Papst Paul VI. Papst Paul VI. 

Paul VI. zu Lefebvre: „Dann leiten Sie doch die Kirche!“

Überraschende Details aus der Amtszeit von Papst Paul VI. (1963-78) bietet das neue Buch eines hochrangigen Vatikan-Prälaten. In dem Buch „La barca di Paolo“, das am Mittwoch erschien, verrät Leonardo Sapienza u.a., dass der Montini-Papst schon wenige Jahre nach seiner Wahl zum Papst ein Rücktrittsschreiben für den Fall seiner Amtsunfähigkeit verfasst hat.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

Das Schreiben sei in Pauls Schreibtisch aufbewahrt worden; von seiner Existenz hätten viele Kardinäle gewusst. Papst Franziskus, der seinen Vorgänger Paul VI. im Oktober heiligsprechen wird, erklärte in einem Grußwort zum Buch, auch dieses Rücktrittsschreiben sei ein Beleg für Pauls Heiligkeit.

Vor allem aber Sapienza mit Details aus einer Unterredung zwischen Paul VI. und Erzbischof Marcel Lefebvre auf; er empfing den Gründer der schismatisch orientierten Piusbruderschaft im September 1976 in Castel Gandolfo. Der Papst habe während des halbstündigen Treffens, das in sehr gespannter Atmosphäre stattfand, zu Lefebvre gesagt: „Sie stufen ja den Papst als dem Glauben untreu ein – dann nehmen Sie doch meinen Platz ein und leiten Sie die Kirche!“

„Sie nehmen die Haltung eines Gegenpapstes ein“

Der Papst sei sich mit Lefebvre, den er kurz zuvor vom Amt suspendiert hatte, darin einig gewesen, dass es bei der Umsetzung der Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu „Missbräuchen“ komme. Doch habe er Lefebvre vorgehalten: „Sie nehmen die Haltung eines Gegenpapstes ein.“ Und er habe ihn gefragt, ob er sich darüber im klaren sei, „welchen Skandal und wieviel Schlechtes Sie der Kirche antun“.

Lefebvre habe eingeräumt, dass seine Schriften und Äußerungen womöglich „unangemessen“ seien, aber betont, er könne nicht gegen sein Gewissen handeln. Mehrere Konzilsdokumente ließen sich mit der Tradition der Kirche nicht vereinbaren. „Alles wäre gelöst“, wenn der Papst die Bischöfe dazu aufrufen würde, Kapellen in ihren Bistümern zuzulassen, wo die Gläubigen „wie vor dem Konzil“ beten könnten. Dies habe der Papst zurückgewiesen: „Wir sind eine Gemeinschaft, wir können es nicht zulassen, dass einige sich autonom verhalten.“

Nach der Audienz begann Papst Paul zu fasten

 

Beide Gesprächspartner seien sich darin einig gewesen, dass die Kirche in einer Krise sei, so Sapienza in seiner Darstellung weiter. Papst Paul VI. habe betont, dass er „sehr hartnäckig“ gegen „Missbräuche“ und „Exzesse“ kämpfe, dass das Konzil aber „zu Zeichen der Zeit geführt“ habe. Das lasse sich unter anderem an einem „spirituellen Aufbruch unter jungen Menschen“ ablesen.

Nach der Audienz, die unversöhnlich endete, hat der Papst nach Darstellung seines zweiten Sekretärs John Magee ein mehrtägiges Fasten eingelegt. Damit habe er „Wiedergutmachung“ für den durch Lefebvre angerichteten Schaden leisten wollen.

(cath.ch/ vatican news)
 

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17. Mai 2018, 11:37