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Die deutsche Autorin Johanna Beck, Foto:  © Heinz Heiss Die deutsche Autorin Johanna Beck, Foto:  © Heinz Heiss  

Autorin Beck über kirchliche Erneuerung: „Mach neu, was dich kaputt macht"

Eine Kirche, die für Gerechtigkeit sorgt, die Verwundete und Marginalisierte ins Zentrum stellt. Das meint für die deutsche Autorin Johanna Beck Evangelisierung. In ihrem Buch „Mach neu, was dich kaputt macht“ berichtet die Theologin über ihre eigene Missbrauchserfahrung in der katholischen Kirche und gibt Impulse zu deren Erneuerung. Als Mitglied des DBK-Betroffenenbeirats arbeitet Beck seit Anfang 2021 auch beim Synodalen Weg mit.

Anne Preckel - Vatikanstadt

Becks persönliche Geschichte führt sie lange Jahre aus der Kirche heraus und am Ende wieder in sie hinein, wie sie im Interview mit Radio Vatikan schildert: „Ich wollte über zehn Jahre lang keine Kirche mehr betreten, ich hatte nichts mehr mit der Kirche zu tun, und ich wollte damit eigentlich auch nie wieder irgendwas zu tun haben. Weil einfach für mich so viel Katholisches komplett kontaminiert war durch meine Erfahrungen. Es sind ja nicht nur sexualisierte Übergriffe gewesen, sondern wir sprechen auch von massivem geistlichen Missbrauch“.

Die Rezension zum Hören

Das Schweigen brechen

In Ihrem Buch erzählt die junge Frau davon, wie ihr der Missbrauch bewusst wurde, und wie sie es schaffte, ihr Schweigen darüber zu brechen und das erlebte Leid zu verwandeln: „Mach neu, was dich kaputt macht“ ist Leidenszeugnis, schonungslose Kirchenkritik und zugleich Manifest der Erneuerung. In diesem Prozess spielt die Autorin selbst eine aktive Rolle: Getrieben von der Ahnung ihres Traumas vertieft sie sich in Missbrauchsstudien und erkämpft sich Stück für Stück ihre Erinnerung und Sprachfähigkeit zurück. Sie sucht sich psychologische und seelsorgliche Hilfe, beginnt ein Theologiestudium, vernetzt sich mit anderen Überlebenden und geht an die Öffentlichkeit.

Die Kraft dafür findet sie unter anderem durch positive Erfahrungen und Menschen in ihrer örtlichen Gemeinde, die sie unterstützen auf ihrem persönlichen Weg. Dort habe sie, so Beck, „eine Form von Glauben und Kirche kennenlernen dürfen, die so gar nicht dem entsprach, was ich als Kind und Jugendliche erleben musste“. Für Beck wird das zum Ausgangspunkt für Veränderung, das „Neumachen“ dessen, was sie bisher „kaputtmachte“.

Dabei stellt sie sich in den Dienst derjenigen, die unter Missständen und Strukturen leiden, die Missbrauch begünstigen: „Weil ich mich auf der einen Seite dieser Kirche und meiner Heimatgemeinde zugehörig fühle und auch dort eine gewisse Resilienz- und Kraftquelle für mich vorhanden ist, habe ich beschlossen, dass ich vorerst bleibe und in der Kirche von innen heraus versuche, missbrauchsbegünstigende Strukturen zu verändern. Ich habe beschlossen, dass ich deshalb auch über meine negativen und schlimmen Erfahrungen spreche – damit sich etwas verändern kann und damit auch Leute wie ich vielleicht bleiben können.“

Lernzeugnisse für die Kirche

Beck weiß zugleich, dass so mancher und so manche Missbrauchsbetroffene nicht bleiben wollen oder können. Sie nimmt auch wahr, dass die Kirche diese Zeugen teils immer noch nicht angemessen wahrnimmt. Dabei ist die angehende Theologin überzeugt davon, dass die Berichte von Missbrauchsüberlebenden „unschätzbar wichtig“ sind, um solche Verbrechen verstehen und verhindern zu können. Deshalb verschafft sich Beck, die als Mitglied des DBK-Betroffenenbeirats seit Anfang 2021 auch beim Synodalen Weg mitarbeitet, gemeinsam mit anderen Betroffenen immer wieder neu Gehör.

„Wenn die Kirche eine Zukunft haben will, dann muss sie auf diese Stimmen hören und darf sie nicht marginalisieren oder ignorieren oder gar negieren“

„Ich glaube einfach, wenn die Kirche eine Zukunft haben will, dann muss sie auf diese Stimmen hören und darf sie nicht marginalisieren oder ignorieren oder gar negieren! Beim Synodalen Weg gab es ja die Diskussion, ob die Betroffenen-Stimmen als ,locus theologicus‘ betrachtet werden können. Genau so sehe ich das: Es sind Lernorte, Lernzeugnisse für die Kirche. Natürlich dürfen diese Zeugnisse nicht zum kirchlichen Selbstzweck werden – es sind Zeugnisse, die juristische und sonstige Folgen haben müssen, Berichte, die vor allem nach Gerechtigkeit schreien.“

Die Kirche müsse sich bei der Missbrauchsaufarbeitung prioritär um Gerechtigkeit sorgen, „wenn sie ihrer Botschaft gerecht werden will“, zeigt sich die junge Frau überzeugt. Dabei dürfe es nicht um das Image der Kirche gehen, sondern die Überlebenden müssten im Fokus stehen. Viele Reformforderungen des Synodalen Weges sieht die Autorin von „Mach neu, was dich kaputt macht“ dann auch weniger als Option - sondern vielmehr als Imperativ.

Evangelisierung? Dem Evangelium gemäßer werden

Dass andere Ortskirchen andere Schwerpunkte setzen und die deutschen Reformforderungen teils als „Sonderweg“ wahrnehmen, findet Beck angesichts des Dramas des sexuellen und geistlichen Missbrauches nur schwer erträglich. In vielen Ortskirchen sei der sexuelle und geistliche Missbrauch einfach noch nicht genügend aufgearbeitet, ist Becks Interpretation dieser Skepsis vor den reformfreudigen Deutschen.

„Ich muss mir auch in Podiumsdiskussionen oder anderen Situationen öfters anhören: ,Ja, in Italien zum Beispiel da kann man noch einfach so katholisch sein, ohne sich ständig mit Missbrauch beschäftigen zu müssen.‘ Ich finde so was sehr problematisch und glaube, dass in diesen Ländern, wo das Thema noch nicht so auf der kirchlichen Tagesordnung ist, fürchte ich, noch sehr, sehr, sehr große Abgründe warten… Die Kirche kann nur gewinnen, wenn sie sich diesen Abgründen einfach, offen, ehrlich und komplett stellt.“

„Die Kirche kann nur gewinnen, wenn sie sich diesen Abgründen einfach, offen, ehrlich und komplett stellt“

Beck nutzt das Interview mit Radio Vatikan dann, um einen Wunsch und eine Hoffnung Richtung Papst Franziskus zu äußern. Sie hoffe sehr, dass der Synodale Weg in Deutschland „vor allem von Rom nicht als Bedrohung oder als Gefährdung gesehen wird, sondern als Chance“, sagt sie. Die Synodalen seien schließlich kein „Haufen von Kirchen-Rebellen und -Rebellinnen“ mit fixen Ideen, sondern es gehe ihnen um Veränderungsforderungen, die „theologisch fundiert“ und „aus wirklichem Leiden und Schmerz geboren sind“, unterstreicht Beck. Dieses „Neumachen“ habe für sie sehr viel mit Evangelisierung zu tun, ergänzt sie dann:

„Für mich bedeutet Evangelisierung, die Strukturen und Denkmuster der Kirche so zu verändern und zu reformieren, dass die Kirche wieder dem Evangelium gemäß wird. Dass es eine Kirche ist, die die Verwundeten und die Marginalisierten in den Mittelpunkt stellt, die für Gerechtigkeit sorgt, unter den Geschlechtern und für die Betroffenen.“

Die Angaben zum Buch

Johanna Beck: Mach neu, was dich kaputt macht. Warum ich in die Kirche zurückkehre und das Schweigen breche.

Erschienen bei: Herder, 2022. Preis: 20,- Euro (E-book 13,99 Euro)

Johanna Beck im Interview (Fragen: Anne Preckel, Vatican News)

(vatican news – pr)


 

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11. April 2022, 15:16