Ampel-Koalitionäre in spe: Die Grünen-Vorsitzenden Habeck und Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Scholz und FDP-Vorsitzender Lindner Ampel-Koalitionäre in spe: Die Grünen-Vorsitzenden Habeck und Baerbock, SPD-Kanzlerkandidat Scholz und FDP-Vorsitzender Lindner 

D: Die Ampel und die Religion

Wenn SPD, FDP und GRÜNE derzeit in Berlin über die Bildung einer sog. Ampel-Koalition sprechen, wird sicher auch das Thema Religion auf der Tagesordnung stehen. Auf was sich die drei Parteien, die ja in vielen Bereichen recht unterschiedliche politische Positionen haben, hier einigen werden, weiß man freilich noch nicht.

„Ich könnte mir gut vorstellen, dass jetzt Themen angegangen werden, die jetzt schon länger auf der Agenda sind, insbesondere die Frage der Ablösungen, die wir ja schon seit 102 Jahren auf dem Tisch haben.“ Das sagt der Erlanger Religionsverfassungsrechtler Mathias Rohe.

Ablösung von Staatsleistungen?

Dass die Staatsleistungen abgelöst werden sollen, findet sich in den Wahlprogrammen von FDP und Grünen. Staatsleistungen sind der finanzielle Ausgleich für die Enteignung von Kirchenbesitz im 19. Jahrhundert. Schon die Weimarer Reichsverfassung von 1919 sah vor, dass sie abzulösen sind, d.h. dass der Staat eine endgültige finanzielle Lösung mit den Kirchen finden muss. Auch das Grundgesetz nimmt hier Bund und Länder in die Pflicht. Ein sogenanntes Ablösegrundsätzegesetz, das Grüne, Linke und FDP in der vergangenen Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht hatten, scheiterte.

Olaf Scholz, derzeit geschäftsführender Finanzminister, ist wahrscheinlich der nächste Kanzler
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„Arbeitsrecht? Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Politik heraushalten wird“

In den Wahlprogrammen von Gelb und Grün wird auch thematisiert, dass Privilegien der Kirchen, so insbesondere im Arbeitsrecht, abgebaut werden sollen.

Mathias Rohe: „Ich könnte mir vorstellen, dass sich die Politik heraushalten wird und dass es im Wesentlichen eine Frage der Justiz ist, wenn es hart auf hart geht. Wir hatten hier ja einige Verfahren. Und insbesondere die Rechtsprechung der Europäischen Union hat Maßgebliches bewirkt, im Sinne der Einschränkung von Autonomierechten. Ich nehme an, diese Tendenz wird anhalten. Ich habe den Eindruck: Die deutsche Politik verteidigt eher dieses gewachsene System.“

Ökumenischer Gottesdienst vor der ersten Sitzung des neuen Bundestages Ende Oktober (mit den Politikern Schäuble, Steinmeier und Merkel)
Ökumenischer Gottesdienst vor der ersten Sitzung des neuen Bundestages Ende Oktober (mit den Politikern Schäuble, Steinmeier und Merkel)

Blick in die Wahlprogramme

Blick Im Bundestagswahlprogramm der FDP findet man: Das Staatskirchenrecht soll zu einem Religionsverfassungsrecht weiterentwickelt werden. Und wörtlich: „Es soll einen passenden rechtlichen Status bieten für alle Religionsgemeinschaften, die das Gleichheitsgebot und die Glaubensvielfalt, die Grundrechte wie die Selbstbestimmung ihrer Mitglieder anerkennen.“

Bei den Sozialdemokraten findet man dagegen nur relativ wenig im Wahlprogramm. Dort heißt es: „Wir begrüßen das Engagement in den Religionsgemeinschaften und Kirchen. Den interreligiösen Dialog und den Dialog von Religionen, Weltanschauungen und Kulturen werden wir weiter fördern und verstärken. Wir begrüßen das Engagement von säkularen Initiativen der Zivilgesellschaft. Die Religionsfreiheit ist fest im Grundgesetz verankert und wir schützen sie.“

Priester, Rabbiner und Imam bei der Grundsteinlegung eines Berliner „House of One“ im Mai '21
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Zum Nachhören: Wie hält es eine (mögliche) deutsche Ampel-Koalition mit der Religion?

Und der Islam?

FDP und Grüne äußern sich in ihren Programmen auch zur Rolle der islamischen Verbände. Die Grünen formulieren: „Wir unterstützen Staatsverträge mit islamischen Religionsgemeinschaften, die in keiner strukturellen Abhängigkeit zu einem Staat, einer Partei oder politischen Bewegung und dessen oder jeweiliger Religionspolitik stehen und sich religiös selbst bestimmen“. Die FDP betont die Integration von Muslimen und Muslimen, die keinem Verband angehören.

„Wie organisiert man einen Umgang mit dieser neuen Pluralität?“

Rohe: „Wir haben eine Entwicklung in Deutschland etwas weg von Institutionen, was den christlichen Bereich angeht, also mehr Kooperationen. Wir haben auf der anderen Seite neue Player, die ihren Platz finden wollen. Wie organisiert man einen Umgang mit dieser neuen Pluralität? Ich wage nicht zu prognostizieren, was herauskommt. Aber ich könnte mir gut vorstellen, dass diese Fragen ernsthaft diskutiert werden, in dem Sinne: Wir müssen für alle faire Aktionsbedingungen schaffen.“

Der Berliner Reichstag ist Sitz des Deutschen Bundestags
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„Es gibt in den Parteien sehr viele Leute, die selbst konfessionell gebunden sind“

Im Programm der Grünen heißt es: „Die gewachsene Beziehung zwischen dem Staat und den christlichen Kirchen wollen wir erhalten und wo nötig der gesellschaftlichen Realität anpassen.“ Dass am deutschen religionsverfassungsrechtlichen Rahmen insgesamt gerüttelt wird, hält Professor Rohe für außerordentlich unwahrscheinlich:

Rohe: „Da gibt es in den beteiligten Parteien sehr viele Leute, die entweder selbst konfessionell gebunden sind oder es jedenfalls sehr respektieren, dass Menschen es sind. Ich sehe in diesem politischen Spektrum keine nennenswerten Stimmen. und im Zweifel müsste man Zwei-Drittel-Mehrheiten im Parlament organisieren. Die sind weit, weit weg.“

(vatican news - Michael Hermann, Stuttgart)
 

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06. November 2021, 10:11