Prof. Myriam Wijlens Prof. Myriam Wijlens 

Vatikan/D: Was sagt das Kirchenrecht zur neuen Weltsynode?

Papst Franziskus hat am Sonntag den synodalen Prozess der Weltkirche eröffnet. Beraten wird er dabei unter anderem von einer Erfurter Kirchenrechtlerin, die deutlich macht: In Mecklenburg-Vorpommern müssen andere Regeln gelten als in Bombay. Das Interview mit Myriam Wijlens führte Renardo Schlegelmilch.

DOMRADIO.DE: Sie sind Kirchenrechtlerin und maßgeblich an der Vorbereitung und Organisation der Synode beteiligt. Wie sieht Ihre Arbeit da genau aus?

Prof. Dr. Myriam Wijlens (Kichenrechtlerin an der Universität Erfurt und Synodenberaterin): Vor wenigen Monaten hat Papst Franziskus mich als Beraterin dieser Synode ernannt. Das ist eine offizielle Institution neben der römischen Kurie und eine Ernennung für fünf Jahre. Daneben hat Kardinal Mario Grech, Generalsekretär des Synodensekretariats, mich gebeten, man könnte sagen im Lenkungsausschuss - Think Tank nennt man das hier - mitzuarbeiten. Das ist eine Gruppe von fünf Personen: vier Italiener, ein Bischof, drei Priester und ich.

Zum Nachhören - was Kirchenrechtlerin Wijlens zur Weltsynode sagt

DOMRADIO.DE: Was genau wird da überlegt und beraten?

Wijlens: Zum Beispiel das Vorbereitungsdokument, das gerade veröffentlicht wurde. Da fragen wir uns, was muss da rein. Das haben wir zusammen geschrieben. Aber dann gibt es auch eine Gruppe von Bischöfen aus der ganzen Welt, die von der vorigen Synode ernannt wurden - die müssen das dann auch absegnen.

„Das Kirchenrecht muss in vielerlei Hinsicht die Bedingungen schaffen, damit bestimmte Dinge passieren können. Wir schaffen diese Bedingungen weltweit. Die Kirchen stoßen jetzt an, dass es in die Ortskirchen geht und geben dazu Impulse.“

DOMRADIO.DE: Ich stelle es mir inhaltlich sehr schwer vor, einen Prozess vorzubereiten, bei dem man nicht weiß, was dabei rauskommen soll. Das ist ja der Kern von Synodalität. Macht es das schwieriger?

Wijlens: Nein, das macht es überhaupt nicht schwierig. Im Grunde muss man nur die Bedingungen schaffen. Das ist das Wichtigste. Ich bin Kirchenrechtlerin - das Kirchenrecht muss in vielerlei Hinsicht die Bedingungen schaffen, damit bestimmte Dinge passieren können. Wir schaffen diese Bedingungen weltweit. Die Kirchen stoßen jetzt an, dass es in die Ortskirchen geht und geben dazu Impulse.

Man muss nun schauen, wie das vor Ort angepasst werden kann. Ich glaube, das ist auch wichtig, denn in Mecklenburg-Vorpommern wird das anders angewandt werden als in Bombay. Die Bedingungen sind völlig anders, die Entfernungen sind anders, die Geschichte ist anders. Das Ziel ist Synodalität, besser aufeinander zu hören. Überhaupt aufeinander zu hören und dann auch besser im Miteinander auf die Heilige Schrift zu hören und zu erfahren, was sagt der Heilige Geist uns eigentlich für unsere Kirche, diese Kirche von heute und vor allem von morgen.

Ortskirchen als Ausgangs- und Zielpunkt

„Was jetzt neu ist, und das wird uns vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgegeben: Wir fangen in den Ortskirchen an. Dieser Schritt ist Bestandteil dieser Synode geworden, und am Ende ist es nicht so, dass es eine Sitzung, ein Abschlussdokument gibt, sondern dann geht es zurück in die Ortskirchen, um da dann auch rezipiert zu werden.“

DOMRADIO.DE: Können Sie da als Kirchenrechtlerin an einer Stelle ins Detail gehen? Welche Regeln müssen da neu beraten oder geschaffen werden?

Wijlens: Diese Synode ist etwas anderes als alle anderen. Alle bisherigen Synoden in Rom waren Bischofssynoden. Überall finden Sie jetzt in den Texten „die Synode der ganzen Kirche“. Und in dieser Synode findet am Ende ein Treffen der Bischöfe statt, die dann in einer Bischofsversammlung entscheiden, wie es weitergeht. Aber auch da haben wir schon gesagt, danach gibt es die Implementationsphase, man könnte sagen die Rezeption.

Was jetzt neu ist, und das wird uns vom Zweiten Vatikanischen Konzil vorgegeben: Wir fangen in den Ortskirchen an. Dieser Schritt ist Bestandteil dieser Synode geworden, und am Ende ist es nicht so, dass es eine Sitzung, ein Abschlussdokument gibt, sondern dann geht es zurück in die Ortskirchen, um da dann auch rezipiert zu werden.

Darüber muss nachgedacht werden, weil es nicht nur rechtliche, sondern auch theologische Fragen gibt, die damit verbunden sind. Was das dann eigentlich bedeutet, wird sehr sorgfältig beraten und sehr sorgfältig diskutiert.

Jetzt schon im synodalen Prozess

DOMRADIO.DE: Noch mal nachgefragt: Wir sind jetzt schon in der eigentlichen Synode drin, nicht in einem zweijährigen Vorbereitungsprozess auf eine Synode 2023?

Wijlens: Genau, heute morgen (am Sonntagmorgen, Anm.) wurde die Synode vom Papst eröffnet, und diese Synode soll nächste Woche in allen Bistümern der Welt - das ist ja auch neu - vor Ort eröffnet werden, um dann einen Prozess zu beginnen.

Nun gibt es im Zweiten Vatikanischen Konzil, das ist theologisch sehr gut fundiert, den Satz: Die Kirche existiert in und aus den Ortskirchen. Also man kann das eine nicht ohne das andere denken. Und dieser Prozess, der wird jetzt in Bewegung gesetzt, wo der Papst sagt: wir machen uns alle auf den Weg und alle gehen mit.

(domradio – mg)

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11. Oktober 2021, 11:09