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Eine gelungene Synthese aus der Feder eines renommierten Historikers Eine gelungene Synthese aus der Feder eines renommierten Historikers 

Buchempfehlung: Eine andere jüdische Weltgeschichte

Sie will „entspannt“ sein, Informationen liefern statt Indoktrination – kann das gutgehen bei einer Geschichte des Judentums? Ja, es kann: Michael Wolffsohn tritt den Beweis an.

Stefan von Kempis – Vatikanstadt

„Eine andere jüdische Weltgeschichte“ heißt sein Buch, aber der anerkannte Historiker und Publizist will damit nicht behaupten, dass das Judentum von jeher im Zentrum des globalen Geschehens stünde. „Weltgeschichte“ vielmehr deshalb, weil jüdische Geschichte an vielen Orten des Planeten stattgefunden hat.

Was sind die Juden überhaupt, so fragt der Autor zunächst: Volk, Nation, Religion, Schicksalsgemeinschaft? Wer darauf eine Antwort versucht, muss weit ausholen, muss die „Ge-schichte“ (Wolffsohn) Schicht für Schicht abtragen. Der Autor identifiziert vor allem zwei Judentümer, nämlich Israel und eine recht vielfältige Diaspora. Das Kapitel zur Gründung des modernen Staates Israel ist mit „Gott, Herzl oder Hitler“ überschrieben – soviel zum Thema „entspannt“.

Jerusalem
Jerusalem

„Bis 1933 kein deutscher Sonderweg“

Man kann sich festlesen in diesem Buch, auch weil Wolffsohn eigentlich Bekanntes in immer wieder neue Zusammenhänge zu rücken weiß. So lässt zum Beispiel aufhorchen, dass er in der jüdischen Geschichte Europas bis 1933 keinerlei „deutschen Sonderweg“ zu erkennen vermag. Oder dass er der DDR ab 1952 antijüdisches Agieren attestiert. Aufregend ist seine sehr ausführliche Darstellung des Judentums in der Diaspora (darunter auf der Arabischen Halbinsel); sein Fazit lautet hier, dass es den Juden im Orient insgesamt besser ergangen sei als im Okzident, „aber immer noch schlecht genug“.

Brücken zwischen Juden- und Christentum

Spannend auch, was Wolffsohn zum theologischen Gehalt des Judentums aussagt. So wirkt bei ihm der Monotheismus weit weniger starr, als er sonst oft geschildert wird, ja er sieht hier „eine leicht begehbare Brücke“ zur christlichen Trinitätslehre. Eine von zahlreichen Brücken zwischen Juden und Christen, auf die Wolffsohn hinweist.

„Totgesagte leben länger“

Zum Nachhören: Wolffsohn, Eine andere Geschichte des Judentums - eine Buchempfehlung von Radio Vatikan

Ausführlich beschäftigt sich Wolffsohn mit antijüdischen Klischees und mit dem Antisemitismus. „Totgesagte leben länger“, bemerkt er hier lakonisch. Alles in allem tut der ruhige, faktengesättigte Stil dieses Buches gut. Wolffsohn hantiert unangestrengt mit seinem Material, weiß die Dinge pointiert auf den Punkt zu bringen. Diese Darstellung hat nichts Miefiges oder Moralisierendes – wahrscheinlich ist sie deswegen eine „andere“ Geschichte des Judentums. Unbedingt zu empfehlen!

Die genauen Angaben: Michael Wolffsohn, Eine andere jüdische Weltgeschichte, Herder Verlag Freiburg

(vatican news)

Kachel mit Felsendom-Motiv - Privatbesitz
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27. Juni 2022, 08:31