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Kirchturm einer protestantischen Kirche in Gau-Weinheim Kirchturm einer protestantischen Kirche in Gau-Weinheim  (ANSA)

Theologe: Protestantismus beeinflusste Theologie Benedikts stark

Das theologische Denken des verstorbenen emeritierten Papstes Benedikts XVI. war aus Sicht des evangelischen Theologen Friedrich Wilhelm Graf stark von protestantischen Religionswissenschaftlern geprägt. „Offenkundig waren sie für die Profilierung seines Denkens wichtiger als katholische Theologen", schreibt der Münchner Theologe in einem Gastbeitrag für die „Welt".

Benedikt „arbeitete sich an historisch-kritisch denkenden protestantischen Gelehrten ab“, die er als „intellektuell überlegen“ wahrgenommen habe, so Graf. Zugleich habe Joseph Ratzinger sie „metakritisch überwinden“ wollen. Schon seine frühen Texte zeigten, dass er neben den Kirchenvätern vor allem liberalprotestantische Theologen aus dem Deutschen Kaiserreich gelesen habe, argumentiert der evangelische Theologe und verweist auf Adolf von Harnack, Ernst Troeltsch und den Neutestamentler Rudolf Bultmann. Von ihnen allen habe Ratzinger entscheidende Begriffe und Denkmuster aufgenommen.

Auch für seine Reden als Papst habe Benedikt sich dieser Begriffe bedient und sie umgedeutet, erklärt Graf. In der vielbeachteten Freiburger Rede aus dem Jahr 2011 habe Benedikt XVI. etwa den Begriff der „Entweltlichung" von Bultmann entlehnt und ihn auf sein zentrales Kirchenverständnis umgedeutet, „das auf die starke Entgegensetzung von Kirche und Welt fokussiert ist", wie Graf schreibt. Auf dieser Basis habe der Papst eine neue „Entweltlichung" der Kirche gefordert.

Der emeritierte Papst selbst hatte in einem späten Interview mit der „Herder Korrespondenz“ 2021 den Begriff „Entweltlichung" als „aus dem von Heidegger gebildeten Wortschatz“ stammend bezeichnet. Als junger Kaplan in München-Bogenhausen 1951-1952 habe er wahrgenommen, wie bei den Katholiken bereits damals Glaube und Unglaube „auf eine merkwürdige Weise miteinander vermischt“ waren. Mit „Entweltlichung" habe er „das Heraustreten aus der Rede und den Sachzwängen einer Zeit ins Freie des Glaubens“ gemeint; der emeritierte Papst stellte zugleich selbst in Frage, „ob das Wort ,Entweltlichung‘ … in Freiburg als abschließendes Stichwort von mir klug gewählt war“.

(kna/vatican news – gs)

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06. Januar 2023, 12:36