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Pfingsten Pfingsten  (BAV Vat.sir.559, f.181v)

Unser Sonntag: Geburtsstunde der missionarischen Kirche

Acht Wochen nach Ostern feiert die Kirche das Pfingstfest. Der Herr hatte versprochen, so Prof. Weimann, uns nicht als Waisen zurückzulassen, man muss allerdings für den Heiligen Geist offen sein.

Prof. Dr. Dr. Ralph Weimann

Joh 15,26-16,3.12-15
Pfingsten (A)

 

Liebe Brüder und Schwestern,

Heute ist bereits der 50. Tag nach Ostern. Das griechische Wort pentekosté, von dem sich das deutsche Wort Pfingsten herleitet, bedeutet: der fünfzigste Tag. Pfingsten bedeutet so viel wie fünfzig Tage nach Ostern, das entspricht umgerechnet 8 Wochen. Die Zahl acht stand schon in der Antike für die Vollendung.

Hier zum Nachhören

Die neue Schöpfung, die an Ostern mit dem Sieg Christi über den Tod und Satan begann, kommt zur Vollendung. So wie der Herr am ersten Tag der Woche und damit am achten Tag auferstanden ist, so kommt der Heilige Geist nach acht Wochen über die Kirche. Davon leitet sich auch die Tradition ab, Oktav-Feste zu begehen, ein Hochfest acht Tage lang zu feiern. Der Zahl acht kommt eine tiefe Symbolik zu, die auf die Vollendung hinweist, die der Kirche am Pfingstfest geschenkt wird. Versuchen wir dies besser zu verstehen.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

1. Die Ankündigung

Im Evangelium wird berichtet, wie der Herr zu seinen Jüngern spricht und ihnen das Kommen des Heiligen Geistes ankündigt (vgl. Joh 15,26). Vermutlich konnten sich die Jünger nicht vorstellen, was passieren und wann es passieren würde. Aber sie hätten einen Hinweis finden können im so genannten „Wochenfest“ (vgl. Ex 34,22), das 50 Tage nach dem Pascha gefeiert wurde. Dabei wurde für die Weizenernte gedankt und für die Erneuerung der Gesetzgebung auf dem Sinai. Weizen symbolisiert das Brot des Lebens, während das Gesetz für jene Wahrheit steht, die zum ewigen Leben führt.

„Das Neue Testament ist im Alten Testament verborgen und das Alte wird im Neuen offenbar“

Jesus Christus ist nicht in diese Welt gekommen – so betont er – „um das Gesetz und die Propheten aufzuheben!“ sondern: „Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen“ (Mt 5,17). Diese Erfüllung, die sich auch mit der Zahl acht verbindet, zeigt sich im Hinblick auf das Pfingstfest besonders deutlich. Das, was im Alten Testament schemenhaft angekündigt wurde, erfüllt sich nun. So konnte der heilige Augustinus sagen: „Das Neue Testament ist im Alten Testament verborgen und das Alte wird im Neuen offenbar.“
Es ist üblich, besonders wichtige Geschehnisse vorher anzukündigen, damit man sich gebührend darauf vorbereiten kann. So wurde die Geburt Jesu Christi bereits Jahrhunderte vor seinem Kommen angekündigt. Seinen Tod am Kreuz, und seine Auferstehung hatte der Herr zuvor angekündigt (vgl. Mt 16,21). Ähnlich verhält es sich im Hinblick auf Pfingsten; der Herr hatte versprochen, uns nicht als Waisen zurückzulassen, er wollte uns den Geist der Wahrheit senden.

2. Der Heilige Geist

Wer aber ist dieser mysteriöse „Geist der Wahrheit“? Ein Blick auf die Schöpfungsgeschichte kann hilfreich sein, ihn besser zu verstehen. Im Buch Genesis heißt es: „Gottes Geist schwebte über dem Wasser“ (Gen 1,2). Es ist der Schöpfer-Geist Gottes, der bei der Erschaffung der Welt zugegen war. Dieser Geist, der Creator Spiritus (Schöpfer Geist), wie er auch in der Pfingstsequenz besungen wird, schafft aus dem Nichts.
In der Neuschöpfung, die mit Jesus Christus begonnen hat, führt der Heilige Geist zur Vollendung. So wie bei der Schöpfung der Geist Gottes über dem Wasser schwebte, so schwebt er jetzt über dem Taufwasser und über den Gaben von Brot und Wein. Damit ist eine Neugeburt beschrieben, aus dem Wasser und dem Geist (vgl. Joh 3,5). Von daher kann der Apostel Paulus sagen: „Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2 Kor 5,17). Dafür steht der Heilige Geist, er schafft neu in Heiligkeit und Gerechtigkeit.

„So sind wir Kinder Gottes und können der göttlichen Natur (vgl. 2 Petr 1,4) teilhaftig werden“

Um das Wirken des Geistes Gottes besser zu verstehen, ist es hilfreich, noch einmal zur Schöpfungsgeschichte zurückzukehren. Der Mensch, als Abbild Gottes geschaffen (vgl. Gen 1,27), trägt durch den Lebensatem (vgl. Gen 2,7), der ihm von Gott gegeben ist, das Abbild Gottes in sich. Daher ist der Körper Tempel des Heiligen Geistes, während der Geist Gottes durch die heiligmachende Gnade im Menschen wohnen sollte, denn nur so sind wir Kinder Gottes und können der göttlichen Natur (vgl. 2 Petr 1,4) teilhaftig werden.

Wirkung der Sünde

Durch den Sündenfall – die Erbsünde – ist nicht nur äußerlich das Paradies verloren gegangen, sondern der Mensch hat durch die Sünde auch die heiligmachende Gnade verloren. Gott in seiner Barmherzigkeit hat daraufhin den Erlöser verheißen; und dieser Jesus ist gesalbt mit dem Heiligen Geist zum Christus (dem Gesalbten). Was hier von Jesus Christus gesagt wird, gilt auch für einen jeden Christen, der dadurch zum Christen wird, wenn er an Christus Anteil erhält. Kind Gottes – so sagt es das Johannesevangelium – wird, wer aus Gott geboren ist, wer den Heiligen Geist annimmt (vgl. Joh 1,13).
Der Heilige Geist ist die dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit, die Wirkmacht Gottes, durch die die Schöpfung zur Vollendung geführt wird und Heil und Heiligung geschieht. Er ist der Geist, durch den die sieben Gaben des Heiligen Geistes verliehen werden: Verstand, Weisheit, Rat, Stärke, Wissenschaft, Frömmigkeit und Gottesfurcht. Im Evangelium wird das Gesagte anhand einer Eigenschaft unterstrichen, die der Evangelist Johannes besonders hervorhebt.

3. Der Geist der Wahrheit

Jesus Christus hatte sich selbst als die Wahrheit (vgl. Joh 14,6) bezeichnet, der jeder, der Christ sein will, zu folgen hat. Wenig überraschend nennt er den Heiligen Geist „Geist der Wahrheit“, der Zeugnis geben und in die ganze Wahrheit einführen wird (vgl. Joh 16,13).
Pfingsten ist das Fest, an dem dieser Geist wie Feuerzungen auf die Jünger herabkommt und sie hineinführt zu einem neuen Verständnis der göttlichen Dinge. Doch mit einem „Geist der Wahrheit“ tut sich der moderne Mensch schwer. Wahrheit wird als Bedrohung wahrgenommen, als Inbegriff von Intoleranz. In Wirklichkeit verhält es sich jedoch umgekehrt. Ohne Wahrheit wäre der Mensch ein Blind geborener, als solcher könnte er bestenfalls ziellos in der Welt herumirren. Nimm die Wahrheit weg, so lässt sich sagen, und die Willkür hält Einzug.

„Nimm die Wahrheit weg, so lässt sich sagen, und die Willkür hält Einzug.“

Die Annahme der Wahrheit setzt jedoch Demut voraus. Weil diese aber nicht selten fehlt, wird die Wahrheit abgelehnt und sie wird irrtümlicherweise als Bedrohung empfunden. Dies lässt sich anschaulich am Beispiel der Sterndeuter zeigen, die nach Jerusalem zogen und den Gelehrten und dem ganzen Volk die frohe Botschaft der Geburt des Messias überbrachten. Man wartete seit Jahrhunderten auf diese Botschaft. Doch als sie dann verkündet wurde, da – so beschreibt es die Heilige Schrift – erschrak der König und mit ihm ganz Jerusalem (vgl. Mt 2,3).

Das Niedrige in der Welt...

Dieses Verhalten hat sich in der Geschichte zu allen Zeiten wiederholt. Menschen weichen von der Wahrheit (Gottes) ab, sie lehnen sie ab und erklären sie für überholt. Doch wie töricht ist ein solches Verhalten, zumal Gott das Törichte in der Welt erwählt hat, „um das Starke zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt: das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten, damit kein Mensch sich rühmen kann vor Gott“ (1 Kor 1,27).
Wer sich nicht der göttlichen Wahrheit unterordnet oder wer sie gar ablehnt, der darf nicht meinen, den Heiligen Geist für sich in Anspruch nehmen zu können. Dies lässt sich anhand eines Beispiels verdeutlichen. In ein volles Glas kann man nichts mehr hineinfüllen, es ist schon voll. Ein leeres Glas hingegen kann bis zum Rand gefüllt werden. Wer von sich selbst und seinen eigenen Ideen und Vorstellungen voll ist, kann nicht den Geist Gottes empfangen, dafür wäre kein Platz vorhanden.

Die Jünger waren offen für den Geist

Die Heilige Schrift bezeugt uns, dass die Jünger für den Heiligen Geist gänzlich offen waren. Sie waren durch ihre Teilnahme an Jesu Leid und Tod von ihren eigenen Vorstellungen befreit und damit für Gott offen geworden. Sie waren bereit, den Heiligen Geist aufzunehmen, der in großer Macht und Herrlichkeit sie alle erfüllte.
Damit ist auch uns ein Schlüssel zum Verstehen des heutigen Hochfestes gegeben. Jesus Christus wollte uns nicht als Waisen zurücklassen, sondern er hatte das Kommen des Heiligen Geistes angekündigt, die dritte Person der Heiligsten Dreifaltigkeit. Es ist der Geist, der lebendig macht und zur Heiligung (Vollendung) führt.

Sich der Wahrheit unterordnen 

Die Apostel, die erfüllt vom Heiligen Geist in neuen Sprachen reden (vgl. Apg 2,4) erhielten Anteil an dieser Neuschöpfung, so dass Pfingsten auch als Geburtsstunde der missionarischen Kirche bezeichnet werden kann. Die Jünger haben nun keine Angst mehr für die Wahrheit des Evangeliums einzutreten und sogar – wenn nötig – ihr Leben zu geben. Sie haben sich der Wahrheit Gottes gänzlich untergeordnet, und sie im Leben angenommen. Wie dringend braucht die Kirche und die Welt heute Menschen, die sich auf diese Weise vom Heiligen Geist zur Vollendung führen lassen und in der Wahrheit Christi verbleiben.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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27. Mai 2023, 11:00