Suche

Éric Vuillard: Ein ehrenhafter Abgang libro della settimana  Éric Vuillard: Ein ehrenhafter Abgang libro della settimana  

Buchtipp: Ein ehrenhafter Abgang

Kriege haben eine unschöne Entwicklung: schon Jahrzehnte nach ihrem Ende geraten ihre Verbrechen in Vergessenheit. Ein Beispiel ist Vietnam. Da denkt man zunächst an den Vietnamkrieg der US-Amerikaner in den 60er und 70er Jahre, vergisst aber den Krieg, den Frankreich zuvor dort auslöste. Dazu hat der französische Schriftsteller und Regisseur Éric Vuillard ein Buch geschrieben, das jetzt auf Deutsch erschienen ist.

Es ist kein Geschichtsbuch im klassischen Sinne und auch kein Roman im zeitgenössischen Stil: Vuillards Werk ist eine Art Drehbuch, schließlich ist er Autor auch Regisseur. Kurze, einprägsame Kapitel führen durch die Lektüre des Werks und vor allem durch die Ereignisse der 50er und 60er Jahre. Da lernt man Frankreich kennen, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg wieder seine „Grandeur“ erreichen wollte und wie die USA dem westeuropäischen Land „auf die Beine“ half. Man kommt aber auch mit dem vietnamesischen Unabhängigkeitskämpfer in Berührung, erfährt von den dortigen Kommunisten und ihren Verbündeten.

Rauch steigt hinter der Dak To Militärbasis der USA in Vietnam auf (21.11.1967)
Rauch steigt hinter der Dak To Militärbasis der USA in Vietnam auf (21.11.1967)

Das asiatische Land hat lange Zeit viel Gewalt und Leid erlebt. So war es Schauplatz zweier Kriege, die mehrere Jahrzehnte andauerten. Der Dreißigjährige Krieg im 17. Jahrhundert in Europa scheint im Vergleich dazu kürzer gedauert zu haben. Auch wenn am Schluss das asiatische Land von den Kommunisten besiegt und geführt wurde, ist Vietnam heute mit knapp acht Prozent der Bevölkerung das Land mit dem viertgrößten Bevölkerungsanteil an Katholiken in Asien.

Ein Hoffnungszeichen für Vietnam, aber nicht unbedingt ein Relikt der früheren Kolonialmacht Frankreich. In Vuillards Buch sind es nämlich Kautschukpflanzer, Militärgeneräle, Politiker und Bankiers, die glauben, die Geschicke jenes Landes prägen zu müssen. Das Ganze führt aber nur dazu, dass Menschen des Geldes und der Macht wegen getötet wurden, bis man zur Frage gelangt, wie man eben „einen ehrenhaften Abgang“ durchführen könnte.

Kein trauriges Buch

Wer aber denkt, es handele sich um ein trauriges Buch, der wird bei der Lektüre schnell merken, dass dies überhaupt nicht der Fall ist. Vielmehr handelt es sich um eine menschliche Komödie, die aber aufrüttelt und bei der das Lachen im Hals stecken bleibt. Mit dem Mittel der Literatur versucht der Autor, sich der Wahrheit der Geschichte anzunähern, indem er uns einlädt, einen Blick hinter die Kulissen der menschlichen Einstellungen zu werfen. Die historischen Ereignisse bilden dabei die Hintergründe, die aber durch ihre Tragik in den Vordergrund rücken und uns die Frage hinterlassen: Wie würden wir aus einem Schlamassel einen „ehrenhaften Abgang“ organisieren?

Zum Mitschreiben: Éric Vuillard, Ein ehrenhafter Abgang. Aus dem Französischen von Nicola Denis, erschienen im Verlag Matthes & Seitz Berlin 2023.

Eine Rezension von Mario Galgano.

(vatican news)

Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.

17. April 2023, 13:22