Anke Schlimm, Deutsche Botschafterin in Zypern Anke Schlimm, Deutsche Botschafterin in Zypern 

D/Zypern: „Ich hoffe, dass die Botschaft des Papstes aufgenommen wird“

Anke Schlimm ist die Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Zypern und selbst Katholikin. Im Gespräch mit unserer Korrespondentin vor Ort verleiht sie ihrer Hoffnung Ausdruck, dass der Besuch des Papstes in dem Land dem Dialog zwischen den Autoritäten in Nord und Süd neue Türen öffnen wird.

Radio Vatikan: Frau Botschafterin, wir sind auf Zypern, das ist eine kleine Insel am Rand Europas, die in sich auch noch geteilt ist. Und Papst Franziskus ist hierhergekommen mit einer Botschaft von Dialog, mit einer Botschaft von Einheit und vor allem mit einer Botschaft, sich um die Migranten zu kümmern, ein Auge für die Situation der Migranten zu haben. Wie sehen Sie die Wirkung des Papstbesuch?

Anke Schlimm (Botschafterin der Bundesrepublik Deutschland in Zypern): „Die Ankunft und der Besuch des Papstes findet sehr große Aufmerksamkeit auf Zypern. In der Tat ist Zypern die letzte geteilte Insel in Europa. Nikosia, die Hauptstadt, ist selbst ebenfalls geteilt in einen griechisch-zyprischen Süden und einen türkisch-zyprischen Norden. Das Zypern-Problem, die Teilung der Insel, ist das beherrschende Thema hier.

Hier können Sie das Gespräch mit Anke Schlimm, deutsche Botschafterin in Zypern, in voller Länge nachhören

Seit der türkischen Invasion 1974 gab es viele Versuche, die Gespräche zwischen beiden Seiten mit dem Ziel einer Wiedervereinigung der Insel voranzubringen. Viele UN-Generalsekretäre haben versucht, diesen Weg einer Verständigung und einer Wiedervereinigung der Insel zu erreichen, was bis heute leider nicht gelungen ist. Und gerade im Moment erleben wir, dass die erneuten Versuche einer Wiederaufnahme der Gespräche in eine Sackgasse geraten sind. Und deswegen denke ich, dass alle Ansätze und alle Bemühungen der Verständigung zwischen dem griechisch zyprischen Süden und dem türkisch zyprischen Norden helfen können, hier den Prozess mit dem Ziel einer Wiedervereinigung voranzubringen.

„Das Zypern-Problem, die Teilung der Insel, ist das beherrschende Thema hier“

Wir als Bundesregierung unterstützen sehr viele Projekte, um die Verständigung und, wie wir so schön sagen, die vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen dem Süden und dem Norden zu unterstützen. Eines davon heißt Imagine, dabei werden Kinder, Jugendliche und Lehrer von beiden Volksgruppen in Workshops zusammengebracht. Das erinnert mich immer ein bisschen an die deutsch-französische Versöhnungsarbeit und die Begegnungen zwischen Jugendlichen in Deutschland und Frankreich, genau das wird hier auf der Insel auch gemacht. Leider wurde das in den letzten Wochen und Monaten durch die Pandemie erschwert.

Aber alle Projekte, alle Maßnahmen, die einer Verständigung, einer Begegnung zwischen den beiden Teilen der Inseln dienen, sind aus meiner Sicht sehr wichtig. Und genau in diese Situation kommt der Papst mit seiner sehr deutlichen und hörbaren Botschaft, der Forderung nach Dialog. Das ist eine seiner Hauptbotschaften, die hier sehr wohl vernommen wird und ich denke, dass dieser Ruf, dieses Bekenntnis zum Dialog trotz aller Schwierigkeiten, trotz der Sackgasse, trotz der manchmal scheinbar ausweglosen Lage sehr wichtig ist.“

Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis verabschiedet Papst Franziskus am Flughafen von Larnaka
Zyperns Präsident Nikos Anastasiadis verabschiedet Papst Franziskus am Flughafen von Larnaka

Radio Vatikan: Sie waren bei vielen der Begegnungen mit dem Papst dabei. Was haben Sie für eine Stimmung gespürt? Wie kommt seine Botschaft denn auch bei den Autoritäten an? Kann der Besuch des Papstes dazu beitragen, vielleicht auch ein bisschen eingefrorene Beziehungen wieder aufzubauen?

Anke Schlimm: „Das hoffe ich sehr, dass seine Botschaft ankommt. Denn das, was ich in den letzten Wochen erlebt habe, ist leider eine Verhärtung auf beiden Seiten. Zuletzt haben Begegnungen zwischen dem griechisch-zyprischen Staatspräsidenten, UN-Generalsekretär Guterres und dem Volksgruppenführer im Norden zu keinem Ergebnis geführt. Man hat sich noch nicht mal darauf verständigen können, wieder Gespräche aufzunehmen. Aber was als Möglichkeit weiterhin da ist - das haben auch die Vereinten Nationen sehr deutlich gesagt und das unterstützen wir auch - das sind vertrauensbildende Maßnahmen zwischen den griechischen Zyprern im Süden und den türkischen Zyprern im Norden. Und ich glaube, genau in diese Richtung geht der Aufruf des Papstes, trotz aller Widrigkeiten, trotz der hier gefühlten Furcht vor den Türken-Zyprern im Norden und der Türkei, die weiterhin im Norden Truppen stationiert haben, diesen Weg des Dialogs und des ,trotzdem Versuchens‘ weiterzugehen. Ich glaube, das ist das ist eine wichtige Botschaft und ich hoffe sehr, dass die hiesigen Autoritäten und Staatspräsident Anastasiadis als Gastgeber für den Papst diese Botschaft hören und auch aufnehmen.“

„Und ich glaube, genau in diese Richtung geht der Aufruf des Papstes, trotz aller Widrigkeiten, trotz der hier gefühlten Furcht vor den Türken-Zyprern im Norden und der Türkei, die weiterhin im Norden Truppen stationiert haben, diesen Weg des Dialogs und des ,trotzdem Versuchens‘ weiterzugehen“

Radio Vatikan: Sie selbst sind Katholikin, und die katholische Gemeinschaft hier ist sehr, sehr klein. Wie wird denn innerhalb dieser Gemeinschaft der Besuch des Papstes gelebt?

Anke Schlimm: „Ich besuche ja auch die Gottesdienste der katholischen Kirche. Die Katholiken - und wie man hier sagt, die Lateiner - sind eine religiöse Minderheit auf Zypern, die Mehrheit der Bevölkerung im Süden, 90 Prozent, sind griechisch-orthodox. Es gibt daneben sehr viele andere Religionen, die hier vor Ort vertreten sind. Das sind hauptsächlich die (orthodoxen) Armenier und die Maroniten, die ein sehr enges Verhältnis zu den lateinischen Katholiken haben.

„Das ist seit langer Zeit Thema, welches Zeichen der Hoffnung von seinem Besuch auf Zypern ausgeht“

Und wir müssen sehen, dass der Papst natürlich vor allen Dingen bei den hier lebenden Katholiken - nach den Zahlen, die mir vorliegen, sind das etwa 4.000 - und bei der maronitischen Glaubensgemeinschaft, die etwa 8000 Mitglieder hat, natürlich mit Begeisterung aufgenommen wurde. Das ist seit langer Zeit Thema, welches Zeichen der Hoffnung von seinem Besuch auf Zypern ausgeht. Nicht nur für Zypern, sondern auch für die ganze Region. Und es hat mich nicht verwundert, beim Gottesdienst mit dem Papst am Freitag sehr viele libanesische Fahnen zu sehen. Das heißt, dass sowohl die Christen, die Katholiken oder auch vor allen Dingen Maroniten, die es ja im Libanon gibt, hier wahrscheinlich extra für den Besuch des Papstes nach Zypern gekommen sind, um mit ihm die Messe zu feiern und diese Möglichkeit zur Begegnung mit dem Papst zu wahrzunehmen.

Die maronitische Erzengel-Michael-Kirche im maronitischen Dorf Asomotos im Nordteil der Insel
Die maronitische Erzengel-Michael-Kirche im maronitischen Dorf Asomotos im Nordteil der Insel

Die Maroniten in Zypern sind in einer besonderen Situation, weil sie noch eine Kirche und sogar eine kleine Gemeinde im Norden Zyperns haben. Und sie erhoffen sich vom Besuch des Papstes Unterstützung für ihr Anliegen, dass auch in Zukunft diese Maronitengemeinde im Norden Zyperns weiterhin überlebensfähig bleibt. Sie erhoffen sich dadurch Aufmerksamkeit und Unterstützung, und ich denke, dass die Regierung in Zypern das sehr wohl sehr wohl hört und in den öffentlichen Bekenntnissen darauf hinweist, dass diese religiöse Vielfalt, die wir hier in Zypern haben, erhalten bleibt.“

Radio Vatikan: Viele Mitglieder der katholischen lateinischen Gemeinde sind ja auch Migranten. Zypern ist ein Einwanderungsland, ein Migrationsland, was ja auch ein ganz wichtiger Fokus des Besuchs des Papstes ist. Und auch Sie als Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland sind natürlich mit dieser Problematik befasst…

Anke Schlimm: „In der Tat haben wir in Zypern viele Migranten, wobei wir glaube ich unterscheiden müssen. Es gibt einmal sehr viele legale Migranten. Wir haben auf Zypern eine sehr große philippinische Gemeinde von Menschen, die hier traditionell in den in den Haushalten oder auch im Hotelgewerbe Arbeit gefunden haben. Wenn ich am Wochenende in den katholischen Gottesdienst gehe, dann sind wahrscheinlich gefühlt 70 bis 80 Prozent der Katholiken in diesen Gottesdiensten Filipinos. Und wer die Filipinos kennt, sie waren natürlich begeistert - und das hat man auch in der Messe mit dem Papst gemerkt - vom Besuch des Papstes, den sie, glaube ich, lange vorbereitet haben. Und für die Filipinos ist das ein sehr großes Fest.

„Zypern sieht sich einer Welle illegaler Migration gegenüber und sucht Unterstützung, um mit diesem Problem der illegalen Migration umzugehen“

Der andere Punkt, der Punkt der Migration - und der Papst hat das Thema Migration zu einem Schwerpunkt seines Besuchs gemacht - ist ein für Zypern sehr schwieriges Thema und eine große Herausforderung. Zypern sieht sich einer Welle illegaler Migration gegenüber und sucht Unterstützung, um mit diesem Problem der illegalen Migration umzugehen. Die Zahlen, die die zyprische Regierung veröffentlicht, sind in der Tat dramatisch. Es kommen monatlich bis zu 2000 illegale Migranten, so schätzt die Regierung, nach Zypern, und zwar hauptsächlich entweder aus Syrien oder auch aus afrikanischen Ländern, vor allen Dingen aus Nigeria und aus der DR Kongo.

Papst Franziskus bei einem Treffen mit Migranten in der Nuntiatur in Nikosia
Papst Franziskus bei einem Treffen mit Migranten in der Nuntiatur in Nikosia

Die meisten kommen wohl auf dem Flugweg über die Türkei in den zyprischen Norden und werden dann, so unsere Erkenntnis, von organisierten Schleppern über die sogenannte Grüne Linie, die Demarkationslinie, denn es handelt sich nicht um eine offizielle Grenze, in den Süden gebracht. Das führt hier in Zypern dazu, dass die Flüchtlingslager überfüllt sind. Es gibt ein Flüchtlingslager, das ist ausgelegt für 600 Flüchtlinge und momentan gibt es dort 2000. Die zyprische Regierung ruft nach größerer Unterstützung durch die EU und andere EU-Länder.

Und was ich hier beobachte, ist, dass neben dem Ruf nach Unterstützung die Stimmung insgesamt leider in eine Richtung geht, dass in der Bevölkerung die Frage der Kriminalität, die Frage danach, inwieweit die Migranten die Sozialsysteme belasten, immer stärker greift, auch in der öffentlichen Diskussion. Es gibt auch Veröffentlichungen oder Aussagen der Regierung, in den Schulen gäbe es zu viele Kinder mit Migrationshintergrund. Und da glaube ich wieder, dass die Botschaft des Papstes, der sagt, wir müssen diesen Menschen menschlich, als Menschen, begegnen, hier ganz, ganz wichtig ist.

„Und ich glaube, diese Botschaft ist als auch als Gegengewicht zu einer Stimmung, die sich hier im Moment im Land breit macht, sehr wichtig“

Er hat bei seinem Besuch hier sehr deutlich gesagt, dass es um Integration derer geht, die ein Recht haben, hier zu sein, also die, die im Asylverfahren tatsächlich dann auch den Asyl-Status zugesprochen bekommen. Und ich glaube, diese Botschaft ist als auch als Gegengewicht zu einer Stimmung, die sich hier im Moment im Land breit macht, sehr wichtig. Wir erkennen an, dass es ein großes Migrationsproblem gibt mit steigenden Zahlen. Aber wie diese Gesellschaft hier mit dieser Herausforderung umgeht, ich glaube, da kommt der Papst im Moment gerade zum richtigen Zeitpunkt, um zu zeigen, dass wir es hier mit Menschen zu tun haben. Und seine Ankündigung, dass 50 Migranten aus Zypern in Italien von der katholischen Kirche aufgenommen werden, ist glaube ich eine sehr kraftvolle Botschaft und eine Geste, die hier hoffentlich dazu beiträgt, mit dieser sehr großen Herausforderung Migration umzugehen.“

Die Fragen stellte Christine Seuss

(vatican news)

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06. Dezember 2021, 15:24