegle, erklärte Franziskus. Warum aber habe der biblische Autor diesen Ausdruck gewählt, wenn es sich bei den Geboten doch zweifelsohne um Handlungsanweisungen, um Gesetze handele? Mit dieser Frage bezog der Papst die Pilger in seine Überlegungen ein.

„Was für ein Unterschied besteht zwischen einem Gebot und einem Wort? Das Gebot ist eine Kommunikation, die keinen Dialog braucht. Das Wort hingegen ist das wesentliche Mittel der Beziehung als Dialog. Gott Vater erschafft durch sein Wort, und sein Sohn ist das fleischgewordene Wort.“

„Ist die erste Norm, die Gott dem Menschen gegeben hat, die Auferlegung eines Despoten, der verbietet und zwingt, oder ist es die Fürsorge eines Papas, der sich um seine Kinder kümmert und sie vor der Selbstzerstörung schützt?“

Die Liebe nähre sich vom Wort, und genauso verhalte es sich auch mit der Erziehung oder der Zusammenarbeit, ging der Papst weiter auf die Bedeutung des Dialogs ein. Gott teile sich in diesen „Zehn Worten“ mit und erwarte „unsere Antwort“. Dieser Unterschied zwischen Dialog und Gebot ohne die Erwartung einer Antwort sei nicht künstlich herbeigeführt, unterstrich der Papst mit Blick auf die erste Verführung des Teufels.

„Der Versucher, der Teufel, will den Mann und die Frau in diesem Punkt täuschen: Er will sie überzeugen, dass Gott ihnen verboten hat, die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu essen, um sie in Knechtschaft zu halten. Die Herausforderung besteht genau darin: Ist die erste Norm, die Gott dem Menschen gegeben hat, die Auferlegung eines Despoten, der verbietet und zwingt, oder ist es die Fürsorge eines Papas, der sich um seine Kinder kümmert und sie vor der Selbstzerstörung schützt?“

„Tausendfach müssen wir uns zwischen der Haltung eines Sklaven oder der Haltung von Kindern entscheiden“

Es sei die „tragischste aller Lügen”, die die Schlange gegenüber Eva ausgesprochen habe. Sie habe  diese glauben machen, dass ein „Liebeswort” ein Befehl sei, bedauerte Franziskus. Und er betonte: „Dieser Kampf, innerlich und äußerlich, steht ständig an: Tausendfach müssen wir uns zwischen der Haltung eines Sklaven und der Haltung von Kindern entscheiden. Das Gebot kommt vom Dienstherrn, das Wort ist vom Vater.“

Doch wenn man das Gesetz mit der Haltung eines Sklaven entgegennehme, dann könne dies zwei negative Auswirkungen zeitigen, betonte Franziskus: ein Leben, das aus reiner Pflichterfüllung bestehe, oder eine Reaktion, mit der das Wort von sich gewiesen wäre. Jesus, so erinnerte der Papst, sei jedoch gekommen, um uns mit seinem Wort zu erlösen, nicht um uns zu verurteilen. „Die Gebote sind der Weg zur Freiheit, denn sie sind das Wort des Vaters, der uns auf diesem Weg frei macht.“ Die Welt, so schloss der Papst seine Überlegungen, brauche keinen blinde Gesetzestreue, sondern „Fürsorge“ und „Christen mit dem Herzen von (Gottes-)Kindern.“

Ein Ave Maria mit Kranken 

 

Bevor der Papst sich zu seiner Generalaudienz auf den Petersplatz begab, hatte er in der Audienzhalle eine Gruppe von ALS-Kranken getroffen und mit ihnen ein Ave Maria gebetet. Am Donnerstag begeht die Weltgemeinschaft einen Welttag, an dem auf die Betroffenen und die Auswirkungen der degenerativen Nervenkrankheit aufmerksam gemacht werden soll.

Im Anschluss an seine Katechese bat er in seinen Grüßen an die deutschsprachigen Pilger um Gebet für seine Reise nach Genf. An diesem Donnerstag wird Papst Franziskus am Sitz des Weltkirchenrates (ÖRK) erwartet. Anlass der 23. Auslandsreise von Franziskus ist das 70-jährige Bestehen des ÖRK. Das offizielle Motto des Besuch lautet „Gemeinsam unterwegs sein, beten und arbeiten".

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20. Juni 2018, 11:28