· Vatikanstadt ·

Der Papst wiederholt in Santa Marta das Gebet, das er am Freitag auf dem Petersplatz gesprochen hatte

Für alle, die Angst haben

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30. März 2020

»Lasst uns heute für viele Menschen beten, die es nicht fertigbringen, zu reagieren, die weiterhin Angst vor dieser Pandemie haben. Der Herr möge ihnen helfen, sich aufzurichten, zum Wohl der ganzen Gesellschaft, der ganzen Gemeinschaft zu reagieren«. Der Bischof von Rom ließ in der morgendlichen Messfeier in der Kapelle des Hauses Santa Marta – auch mit Anbetung und eucharistischem Segen – die geistliche Kraft des außerordentlichen Augenblicks des Gebets wieder aufleben, mit dem er vergangenen Freitag auf dem Petersplatz die ganze Menschheit umarmt hatte.

Ein ununterbrochener Faden, an dem der Papst unablässig spann, um an der Seite des Volkes zu bleiben und es zu ermutigen. Ein Faden des Gebets und der Nächstenliebe, den der Papst immer wieder neu aufgreift und die Christen und Menschen guten Willens bittet, sich nicht zurückzuziehen, jetzt weniger denn je.

Und eben deshalb hat der Papst am Montagmorgen, 30. März, eine Messe für die von der Pandemie verängstigten Menschen dargebracht. Sein Gebet wurde auch durch Vers 2 von Psalm 56 unterstützt, der als Eröffnungsvers gelesen wurde: »Sei mir gnädig, Gott, denn Menschen stellen mir nach; meine Feinde bedrängen mich Tag für Tag«.

In seiner Predigt unterbreitete der Papst dann eine Betrachtung, die sich aus dem von der Liturgie vorgeschlagenen Wort Gottes ergab – einem Abschnitt aus dem Buch des Propheten Daniel (13,1-9. 15-17. 19-30. 33-62) und einem Abschnitt aus dem Johannesevangelium (8,1-11) –, das zwei Frauen als Protagonistinnen hat.

Franziskus begann seine Predigt mit der Wiederholung der Verse des soeben verkündeten Antwortpsalms: »Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht« (Ps 23).

Gerade das, so merkte der Papst an, »ist die Erfahrung, die diese beiden Frauen gemacht haben, deren Geschichte wir in den beiden Lesungen gelesen haben«: Susanna und die beim Ehebruch ertappte Frau. So hätten wir da einerseits »eine unschuldige Frau, fälschlicherweise beschuldigt, verleumdet«. Und auf der anderen Seite hätten wir »eine sündige Frau«. Alle beide seien »zum Tode verurteilt: die Unschuldige und die Sünderin«.

»Einige Kirchenväter«, erklärte der Papst, »sahen in diesen Frauen ein Bild der Kirche: heilig, aber mit sündigen Kindern. Sie sagten, mit einem schönen lateinischen Ausdruck, dass die Kirche die casta meretrix ist, die Heilige mit sündigen Kindern«.

Die Schrift zeige uns, dass »beide Frauen verzweifelt waren, menschlich verzweifelt«, fuhr Franziskus fort. Aber sie zeige auch, dass »Susanna auf Gott vertraut«. Da seien »auch zwei Gruppen von Menschen, von Männern«, die mit den Frauen zu tun hätten, die »beide im Dienst der Kirche stehen: die Richter und die Gesetzeslehrer«. In Wirklichkeit »waren sie keine Geistlichen, aber sie standen im Dienst der Kirche, im Gericht und bei der Lehre des Gesetzes«.

»Die Ersteren, diejenigen, die Susanna beschuldigten, waren korrupt«, unterstrich der Papst: »Der korrupte Richter, eine emblematische Figur in der Geschichte. Auch im Evangelium greift Jesus in dem Gleichnis von der aufdringlichen Witwe den korrupten Richter wieder auf, der nicht an Gott glaubte und sich nicht um andere kümmerte. Die Korrupten«. »Die Gesetzeslehrer« hingegen, die der Abschnitt bei Johannes vorstelle, »waren nicht korrupt, sondern Heuchler«.

Und so habe es für »diese Frauen – die eine fiel in die Hände von Heuchlern und die andere in die Hände der Korrupten –keinen Ausweg gegeben«. Es seien gerade die Verse aus Psalm 23, so suggerierte Franziskus, die einen Ausweg wiesen: »Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht«. Tatsächlich »waren beide Frauen in einer finsteren Schlucht, sie waren dort unterwegs: in einer finsteren Schlucht, dem Tod entgegen«.

Susanna »vertraut ausdrücklich auf Gott, und der Herr hat eingegriffen«. Während »die zweite, das arme Ding, weiß, dass sie schuldig ist, vor dem ganzen Volk in ihrer Schande bloßgestellt – denn das Volk war bei beiden Situationen zugegen – sie hat sicher innerlich gebetet, sie hat um Hilfe gefleht«, auch wenn »das Evangelium das nicht sagt«.

»Was macht der Herr mit diesen Leuten?«, fragte sich der Papst. »Er rettet die unschuldige Frau, er lässt ihr Gerechtigkeit widerfahren«, erklärte er. Und »er vergibt der Sünderin«. Aber er bleibt da nicht stehen: »Er verurteilt die korrupten Richter. Den Heuchlern hilft er, sich zu bekehren, und dem Volk sagt er: Ja, wirklich? Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie, und ›einer nach dem anderen‹ sind sie fortgegangen«, berichtet das Evangelium.

Mit einer Anmerkung: »Er zeigt hier eine gewisse Ironie, der Apostel Johannes: ›Als sie das gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten‹«.

Kurz, so der Papst, der Herr »lässt ihnen etwas Zeit, um zu bereuen«. Den Korrupten dagegen »vergibt er nicht, einfach weil der Korrupte außerstande ist, um Vergebung zu bitten, er ist zu weit gegangen: er hat es satt, nein, er hat es nicht satt: er ist nicht dazu imstande«. Denn »die Verdorbenheit hat ihm auch die Fähigkeit genommen, die wir alle haben: sich zu schämen und um Vergebung zu bitten«. »Der Korrupte hingegen ist sicher, er geht voran, er zerstört, er beutet die Menschen aus, wie diese Frau, alles, alles... er macht weiter. Er hat sich an die Stelle Gottes gesetzt«.

Der Herr »antwortet auch den Frauen. Und so befreit er Susanna von diesen Verdorbenen, er lässt sie weitergehen«. Und der anderen Frau, die beim Ehebruch ertappt wurde, sagt er: »Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!« Er »lässt sie gehen, und das vor dem Volk«. Mit einem Unterschied: »im ersten Fall preist das Volk den Herrn; im zweiten Fall lernt das Volk: es lernt, wie Gottes Barmherzigkeit ist«.

»Ein jeder von uns hat seine eigene Geschichte«, erklärte der Papst zum Abschluss seiner Betrachtungen. »Wir alle haben unsere Sünden«, fügte er hinzu, »und wenn du dich nicht an sie erinnerst, dann denk einfach nach: du wirst sie finden«. Mehr noch: »Danke Gott , wenn du sie findest, denn wenn du sie nicht findest, bist du ein Korrupter«. In dem Bewusstsein, dass »wir alle unsere Sünden haben. Wir blicken auf den Herrn, der Gerechtigkeit übt, aber so barmherzig ist«.

Deshalb, fügte der Papst hinzu, »schämen wir uns nicht, in der Kirche zu sein, schämen wir uns, Sünder zu sein: die Kirche ist die Mutter von allen«. Und »lasst uns Gott dafür danken, dass wir nicht korrupt sind, dass wir Sünder sind, und jeder von uns vertraue, wenn wir sehen, wie Jesus in diesen Fällen handelt, auf Gottes Barmherzigkeit«. Und »jeder bete im Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit um Vergebung«, sagte der Papst, der Psalm 23 wiederholte: denn Gott »leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht – die Schlucht der Sünde –, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht«.

Mit dem Gebet von Kardinal Merry del Val lud der Papst dann »die Menschen, die nicht zur Kommunion gehen können«, zur geistlichen Kommunion ein. Und er schloss – wie bereits am Sonntag und an den Tagen zuvor – die Feier mit der Anbetung und dem eucharistischen Segen ab und empfahl sein Gebet der Mutter Gottes an, indem er vor dem Marienbild in der Kapelle Santa Marta einhielt, begleitet vom Gesang der Antiphon Maria Regina Caelorum.

Um die Mittagszeit griff Kardinal-Erzpriester Angelo Comastri dann in der Vatikanbasilika das Gebet des Bischofs von Rom mit dem Gebet des Angelus und des Rosenkranzes wieder auf.