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Franziskus am Donnerstag mit dem neuen Botschafter von Myanmar Franziskus am Donnerstag mit dem neuen Botschafter von Myanmar 

Papst fordert völlige Vernichtung von Atomwaffen

Nein zu Atomwaffen: Papst Franziskus warnt vor einem versehentlichen Zünden von Atomwaffen, vor den verheerenden Folgen, die das hätte, vor dem Drohen mit solchen Waffen, ja vor ihrem bloßen Besitz. Und er findet, man dürfe das friedliche Zusammenleben der Völker nicht auf eine „Logik der Abschreckung“ gründen, wie sie den ganzen Kalten Krieg hindurch gang und gäbe war. Im Vatikan empfing Franziskus an diesem Freitag die Teilnehmer einer hochkarätigen Konferenz zum Thema Atomwaffen. Dabei spielte er gleich im ersten Satz auf „komplexe politische Herausforderungen im aktuellen internationalen Szenario“ und auf „ein instabiles Klima der Konfliktbereitschaft“ an: Auch wenn er USA und Nordkorea nicht ausdrücklich erwähnte, war das doch deutlich genug.

„Ein dumpfer Pessimismus könnte uns dazu verleiten, die Aussichten für eine Welt ohne Atomwaffen und für eine völlige Abrüstung für immer weiter entfernt zu halten. Es ist auch wirklich Tatsache, dass die Spirale des Aufrüstens keine Pause kennt und dass die Kosten für eine Modernisierung und Entwicklung der Waffen – nicht nur der Atomwaffen – einen hohen Ausgabeposten für die Nationen bedeuten. Das geht so weit, dass sie die wirklichen Prioritäten der leidenden Menschheit hintanstellen müssen: Ich meine den Kampf gegen Armut, die Förderung von Frieden, Bildungs-, Umwelt- und Gesundheitsvorhaben und die Weiterentwicklung der Menschenrechte.“

„Risiko einer irrtümlichen Zündung solcher Waffen“

Das war ein sehr ernster Einstieg. Man könne auch „nur sehr beunruhigt sein“ über die „katastrophalen Folgen für Mensch und Umwelt“, die sich aus einem Einsatz von Atomwaffen ergäben, fuhr der Papst fort.

„Denken wir auch an das Risiko einer irrtümlichen Zündung solcher Waffen wegen irgendeines Fehlers… Darum muss man mit Entschiedenheit das Drohen mit ihrem Einsatz, ja auch ihren bloßen Besitz verurteilen, weil ihre Existenz einer Logik der Angst Vorschub leistet, die nicht nur die Konfliktparteien betrifft, sondern das ganze Menschengeschlecht. Die internationalen Beziehungen dürfen nicht von militärischer Stärke, von gegenseitigen Einschüchterungen, vom Vorführen des jeweiligen Kriegsarsenals dominiert werden! Massenvernichtungswaffen, und unter ihnen besonders die Atomwaffen, sorgen nur für ein trügerisches Sicherheitsgefühl, sie können nicht die Basis für ein friedliches Zusammenleben der Mitglieder der Menschheitsfamilie sein.“

„Die heutige Gesellschaft ist wie verblendet“

Der Papst erinnerte seine Zuhörer an das aus seiner Sicht „unersetzliche“ Zeugnis der Überlebenden der Atombomben-Abwürfe von Hiroshima und Nagasaki, aber auch an die Stimmen „der anderen Opfer von Experimenten mit Atomwaffen“. Ihre „prophetische Stimme“ möge, so wünschte er, „vor allem den jungen Generationen eine Mahnung sein“.

„Außerdem sind Waffensysteme, die die Zerstörung des Menschengeschlechts zur Folge haben, ja auch in militärischer Hinsicht unlogisch! Die wahre Wissenschaft steht immer im Dienst am Menschen; doch die heutige Gesellschaft scheint wie verblendet von den Auswüchsen von Projekten, die anfänglich vielleicht sogar ein gutes Motiv hatten. Denken wir nur daran, dass sich die Atom-Technologien jetzt auch über neue Kommunikationskanäle weiterverbreiten, und dass alle Einrichtungen des Völkerrechts nicht verhindert haben, dass neue Staaten in den Kreis von Atomwaffen-Besitzern aufsteigen. Das sind beängstigende Szenarien, wenn man an die heutigen geopolitischen Herausforderungen denkt, etwa an den Terrorismus oder an die asymmetrischen Konflikte.“

So weit, so düster. Doch Franziskus wollte bei allem „gesunden Realismus“ doch nicht nur ein Unglücksprophet sein. Es gebe durchaus „Lichter der Hoffnung“, etwa ein kürzliches und aus seiner Sicht „historisches“ Votum der UNO-Vollversammlung, das Atomwaffen „nicht nur unmoralisch“, sondern auch ein „illegitimes Mittel der Kriegführung“ seien. Dieser Beschluss „der Mehrzahl der Mitglieder der internationalen Gemeinschaft“ habe „ein wichtiges juridisches Loch gestopft“, schließlich seien Chemiewaffen oder Antipersonenminen ja schon länger ausdrücklich von internationalen Konventionen geächtet worden.

„Den Akzent auf Entwicklung legen, nicht auf Rüstung“

„Noch bemerkenswerter ist die Tatsache, dass sich diese Ergebnisse vor allem einer humanitären Initiative verdanken, zu der ein Bündnis von Gesellschaften, Staaten, internationalen Organisationen, Kirchen, Akademien und Expertengruppen beigetragen hat.“

So wie Franziskus schon in seiner Enzyklika Laudato si‘ den Umweltschutz in die Perspektive der sozialen Gerechtigkeit gerückt hat, verband er an diesem Freitag auch den Kampf gegen Atomwaffen mit den Stichworten Entwicklung und soziale Gerechtigkeit. „Vor fünfzig Jahren hat Papst Paul VI. seine Enzyklika Populorum Progressio veröffentlicht. Sie entwickelt das christliche Bild vom Menschen und hat die ganzheitliche menschliche Entwicklung „den neuen Namen für Frieden“ genannt. Diese bis heute sehr aktuelle Enzyklika erinnert daran, ‚dass Entwicklung nicht nur Wirtschaftswachstum ist; um wirklich Entwicklung zu sein, muss sie umfassend sein, das heißt auf die Förderung jedes Menschen und des ganzen Menschen gerichtet‘. Also gilt es, vor allem die Kultur des Wegwerfens zurückzuweisen und sich um die Menschen und Völker zu kümmern, die am meisten unter Ungleichheiten leiden.“

Wenn man den Akzent vom Rüstungswettlauf weg auf mehr „inklusiven Fortschritt“ der Völker legen würde, dann würde auch die „Utopie einer Welt ohne verheerende Angriffswaffen in größere Nähe rücken“, argumentierte der Papst. Und dann würden jene nicht Recht behalten, „die Abrüstungsprozesse für idealistisch halten“.

„Das Lehramt von Johannes XXIII. bleibt weiter gültig. Er hat klar das Ziel einer völligen Abrüstung vorgegeben. In seiner Enzyklika Pacem in terris schrieb er, nicht nur die Waffenarsenale brauchten eine völlige Abrüstung, sondern auch die Gemüter – damit sich die Kriegspsychose komplett auflöse. Die Kirche wird nicht müde, der Welt diese Weisheit anzubieten. Sie weiß, dass die ganzheitliche Entwicklung die Straße des Guten ist, die die Menschheitsfamilie zurückzulegen berufen ist. Ich ermutige Sie, dieses Werk mit Geduld und Beharrlichkeit voranzubringen im Vertrauen darauf, dass der Herr uns begleitet.“

Der Papst sprach zu den Teilnehmern einer internationalen Konferenz gegen Atomwaffen, die der Vatikan organisiert hat. Sie dauert zwei Tage und bringt etwa ein Dutzend Nobelpreisträger mit Kirchen- und Staatenvertretern zusammen.

(rv 10.11.2017 sk)

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10. November 2017, 12:12