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Die Seligsprechung des Jesuitenpaters Rutilio Grande (1928-1977) am kommenden Samstag in San Salvador ist Ermutigung und Zeichen, loben im Vorfeld kirchliche Kreise. Die Seligsprechung des Jesuitenpaters Rutilio Grande (1928-1977) am kommenden Samstag in San Salvador ist Ermutigung und Zeichen, loben im Vorfeld kirchliche Kreise. 

El Salvador: Seligsprechung als Ermutigung für Kirche der Armen

Die Seligsprechung des Jesuitenpaters Rutilio Grande (1928-1977) am kommenden Samstag in San Salvador ist Ermutigung und Zeichen der Hoffnung, loben im Vorfeld kirchliche Kreise.

Die Seligsprechung ist „eine Ermutigung für die Kirche auf ihrem Weg der sozialen, kulturellen, ökologischen und synodalen Umkehr“. Das sagte der Lateinamerika-Experte P. Martin Maier, Geschäftsführer des deutschen kirchlichen Hilfswerks „Adveniat“, der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Furche“.

Am kommenden Samstag wird Rutilio Grande in San Salvador seliggesprochen. Der Jesuitenpater war 1977 in El Salvador gemeinsam mit zwei Begleitern ermordet worden, weil er sich für die Verbesserung der Lebensverhältnisse von Landarbeitern und Kleinbauern einsetzte. Der Märtyrer war ein Freund des 1980 ermordeten und 2018 heiliggesprochenen Erzbischofs Oscar Romero und des heutigen Papstes Franziskus.

Das Lebenszeugnis des Märtyrerbischofs Romero ist ohne Rutilio Grande nicht verstehbar, arbeitete der Jesuit Andreas Batlogg in einem Beitrag in der „Furche“ heraus. Der Mord an seinem Mitstreiter sei für Romero zum entscheidenden Anstoß geworden, konsequent Partei für die Armen und Unterdrückten zu ergreifen. Zuvor hatte er eine "Politisierung" der Kirche abgelehnt.

Battlog betont in seinem Beitrag auch, dass als Sonderbeauftragter des Papstes nicht der Erzbischof von San Salvador, Jose Luis Escobar Alas, sondern Weihbischof Gregorio Rosa Chavez die Seligsprechung vornimmt. Der Weihbischof von San Salvador gilt als Sachwalter des geistlichen Erbes von Romero. Chavez und nicht der Erzbischof ist auch seit 2017 Kardinal.

Priester im Dienst des Volkes

1928 geboren, trat Rutilio Grande 1945 in die Gesellschaft Jesu ein. Die ordensübliche Ausbildung in Philosophie und Theologie absolvierte er in Venezuela, Ecuador, Spanien, Frankreich und Belgien. 1959 zum Priester geweiht, war er bis 1972 in der Priesterausbildung im landesweiten Seminar in San Salvador tätig. Er bemühte sich, die Seminaristen mit dem Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) und den Dokumenten der Lateinamerikanischen Bischofskonferenz von Medellín (1968) vertraut zu machen. Er wollte Priester ausbilden, „die im Dienst des Volkes standen, und keine klerikalen Häuptlinge“, wie sein späterer Biograf Rodolfo Cardenal schrieb. Deswegen verlor er das Vertrauen des Episkopats. Im Herbst 1972 entschied sich Rutilio Grande deswegen für die Pfarrarbeit in der Gemeinde von Aguilares.

Dort wirkte er am Aufbau einer sogenannten Basisgemeinde mit. Intensiv setzte er sich für die Verbesserung der Lebensverhältnisse der einfachen Menschen ein. Mit seiner bewusstseinsbildenden Pastoral vollzog er dort den Standortwechsel der Kirche auf die Seite der Armen, der in Lateinamerika zu Spannungen innerhalb des Klerus und zu Konfrontationen mit Regierungen führte. Mehrfach erhielt er Todesdrohungen.

Eine Predigt als Todesurteil

Seit Anfang 1977 wurden in El Salvador Priester eingeschüchtert, gefoltert oder des Landes verwiesen. Unter ihnen  auch der Kolumbianer Mario Bernal, Pfarrer in Apopa im Departamento San Salvador. Rutilio Grande hielt eine flammende Predigt beim Gottesdienst im Anschluss an eine Demonstration mit mehr als 6000 Teilnehmern, die gegen die Ausweisung protestierten. Manche behaupten, Rutilio Grande habe damit sein eigenes Todesurteil unterschrieben.

Jedenfalls wurde er vier Wochen nach dieser Predigt, am 12. März 1977, auf dem Weg zu einer Messe in Auguilares von Auftragskillern der Großgrundbesitzer ermordet. Von mehreren Kugeln tödlich getroffen, verlor er die Herrschaft über den VW-Kübelwagen. Von den Gewehrsalven durchsiebt wurden auch der Mesner Manuel Solorzano (72) und der Ministrant Nelson Rutilio Lemus (16). Sie starben ebenfalls sofort. Zwei oder drei Kinder, die noch im Wagen saßen, konnten in dem Durcheinander durch die Zuckerrohrfelder entkommen.

„Rutilio hat mir die Augen geöffnet“

Noch in der Nacht reiste Oscar Romero an, er war erst Anfang Februar zum Erzbischof der Hauptstadt San Salvador ernannt worden. Zutiefst erschüttert stand er vor den drei aufgebahrten Leichen. Mitten in der Nacht feierte er eine Messe. Tags darauf wurde der Leichnam Grandes nach San Salvador überführt. Am 14. März feierte Romero das Requiem in der Kathedrale. Es wurde im Radio übertragen.

Eine Woche später setzte der Erzbischof ein weiteres Zeichen: In der ganzen Erzdiözese wurde nur eine einzige Messe gefeiert, an der über 100.000 Menschen teilnahmen. Die Regierung versuchte, das zu verhindern. Auch der Nuntius und der Militärbischof waren dagegen. Romero blieb stur. „Wer einen meiner Priester anrührt“, sagte er in der Predigt, „der rührt mich an.“

Die Ermordung von Rutilio Grande wurde zum Schlüsselerlebnis und Wendepunkt für Romero, wie Batlogg schrieb. „Rutilio hat mir die Augen geöffnet", zitierte er Romero. Ab diesem Zeitpunkt tauchte das Wort „Bekehrung" (conversion) in jeder Predigt Romeros auf. Drei Jahre später, am 14. März 1980, wurde er selbst - während einer Messe - ermordet. Ein weiterer Tabubruch in El Salvador, wo von 1979 bis 1992 ein Bürgerkrieg wütete.

„Das große Wunder von Rutilio Grande ist Monsignore Romero“

Als Grande-Biograf Rodolfo Cardenal im Oktober 2015 mit einer Delegation in Rom war, um dem Papst für die Seligsprechung Romeros im Mai zuvor zu danken, fragte Franziskus, ob bei Rutilio Grande bereits ein Wunder nachgewiesen worden sei - eine der Bedingungen für eine Seligsprechung. Und dann fügte der Papst mit Augenzwinkern hinzu: „Das große Wunder von Rutilio Grande ist Monsignore Romero."

Vierfache Seligsprechung

Gemeinsam mit P. Grande, werden am 22. Jänner auch seine beiden Begleiter Manuel Solorzano und Nelson Rutilio Lemus seliggesprochen; weiters der italienische Priester und Missionar Cosma Spessotto. Er war 1980 im Alter von 27 Jahren in einer Kirche in El Salvador getötet worden. Er zählte in jener Zeit ebenfalls zu den kirchlichen Stimmen des zentralamerikanischen Landes, die sich öffentlich gegen das herrschende Militärregime wandten.

(kap/die furche – pr)
 

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20. Januar 2022, 14:27