Abt Nikodemus: Benediktiner im Heiligen Land gegen Gewalt
„Im Heiligen Land erleben wir gerade eine unvorstellbare Enttabuisierung von Gewalt. Der Gegner wird dehumanisiert und dämonisiert.“ - Das hat der Abt der Jerusalemer Dormitio-Abtei, Nikodemus Schnabel, am Montag bei einem Pressegespräch in Linz betont. Im anderen sehe man keinen Menschen mehr, sondern ein „Tier in Menschengestalt“, eine „Ratte“ oder ein „Monster“, so der Abt wörtlich.
Dieser Entwicklung hielten die Benediktiner das religiöse Bekenntnis entgegen, dass jeder Mensch nach dem Bild Gottes geschaffen sei. Schnabel unterstrich die besondere Rolle der Christen in Nahost: „Wir sind weder pro Israel noch pro Palästina – wir sind pro Mensch.“
Jeder Mensch ist heilig
Schnabel hält sich derzeit auf Einladung der Linzer Sektion der Stiftung „Pro Oriente“ in Oberösterreich auf. Er ist Konsultor der Stiftung. Seit dem 7. Oktober 2023 seien Christen sowohl durch Angriffe palästinensischer Terrororganisationen als auch durch militärische Aktionen der israelischen Armee ums Leben gekommen, berichtet er.
In den Kirchen des Nahen Ostens gebe es kein Schwarz-Weiß, betonte der Abt: Christen würden sowohl Arabisch als auch Hebräisch sprechen. Sie würden täglich die Vielfalt der Region leben. Entsprechend klar positionierten sich die kirchlichen Autoritäten: In all ihren Erklärungen stehe die Heiligkeit des menschlichen Lebens im Mittelpunkt – unabhängig von politischer Zugehörigkeit oder Herkunft.
Auf niemandes Seite
So würden die Kirchen einerseits die sofortige Freilassung aller Geiseln fordern, andererseits ein Ende der Blockade humanitärer Hilfe für die Zivilbevölkerung in Gaza. Langfristig könne Friede nur gelingen, wenn politische Lösungen sowohl das Recht auf eine sichere Heimat für Juden als auch das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser anerkennen, so Schnabel.
Das Bekenntnis zur Heiligkeit eines jeden menschlichen Lebens sei der Leitstern, dem die benediktinische Mönchsgemeinschaft der Dormitio-Abtei im Heiligen Land folge. „Wir wollen mit unseren beiden Klöstern Hoffnungsinseln im gegenwärtigen Ozean von Leid sein“, äußert Schnabel.
Ein bewusstes Ja zum Heiligen Land
Beide Klöster seien in den vergangenen Jahren durchgehend geöffnet gewesen. Alle Mönche seien geblieben, nicht ein einziger der 24 örtlichen Mitarbeiter sei entlassen worden. Man habe in Jerusalem kulturelle Akzente der Versöhnung setzen können. Um niemanden von den Angestellten zu entlassen, würden die Mönche auf Rückstellungen für die Altersvorsorge zurückgreifen und seien für viele Spenden dankbar.
Schnabel sieht seine Rolle in Nahost: „Von uns hat jeder sehr bewusst Ja zu einem Leben als Mönch im Heiligen Land gesagt. Niemand von uns ist gegangen, stattdessen hat Gott uns sogar einen Neueintritt in diesen Kriegstagen geschenkt.“
Die christliche Gemeinschaft mache mit etwa zwei Prozent der Bevölkerung eine kaum wahrnehmbare Minderheit im Heiligen Land aus – aber sei dennoch ein aktiver Bestandteil der Friedensarbeit in der Region, so Schnabel weiter. Die Existenz der christlichen Minderheit sei aber zunehmend bedroht: Neben der anhaltenden Sicherheitslage würden christliche Familien unter dem Einbruch des Tourismus leiden. Schon seit der Corona-Pandemie kämen immer weniger Besucher ins Heilige Land.
Immer weniger Christen
Der oberösterreichische Altlandeshauptmann und Vorsitzende der Linzer „Pro Oriente“-Sektion, Josef Pühringer, sagte bei dem Pressegespräch, dass Solidarität mit bedrängten Christen weltweit gefragt sei – besonders mit jenen im Heiligen Land. Das sei der Auftrag der Stiftung, die Kardinal Franz König 1964 gegründet hat. Der griechisch-orthodoxe Patriarch von Jerusalem, Theophilos III., habe zuletzt etwa davon gesprochen, dass im Gaza-Streifen inzwischen weniger als 600 Christen leben.
Ihre Zukunft sei ungewiss, ihre Lage prekär, beklagt Pühringer. Dass die Christen im Heiligen Land ferner ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, dürfe die Christen in Österreich nicht kaltlassen, so Pühringer: „Das Heilige Land ist die Wiege unseres Glaubens. Wenn wir diese Menschen aufgeben, geben wir ein Stück unserer eigenen Identität preis.“
(kathpress – lv)
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