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Kardinal Hollerich in Schengen Kardinal Hollerich in Schengen 

EU: „Union ist eine Erfolgsstory“

Trotz Corona-Krise, Flüchtlingsdrama auf dem Mittelmeer und Rechtsruck in einigen europäischen Ländern fällt die Bilanz für die Europäische Union positiv aus. Wie der Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE, der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich, im Gespräch mit Radio Vatikan hervorhebt, sind allerdings die Flüchtlingspolitik und der Rechtsruck in Europa zwei Armutszeugnisse, die ihm Sorgen bereiten.

Mario Galgano – Vatikanstadt

An diesem Sonntag ist nicht nur Mutter-, sondern auch Europatag. Am 9. Mai jedes Jahres gedenkt man der Schuman-Erklärung, die nach dem Zweiten Weltkrieg gewissermaßen den Startschuss zur engeren Zusammenarbeit in Europa gab.

Hier hören Sie das Interview mit Kardinal Jean-Claude Hollerich (COMECE-Präsident)

Kardinal Hollerich sieht die Europäische Union in unserem Interview als ein erfolgreiches Friedensprojekt: „Die Europäische Union ist eine Erfolgsstory. Es geht der Welt besser mit der EU! Aber was auf dem Mittelmeer geschieht, was in den Flüchtlingslagern in Griechenland geschieht oder in Bosnien-Herzegowina - da brauchen wir größere Anstrengungen.“

„Derzeitige Flüchtlingspolitik verrät die europäischen Werte“

Er wolle es „in großer Deutlichkeit sagen“, dass die Flüchtlingspolitik ein Verrat an den grundlegenden europäischen Werten sei. „Wenn man immer von den Werten spricht, dann muss man auch danach handeln! Und es ist ja gar nicht so, dass Europa die größten Flüchtlingsströme in dieser Welt hat, das ist einfach falsch. Ich glaube, die Christen müssen eine ganz klare Sprache sprechen. Die katholische Kirche und die anderen Kirchen in Europa, wir müssen auf diese schlimmen Missstände aufmerksam machen. Wir können das nicht einfach mit Schweigen übergehen, deshalben müssen wir hier das Gewissen Europas sein.“

EU-Flagge auf dem Schuman-Platz in Brüssel
EU-Flagge auf dem Schuman-Platz in Brüssel

Auch Atheisten und Agnostiker sind dankbar

Immer wieder treffe er Leute, die ihm sagten, dass sie der Kirche und Papst Franziskus dankbar für den Einsatz für Flüchtlinge seien. Unter diesen Danksagern seien viele Atheisten und Agnostiker.

Dass die EU fast genausoviel Corona-Impfstoff ausführt wie selbst verimpft, zeigt nach Hollerichs Dafürhalten, wie solidarisch die Europäische Union ist. „Wir müssen schauen, dass jetzt erstmal die Produktion von den Impfstoffen hochgefahren wird. Das ist wirklich wichtig, weil eine Pandemie eine Angelegenheit der ganzen Welt ist und nicht eine Angelegenheit der einzelnen Länder der Europäischen Union: Wir werden die Pandemie nur dann besiegen, wenn wir den Virus auf der ganzen Welt besiegen.“

Man werde auch nur dann Frieden und Sicherheit haben, wenn alle Personen in allen Ländern ein menschenwürdiges Leben hätten, fügt der COMECE-Präsident an. Die Pandemie habe viele in die Armut geführt. „Das muss ins Bewusstsein in der heutigen Welt gelangen. Wir müssen lernen, eine neue Art der Wirtschaft aufzubauen.“

Populistin: Marine Le Pen
Populistin: Marine Le Pen

Den Populisten nicht auf den Leim gehen

Die Arm-Reich-Schere und das Nord-Südgefälle in Europa heize den Populismus im europäischen Politik-Spektrum an, so der Kardinal. „Populismus in Europa ist ganz real in einigen Ländern. Das gilt vielleicht weniger für Deutschland, viel mehr für Frankreich, zum Beispiel. Da müssen wir schauen, wie die ultrarechten populistischen Parteien abschneiden werden. Es ist ja ganz klar, dass diese Richtung nichts mit dem Christentum zu tun hat. Die Grundbegriffe der katholischen Soziallehre werden von diesen Rechtsradikalen mit Füßen getreten.“

Das zielt wohl vor allem auf die Partei Rassemblement National (früher: Front National) von Marine Le Pen. Sie könnte bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Frankreich Amtsinhaber Emmanuel Macron in Bedrängnis bringen - und damit auch den Prozess der europäischen Integration.

Man müsse innerhalb der EU-Länder aufpassen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu weit auftue, so Kardinal Hollerich. „Ich hoffe, dass der Sozialgipfel, der jetzt in Porto stattgefunden hat, auch zu konkreten Schlussfolgerungen kommen kann, damit man die Armut in Europa bekämpft und dass man vor allem versucht, diese Schere zwischen Arm und Reich etwas kleiner zu machen.“

(vatican news)

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08. Mai 2021, 14:57