Suche

Der Freiburger Missbrauchsbericht ist da – und nicht nur Betroffene im Erzbistum reagieren schockiert auf dessen Ergebnisse Der Freiburger Missbrauchsbericht ist da – und nicht nur Betroffene im Erzbistum reagieren schockiert auf dessen Ergebnisse 

Missbrauch im Erzbistum Freiburg: 250 Priester beschuldigt

Eine an diesem Dienstag veröffentlichte Untersuchung zu sexualisierter Gewalt und Verschleierung von Missbrauchstaten in der deutschen Erzdiözese Freiburg sieht bei den früheren Erzbischöfen Robert Zollitsch und Oskar Saier schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester. Der Schutz der Institution Kirche und der Täter habe über allem gestanden, sagte Studienautor Eugen Endress bei der Vorstellung des 600-Seiten-Berichts.

Für Betroffene und Angehörige habe es keine Hilfen gegeben: „Sie wurden allein gelassen.“ Der 2014 als Freiburger Erzbischof emeritierte Zollitsch war von 2008 bis 2014 auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

Im Erzbistum Freiburg sind mehr Menschen von sexuellem Missbrauch durch Geistliche betroffen als bisher offiziell bekannt. Es werde nun von mehr als 540 Betroffenen ausgegangen, sagte der Vorsitzende der Aufarbeitungskommission, Magnus Striet, am Dienstag in Freiburg. Es gebe zudem mehr als 250 beschuldigte Kleriker. Anlass für Striets Äußerungen war die Vorlage des Berichts über sexuellen Missbrauch im Erzbistum.

Zum Nachhören - was der Erzbischof sagte

24 Missbrauchsfälle detaillierter dargestellt

Forschungen anhand von Personalakten nach sexuellem Missbrauch hatten schon früher Erschreckendes zutage gefördert: Von Anfang 1946 bis Ende 2015 wurden nach früheren Zahlen mindestens 442 Betroffene entdeckt sowie 190 Beschuldigte, die meisten von ihnen Priester.

Erzbischof Burger ist schockiert

Der amtierende Freiburger Erzbischof Stephan Burger zeigte sich erschüttert. Das Verhalten seiner Vorgänger mache ihn fassungslos, sagte Burger, der die Erzdiözese Freiburg seit 2014 leitet. Er teilte mit, kirchenrechtliche Schritte gegen Zollitsch eingeleitet zu haben. Der Vatikan müsse Konsequenzen prüfen.

Betroffenenbeirat: „Schutzraum für Täter“ geschaffen

Auch Betroffene äußerten sich schockiert. Die Untersuchung dokumentiere schwarz auf weiß, dass der Kirche „missbrauchte Kinder und verletzte Kinderseelen über Jahrzehnte gleichgültig waren“, so der Betroffenenbeirat in der Erzdiözese. Dagegen seien die Täter grausamster Verbrechen geschützt worden. Unter Zollitschs Führung sei die Kirche ein „Schutzraum für Täter“ gewesen und eine „Hölle für Kinder, die sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren und keine Hilfe erhalten haben“.

Konkrete Vorwürfe

Erzbischof Zollitsch leitete die Erzdiözese Freiburg von 2003 bis 2014. In der Untersuchung wird ihm Versagen in mehrfacher Hinsicht bescheinigt. Das sei bis hin zum bewussten Verschleiern und Vertuschen gegangen, erklärten die Studienautoren. Dabei habe er Kirchenrecht ignoriert und bewusst übergangen. Beispielsweise gab es keine Meldungen von Missbrauchsverdachtsfällen an den Vatikan, obwohl das ab 2002 verpflichtend gewesen sei. „Selbst als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ignorierte Erzbischof Zollitsch geltendes Recht.“ Auch seien Akten manipuliert worden.

Zollitsch: Kein Kommentar

Zollitsch hatte über einen Sprecher angekündigt, sich vorerst nicht zu den Vorwürfen zu äußern. Zuletzt hatte er in einem Video im Oktober um Verzeihung gebeten. Schweres Versagen werfen die Studienautoren auch seinem Vorgänger Oskar Saier vor, der zwischen 1978 und 2002 Erzbischof von Freiburg war. So habe er etwa Täter versetzt, ohne die Gemeinden zu informieren. „Aber schon unter Saier, der als Erzbischof immer die Letztverantwortung trug, hatte Zollitsch eine sehr machtvolle Position inne“, fügte Endress hinzu

Beim amtierenden Erzbischof Stephan Burger (seit 2014) fanden die Autoren der Untersuchung keinen Hinweis auf Vertuschung. Gleichwohl räumte Burger eigene Fehler ein. So seien Auflagen für beschuldigte Priester nicht konsequent genug kontrolliert worden. Burger bat die Betroffenen um Verzeihung. Er wolle aus Fehlern lernen und Konsequenzen ziehen. Dazu sei der Missbrauchsbericht eine drängende Mahnung und Hilfe.

600-seitige Studie unabhängiger Experten

Die rund 600-seitige Studie wurde von unabhängigen Experten erarbeitet, darunter Juristen und Kriminologen. Die Untersuchung analysiert beispielhaft 24 Fälle aus der Zeit von 1945 bis in die Gegenwart. Die vier Autoren hatten Zugang zu allen Personalakten der Priester des Erzbistums. Zusätzlich werteten sie Protokolle der diözesanen Leitungsrunde aus. Schließlich wurden 180 Zeugen befragt - darunter Betroffene und Beschuldigte.

Zum Schutz von Persönlichkeitsrechten werden im Bericht nur Personen des öffentlichen Lebens namentlich benannt. Dazu gehören die Bischöfe, die Verwaltungschefs und Kirchengerichtsleiter, also Generalvikare und Offiziale. Die Freiburger Untersuchung reiht sich ein in eine Serie von Aufarbeitungsberichten in deutschen Diözesen. Zuletzt präsentierten die Diözesen Mainz und Essen Ergebnisse.

Der Bericht ist abrufbar auf der Website der Aufarbeitungskommission: https://ge-kommission-freiburg.de.

(erzbistum freiburg/kna/agenturen -mg)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

18. April 2023, 15:51