„Ein intellektueller Brückenbauer, der Zeichen der Zeit erkennt“
Klara Csiszar
Schon der Name des neuen Papstes ist Programm, so die in Linz lehrende Theologin Klara Csiszar gegenüber Radio Vatikan. „Damit deutete er wahrscheinlich darauf hin, dass ähnlich wie damals Leo XIII. jetzt auch der heutige Papst Umbrüche in unseren Gesellschaften wahrnimmt, diese als Zeichen der Zeit deutet und Handlungsbedarf sieht. Und das zeichnet schon auch sein theologisches Profil aus: Zeichen der Zeit zu erkennen“.
Robert Francis Prevost war Missionar, Ordensoberer, Bischof in Peru, schließlich Kurienkardinal. Diese weltkirchlichen Erfahrungen und seine Spiritualität als Ordensmann in einem Bettelorden, den Augustinern, „verfeinern sein theologisches Profil“, glaubt die Theologin. Sie hält ihn für einen Brückenbauer von klar synodalem Zuschnitt: „Das gehört auch zu seiner Theologie. Er hat uns alle eingeladen, mit ihm zu arbeiten, Brücken zu bauen, zu allen Menschen guten Willens.“
Überdies sei der neue Papst „ein Intellektueller, ein sehr fleißiger Arbeiter, weniger ein Showman, der nach vorne drängt, allerdings ein genauer Hinschauer, ein sehr sensibler Wahrnehmer und auch jemand, der diese Wahrnehmungen praktisch theologisch wie auch kirchenrechtlich, bearbeiten kann.“
Schwester Anna Mirijam Kaschner
Auch Schwester Anna Mirijam Kaschner, die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz, hat bei der Synode in Kardinal Prevost einen freundlich zugewandten und zuhörenden Mann kennengelernt. „So habe ich dann auch seine Wortäußerungen in der Synode wahrgenommen, sehr auf den Punkt gebracht, sehr ruhig vorgetragen, das hat mich sehr angesprochen.“
Dass der neue Papst eine Vergangenheit als amerikanisch-peruanischer Missionar hat, ist in Skandinavien Thema, berichtet Kaschner: „Hier in Dänemark springen die Medien sehr darauf an, dass er Amerikaner ist und vermuten schon den Einfluss von Donald Trump und so weiter dahinter. Da muss ich sagen, ich glaube, dass es in unserer Kirche völlig egal ist, wo ein Papst herkommt.“
Die Kirche sei als Weltkirche grundsätzlich interkulturell, so die deutsche Ordensfrau, und hier bringe der neue Papst einiges mit: „Ein Brückenbauer zwischen Kulturen, zwischen Sprachen, Nationalitäten, Ethnizitäten, zwischen Flügeln innerhalb der Kirche, progressiv-konservativ.“ Das sei bereits bei seinem ersten Auftritt auf der Segnungsloggia des Petersdoms deutlich geworden: „Er sprach von einer synodalen Kirche und hat in seiner ersten Rede deutlich gemacht, dass er den Kurs von Papst Franziskus sicherlich weiterführen wird. Da war ich auch sehr erleichtert drüber. Andererseits sah man ihn auch schon im Äußeren an - er trug die Mozzetta, er trug die Stola - da fühlte mich ein bisschen an Papst Benedikt erinnert. Ich erlebe ihn, momentan zumindest, als eine Mischung aus Benedikt und Franziskus. Und das ist meines Erachtens genau das, was wir heute brauchen.“
Als großes Grundthema des Pontifikats identifiziert Schwester Anna Mirijam Kaschner das Anliegen Frieden. „Er ist am 8. Mai gewählt worden, dem 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges. Er tritt oben auf die Loggia und sein erstes Wort ist Friede. Das hat mich wirklich ins Herz getroffen und ich glaube, dass das vielleicht auch noch so eine Überschrift über sein Pontifikat sein könnte.“
Helena Jeppesen-Spuhler
Schon im vierten oder fünften Wahlgang einigten sich die in der Sixtina versammelten Kardinäle auf den neuen Bischof von Rom. Freudig überrascht über diese Wahl zeigte sich die Schweizerin Helena Jeppesen-Spuhler, auch sie hatte als Synodale mit dem damaligen Kardinal Prevost zu tun, der damals in der Kurie die Bischofsernennungen für den Papst vorbereitete.
Jeppesen-Spuhler hebt besonders hervor, dass Prevost am Dikasterium drei Frauen als Mitglieder hatte, die über die Eignung von Kandidaten für das Bischofsamt mit abstimmten. „Das ist eine ganz wichtige Drehscheibe im Vatikan, wo die Bischöfe ausgewählt werden und wo auch Klagen überprüft werden. Dass da auch Frauen in die Dossiers schauen und mitdiskutieren, das war ganz wichtig und das ist wirklich erst so, seit Kardinal Prevost da ist.“ Prevost habe überhaupt starke Aussagen gemacht in Sachen Synodalität, „zur Position der Bischöfe und wie sie sich auch partizipativ absprechen sollen, zur Frage der Mitbestimmung oder Einbezug des Volkes Gottes bei der Wahl der Bischöfe“, sagte uns Jeppesen Spuhler.
Myriam Wijlens
Diesen Punkt vertieft die Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens. Sie saß zusammen mit Kardinal Prevost bei der Synode in einem theologischen Forum, das über die Beziehung zwischen Ortskirche und Universalkirche nachdachte und erinnert sich gut daran, wie der US-Kardinal öffentlich vor Medienleuten darüber sprach, „dass das Verfahren zur Ernennung von Bischöfen sich ändern muss. Er hat befürwortet, dass es eine viel größere Teilnahme des Gottesvolkes im Sinne von einer guten Repräsentanz oder eine Beteiligung von den verschiedenen Männern, Frauen, Priestern, Diakonen geben muss in diesem Verfahren.“
„Er kann zuhören und hat tatsächlich eine weltweite Erfahrung", so die in Erfurt lehrende Kirchenrechtlerin. Und sie hält seine bisherige kirchliche Erfahrung für eine hervorragende Basis, dass Papst Leo XIV. sein Amt mit Umsicht und Klugheit ausübt. „Der heutige Papst ist ein Mann, der sich auf den Weg gemacht hat, dem Unbekannten zu begegnen, als er nach Peru gegangen ist. Er ist aufgebrochen, um dort zu den Ärmsten dieser Welt zu begegnen, um sie kennenzulernen und zu helfen. Seine Mitbrüder, und das ist sehr wichtig, haben ihm zum Ordensoberen gewählt. Da wird er dann die ganze Welt kennengelernt haben und wiederum die Diversität in der Einheit. Ich freue mich sehr über diese Ernennung und ich wünsche dem neuen Papst die Hilfe, die er auch braucht von uns allen, damit wir gemeinsam den Weg weitergehen, den das Volk Gottes eingeschlagen hat.“
(vatican news - gs)
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