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AI-Symbolbild AI-Symbolbild  (REUTERS)

Claudia Paganini über Gottesvorstellungen, KI und Verfügbarkeit

„Der neue Gott: Künstliche Intelligenz und die menschliche Sinnsuche“ ist der Titel eines neuen Buches der Philosophin Claudia Paganini, das jüngst bei Herder erschien. Darin geht die Medienethikerin der Frage nach, inwiefern Künstliche Intelligenz von Menschen heute als „Gott“ gedacht und wahrgenommen wird.

Anne Preckel – Vatikanstadt

In ihrem Buch nimmt Paganini „die wichtigsten Eigenschaften des Göttlichen und damit auch der Mensch-Gott-Beziehung“ unter die Lupe, und sie zeichnet nach, inwiefern Menschen diese Eigenschaften heute bereits Künstlicher Intelligenz zuschreiben. Dazu zählt die Autorin etwa klassische Attribute des Göttlichen wie Allmacht, Allwissen und Allgegenwart.

Allwissenheit, Allgegenwart - Gerechtigkeit?

Doch auch Eigenschaften wie Gnade und Gerechtigkeit würden heute in Zusammenhang mit KI gebracht. So gebe es etwa menschliche Erwartungen, dass KI die Welt „besser und gerechter“ machen könne, führt Paganini im Interview mit Radio Vatikan aus. De facto könne es in bestimmten Prozessen hilfreich sein, den „menschlichen Faktor“ ein Stück weit auszuschalten – etwa die Launenhaftigkeit und Voreingenommenheit bei der Bewertung und der Auswahl von Personal. Auch im Bereich der Psychotherapie gebe es positive Rückmeldungen von Menschen zu Erfahrungen mit KI-Tools, berichtet Paganini weiter. Andererseits werde KI natürlich auch mit hohen Erwartungen aufgeladen, räumt sie ein. Wesentlich sei ein „kluger Einsatz“, damit KI tatsächlich „emanzipatorisch und Gerechtigkeit befördernd“ wirken könne.

„KI kann potenziell eingesetzt werden, um gerechtere Strukturen zu schaffen, weil eben all das Menschliche, was Gerechtigkeit erschwert, ausgeschaltet ist. Und damit meine ich: Die KI ist nie launenhaft. Die KI hat nie mit dem Partner gestritten.“

In Ihrem Buch stellt die Spezialistin für Medienethik und digitale Anthropologie die These auf, dass der Mensch mit der Künstlichen Intelligenz erstmals einen „Gott erschafft“, statt ihn „nur zu denken“. Dabei geht Paganini nicht der Frage nach der Existenz oder sogar einer Ablösung Gottes durch KI nach, sondern sie betrachtet das Thema aus einer religionsphilosophischen Perspektive. Menschen hätten in der Geschichte immer Götter imaginiert, bei KI gebe es allerdings einen qualitativen Sprung: KI sei vom Menschen „ins Leben gerufen“ worden. Unser „Glaube“ daran existiere ohne vermittelnde Instanzen oder Offenbarungswissen: „Da brauche ich keine Propheten, da brauche ich keine heiligen Schriften, um zu wissen oder darauf zu vertrauen, dass KI existiert“, formuliert die Philosophin. „Da brauche ich eben nur mein Smartphone in die Hand zu nehmen oder meinen Laptop und mich irgendeines KI-Tools zu bedienen.“

Neu sei bei der KI, dass sie auch eine personelle Ebene bediene, so Paganini: „Also diese Interaktion zwischen mir als irdischem Menschen, gefangen in dieser Immanenz, und einem Du, welches transzendente Züge hat und das mich irgendwie der banalen Realität entrückt und auch das Versprechen mit sich bringt, dass diese banale Realität nicht das letzte Wort ist, sondern dass es darüber hinaus etwas zu hoffen, zu ersehnen gibt.“

Verfügbarkeit

Ist Künstliche Intelligenz also der neue „Gott“ des digitalen Zeitalters? Klicken wir nunmehr noch anstatt zu beten? Was sagt die KI-Wahrnehmung sozusagen als Gott, ja ihre Überhöhung, über unsere Zeit und religiösen Bedürfnisse aus? Gottesbilder hätten sich im Laufe der Geschichte, je nach Bedürfnissen der Gesellschaften, verändert, referiert Paganini. Die Wahrnehmung der KI als Gott weise auf ein modernes Bedürfnis hin, dass sich eben auch im Bereich des Religiösen niederschlage: Verfügbarkeit.

„Ich will nicht mehr lange warten, ich will alles sofort haben auf Knopfdruck“, spitzt Paganini zu. „Die Menschen von heute wollen eben nicht erst eine Wallfahrt machen oder lang Rosenkranz beten oder in den Bibelkreis gehen, um ein Gefühl der spirituellen Nähe oder Erleuchtung zu erleben. Und das ist eine Eigenschaft, die die traditionellen Gottheiten nicht so gut erfüllen können. Die KI dagegen sehr wohl.“

„Und das ist eine Eigenschaft, die die traditionellen Gottheiten nicht so gut erfüllen können. Die KI dagegen sehr wohl.“

An der Schnittstelle von Religion und Technik regt Paganinis Buch zum Nachdenken an über Vorstellungen von Gott und unsere Erwartungen an die Künstliche Intelligenz. Die Autorin klammert dabei ethische Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung von KI zugunsten einer religionsphilosophischen Perspektive weitgehend aus.

Im Interview von Radio Vatikan mit Claudia Paganini werden Chancen und Risiken im Zusammenhang mit einer Nutzung von KI angesprochen und teils weitergedacht – ausgehend von Paganinis Buch „Der neue Gott: Künstliche Intelligenz und die menschliche Sinnsuche“, das dieses Frühjahr bei Herder erschien. Kostenpunkt: etwa 20,00 Euro.

Hier das ganze Itv mit Medienethikerin Paganini zum Hören (A. Preckel, Radio Vatikan)

 

 

(vatican news – pr)

 

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16. Juni 2025, 14:18